Freizeit

Romantik bei der Deutschen Post

Genervt vom Weihnachtsumtausch? Dabei könnte Herzklopfen statt Pulsrasen helfen – ausgerechnet in einer Warteschlange der Deutschen Post.

Das wird nun für manche mehr als überraschend kommen und eventuell den größten Heulkrampf seit der Auflösung von Take That hervorrufen, aber tief in meinem Herzen bin ich eine Romantikerin! Ja, ihr habt richtig gelesen, kein Grund sich die Augen mit Salzsäure auszuwaschen.
Das bedeutet unter anderem, dass ich zwischendurch gerne Post verschicke. Nicht so digitaler Mist, nein! Die richtigen echten Karten und Briefe (ja, ich kann meine literarischen Ergüsse auch ohne Laptop niederschreiben), für die man Papier, Umschlag und eine Briefmarke braucht.

Also tat ich dergleichen mal wieder, nur um festzustellen, dass keine einzige Briefmarke mehr im Haus war. Macht aber nix, die nächste Filiale ist ja nicht weit. Bringe ich meine Abmahnung meinen Liebesbrief eben direkt dorthin. Drum schnürte ich die Wanderstiefel und es begab sich, dass ich kurz nach Weihnachten und Silvester im neunten Kreis der Hölle landete.

Nach der Luftschlange kommt die Warteschlange

Da ich auch einen Edding benötigte (ihr wisst schon, für die Leute, die auf Partys einschlafen), diese aber rechts der Kasse zu finden waren, musste ich mich also durch die zirka elf Kilometer lange Warteschlange zwängen. Meine Wanderroute wurde offensichtlich fehlinterpretiert und es zischte auffällig hinter mir. Der menschliche Kochtopf beruhigte sich ein wenig, als er gewahr wurde, dass ich mich mitnichten vorgedrängelt hatte, sondern mäßig interessiert die spärliche Auswahl an permanenten Schreibutensilien studierte.

Von Titanen, Düsenjets und Zeitdieben

Ich fand was ich suchte und reihte mich ordentlich am Ende der mittlerweile vierzehn Kilometer langen Schlange ein. Nun möchte man meinen, dass diese Entfernung ausreicht, um nichts vom Kampf der Titanen an vorderster Front mitzubekommen. Ein startender Düsenjet, bei einer Entfernung von 100 Metern, hat eine Lautstärke von 125 dB. Die Empörung ob der Anhebung des Portos seitens der Post verlieh dem Kunden an der Kasse die Kraft zu 213 dB. Während ich aufs Köstlichste amüsiert seinen Ausführungen zu dieser Unverschämtheit lauschte, drehte sich der Düsenjet vor mir abrupt voller Wut um und schnaubte mir seine Aufregung ins Gesicht. Ich schaute versuchsweise entschuldigend zu ihm auf, als ob ich der Dieb seiner kostbaren Zeit wäre und lächelte ihn an. Dies schien ihn aber nur noch wütender zu machen und genauso zackig wendete er sich um 180 Grad, um dem Wartenden vor ihm in den Nacken zu schnauben.

Herzchen mit Glitzerstaub

Währenddessen war ich in der Warteschlange des neunten Kreises der Post ein wenig vorgerückt. Fatal: die Grabbelkiste mit Bastelzeugs. Andererseits war ich mir ziemlich sicher, dass ich auf jeden Fall Verwendung für zehn verschiedene Farben Glitzerstaub habe, man weiß ja nie. Bin ja Romantikerin. Während ich noch mit einem Satz von 1000 Herzchen-Aufklebern liebäugelte, pustete es mir plötzlich meine Bommelmütze vom Kopf. So leise sich die ältere Dame hinter mir auch eingereiht haben mag, so lautstark hustete sie mir gegen den Hinterkopf. Unnötig zu erwähnen, dass sie beide Hände für ihr Paket brauchte und somit das post-weihnachtliche Geschenk ihres Bazillenstamms unter das Volk verteilte.

Rosamunde Pilcher braucht keine Briefmarken

Als ich endlich dran war, legte ich sorgsam meinen Edding, 20 Farben Glitzerstaub, das Deluxe-Aufkleber-Paket, sieben bunte Kartons und drei Groschenromane (auch ich als Romantik-Profi brauche ab und an Inspiration à la »Im Schloss der Leidenschaft des Grafen von Pilcher«) ab und fragte nach zehn Briefmarken. Ich bin ja schlau. Machste gleich Vorrat, ersparste Dir, das Drama mehrmals zu erleben. Die erstaunlicherweise immer noch freundliche Kassiererin legte mir einen Bogen dieser selbstklebenden Briefmarken hin. Ich beäugte das Ganze etwas genauer und murmelte leise vor mich hin, dass da ja nur fünf Frankierungs-Kleberchen drauf wären. Hab meine Brille vergessen. Bevor die Dame hinter der Kasse antworten konnte, dass dies am Muster läge und es sich hierbei durchaus um zehn Marken handelte, kreischte mir die Bazillen-Frau ins Ohr, dass das ein verdammtes Scheiß-Design der neuen Marken sei, das sei ihr auch so gegangen und überhaupt, auf welcher Grundlage bitte ist denn das Porto teurer geworden?!

Ohne eine weitere Frage zahlte ich schnell (ich scheine dem Mob hinter mir zu viel Zeit zu brauchen), da mir jemand eine Mistgabel in den Po piekste und ich den heimelichen Duft von brennenden Fackeln erschnupperte. Roch fast wie ein romantisches Lagerfeuer. Als ich Zuhause angekommen war und voll bepackt den Briefkasten öffnete, flatterte mir ein Abholbescheid der deutschen Post entgegen.
Ich fing ihn gerade noch so auf und lächelte; ich mag eben gute, altmodische Karten aus Papier.


photo: Deutsche Post by Dierk Schaefer, CC 2.0

Nadine Goutrié

Eigentlich hat sie Geschichte und Kunstgeschichte studiert. Schnell fand sie aber heraus, dass ihre Umgebung statt Gemälde zu betrachten deutlich interessanter ist. Leider gefällt ihr oft nicht alles was sie da sieht, aber hey! Sarkasmus ist eine wunderschöne Sprache. Sie beobachtet euch und dann verwickelt sie euch in ein harmloses Gespräch. Kurze Zeit später findet ihr euch eventuell hier wieder. Glaubt ihr nicht, wenn sie sagt, dass sie euch mit ihren Texten reich und berühmt mache!

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Veröffentlicht von
Nadine Goutrié
Schlagwörter: PostRomantik

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