Ist in der Medienlandschaft Langeweile angesagt, wird über Hitler berichtet. Warum diese Taktik nicht auch im Alltag anwenden? Lasst uns über Hitler reden.
Jeder kennt diese Situation. Man läuft unbedacht durch die Gegend und trifft plötzlich einen alten Bekannten, dem man schon lange nichts mehr zu sagen hat. Nach dem üblichen Schlagabtausch (»Hi, wie gehts? Ja, danke … muss! Und sonst so?«) gerät man ins Stocken und sucht verzweifelt nach einem geeigneten Thema – wie zum Beispiel Hitler. Kaum ein Thema eignet sich als Eisbrecher wie eine kleine Anekdote über den Führer. Anstatt verschämt Löcher in die Luft zu starren und über sinnfreies Zeug wie Ehe, Kinder und Beruf zu debattieren, berichtet man über Hitler oder stellt die verschämte Frage: was würde Hitler tun?
Da ist ja nichts dabei, so handhaben es schließlich alle. Die Medienwelt in all seinen Erscheinungsformen beglückt uns in regelmäßigen Abständen mit einer ordentlichen Prise Hitler, damit wir den Führer bloss nie vergessen. Vor ein paar Tagen las ich die spektakuläre Meldung »Hitler hatte einen Micropenis«. Ich frage mich, ob der Führer als unumgängliches Thema in den Terminplänen deutscher Redakteure verankert ist. Alle paar Wochen wird eine skurrile Nachricht über den unsympathischsten Möchtegern-Künstler verbreitet. Fällt dem Blatt keine bescheuerte Headline ein, wird Hitler einfach auf das Cover gepackt, am besten halbnackt. So werden Popstars gemacht. Eine Redaktionssitzung stelle ich mir ungefähr so vor:
Chefredakteur: »Morgen Deadline. Themen an die Sonne! Was habt ihr? Was hat Kanye getwittert? Ist Lena magersüchtig? Wer bumste wen?«
Praktikant: »Sorry, Boss. Wir haben nichts. Sommerloch und die Kaffeemaschine ist auch hinüber.«
Chefredakteur: »Wie bitte? Keinen Kaffee?«
Anderer Praktikant: »Wie wäre es mit etwas Hitler? Kommt bei ’ner Flaute immer gut.«
Praktikant: »Sauber, so ein bisschen Hitler wäre voll gediegen!«
Chefredakteur: »Mir scheißegal. Ich gehe nun überteuerten Coffee-to-go kaufen. In der Zwischenzeit schreibt ihr irgendwas über Hitlers Pimmel. Okay? Okay.«
Und das taten sie. Sie schrieben nicht nur über das verkümmerte Gemächt, sondern auch über den regelmäßigen Drogenkonsum von Hitler. Von seinen hässlichen Aquarellen, die niemand haben will und von der Einsamkeit seines Hodens. Dass er Schäferhunden das Sprechen beibringen wollte und heimlich auf seine Nichte stand. Ach ja, und er wartet in seinem UFO auf der dunklen Seite des Mondes. Immer, wenn es nichts zu Spannendes zu berichten gab, übertrumpften sich Deutschlands Schreiberlinge mit haarsträubenden Meldungen über den Führer. Was mich irritiert: Brauchen wir obskure Meldungen über sein Privatleben, damit wir ihn so richtig scheiße finden? Hier und da eine Meldung wie oben, damit wir uns an die Geschichte erinnern? Dass da noch einer drauf gesetzt werden muss, (nach dem Motto »Er war ein Massenmörder – und schlecht gemalt hat er auch noch!«) stimmt mich nachdenklich.
Teilweise wirkt der Umgang mit Hitler schon schizophren. Die eher leicht verdaulichen Medien (Film und Fernsehen) zeigen Hitler am liebsten in Form einer Komödie. Es scheint, als wäre nur ein Komiker dazu fähig, dieses Kapitel der Weltgeschichte den Deutschen näher zu bringen. Zum Glück sein Werdegang bereits in der Grundschule durchleuchtet, damit niemand auf die Idee kommt, dass Hitler voll witzig war. Und falls Filme aus Deutschland mal wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden, dreht man einfach irgendwas mit Nazis oder halt Adolf selbst. Jene Medien, die man meist nicht mampfend konsumiert (Bücher, Zeitschriften, Zeitungen), zeichnen ein weitaus seriöseres Bild. Während sein Kopfschmerzen bereitendes Buch »Mein Kampf« erst jüngst wieder aufgelegt wird, überrascht es nicht, dass die Neuauflage bereits vor dem Erscheinungstermin ausverkauft ist. Schließlich regt man mit Geheimhalterei und Mystifizierung das Interesse der Masse an. Nur böse Zungen würden an dieser Stelle wirtschaftliche Absichten unterstellen. Deutschlands lukrativste Exporte: Bier, Autos, Fußball und Nazi-Zeug.
Eine Entzauberung Hitlers und eine gnadenlose Offenlegung all seiner Macken könnte dabei helfen, selbst dem letzten Sachsen Neonazi die Augen zu öffnen. Aus diesem Grunde empfehle ich bei akuter Ideenlosigkeit die gnadenlose Nachahmung der Medien. Je nach eigener Befindlichkeit kann man sich ja für die humoristische oder die furchtbar ernste Variante entscheiden. Zum Beispiel könnte die eher lockere Fassung so verlaufen …
Person A: »Sieh mal an! Alles gut?«
Person B: »Alles bestens und bei Dir?«
Person A: »Ich habe gestern voll den Hitler gebaut.«
Person B: »Ach, sag bloß? Mal wieder stundenlang vor dem Spiegel ein rollendes R geübt?«
Person A: »Ne, Unfug. Das sagt man nun einfach so. Voll gehitlert! Ist ein wenig so wie Alpha-Kevin. Nur anders.«
Person B: »Verstehe ich nicht. Aber wusstest Du, dass Hitler nur einen Hoden hatte?«
Person A: »Natürlich, ich lebe ja nicht hinterm Mond – bin ja nicht Hitler!«
Photo: GLOBALICA by Wolfgang Wildner, CC 2.0
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