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Die Fehler der Anderen Warum wir so gerne andere Leute beurteilen

Beitragsbild: Die Fehler der Anderen

Andere Leute zu beurteilen scheint ein typisches Verhalten zu sein. Sind Unsicherheit und ein Geltungsbedürfnis die Gründe? Oder sind andere einfach doof?

Wir alle tun es. Andere Menschen beurteilen, wobei es keine Rolle spielt, ob wir sie kennen oder nicht. Besonders Äußerlichkeiten lassen uns tief in die unterste Schublade der Vorurteile greifen. In solchen Gelegenheiten fallen schnell Sätze wie »Schau, da kommt wieder so ein Vollspast. Ich wette, der noch nie _________ und macht gerne __________!« (bitte beliebige Vorurteile ergänzen) Das Beurteilen fällt uns leicht; erst mit mehr Informationen sind wir gewillt, die Situation neu einzuschätzen. Woran liegt das? Meist sind unsicher und es mangelt uns an Selbstsicherheit, um Toleranz zu zeigen.

Gründe, warum wir andere Menschen beurteilen

Dir wäre so ein Verhalten absolut peinlich. Wir alle kennen diese gewissen Momente des Fremdschämens. Du triffst dich mit Freunden und Antje bringt ihr neuen Typen mit, der direkt mal den dicken Max macht. Er berichtet über seinen letzten Asien-Trip, zeigt dutzende angeberische Fotos und das auch noch in einer unerträglichen schrillen Lautstärke. Du flüsterst im Vorbeigehen den anderen Gästen die Frage zu, was Antje wohl an dem findet. Eigentlich macht dir sein Verhalten aber Angst; er pfeift auf die Meinung der Runde und zieht hemmungslos sein Programm durch. Wann warst du zuletzt so unbeschwert? Schwer zu sagen, aus diesem Grund ist es leichter, diesen Spinner zu be- und verurteilen. Dass er vielleicht selbst nervös ist, weil er neu vorgestellt wurde, mag dir gar nicht erst in den Kopf kommen. Stattdessen verbreitest du das Gerücht, dass er als Kind mal eine Trillerpfeife verschluckt hat.

Du erkennst dich selbst wieder. Höchst unangenehm, aber leider oft die traurige Wahrheit hinter der Beurteilung: das Verhalten der Anderen kannst du nicht ab, weil du es von dir selbst kennst. Anstatt es zu durchschauen, ätzt du lieber kritisch über die Verhaltensweise. Dein bester Freund nervt dich, weil er meist extrem laut schmatzt? Höchstwahrscheinlich bist du selbst mal der übertriebenen Schmatzerei beschuldigt worden. Deine Freundin macht dich kirre, weil sie pünktlich zur Lieblingsserie daheim sein möchte? Erinnert dich an das eine Mal, als du unbedingt noch den einen Level schaffen musstest, ehe du ins Bett folgst. Persönliche Fehler einzugestehen war schon immer eine der schwierigsten Übungen im Umgang mit anderen Leuten.

Wenn man das Glück der Anderen nicht erträgt

Eigentlich bist du nur neidisch. Kaum etwas widert uns so an wie der Erfolg anderer Zeitgenossen. Ein guter Bekannter hat seinen Traumjob gefunden, doch du zweifelst an jeder Kleinigkeit herum. Statt Lob fallen dir nur so blöde Kommentare wie »Ich bezweifel, dass deren Kaffee so gut ist wie bei uns« ein. Singles haben es manchmal besonders schwer, die wellenartige Liebeswütigkeit im Frühling kritiklos hinzunehmen. Meist quittiert man das Verliebtsein der guten Freunde mit einer Auflistung der Vorzüge des Singlelebens – auch wenn niemand danach fragte.

Wie kann man das abstellen? Häufig werden andere Leute beurteilt, um negative Gefühle zu vermeiden. Wer will sich schon scheiße fühlen, nur weil es anderen scheinbar besser geht? Da ist eine ungefragte Kritik leider die typische Reaktion. Blöd nur, dass es selten etwas an der Lage ändert. Meist verschreckt man damit nur. Bleibt wohl nur der etwas unbequemere Weg, indem man versucht, eine neutrale Haltung einzunehmen. Deshalb empfehle ich zum Beispiel folgende Ergänzung für das anfangs erwähnte Vorurteil: »Schau, da kommt wieder so ein Mensch, den ich noch nicht einschätzen kann. Ich wette, der ist genauso ahnungslos wie ich und macht sich gerade ein Bild!« Pro-Tipp: diesen Gedanken besser nicht laut formulieren, da es sonst zu alternativen Vorurteilen führen kann – bzw. zur Flucht.

Foto: Looking for her own place | Karsten Seiferlin | CC 2.0


Letzte Bearbeitung war am 04.05.2017

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