April, April – oder auch nicht? Selten waren die Reaktionen auf einen Aprilscherz so feindselig wie in diesem Jahr. Woran liegt das?
Der erste April ist da und alle wissen Bescheid. Selten erschienen die Leute so abgeklärt und unsympathisch wie heute, wenn es um den alljährlichen Aprilscherz geht. Anstatt sich der Blöße hinzugeben, dass sie auf den einen oder anderen Scherz reingefallen sind, empören sie sich entnervt darüber, wie zeitraubend und unnütz dieser aufgezwungene Humor sein soll. Diejenigen, die den Klamauk vorab entlarvten, spielen sich als Spaßbremse auf, indem sie via Kommentar den Gag spoilern. Dabei zeigen uns solche Reaktionen nur, wie unflexibel und unentspannt wir aktuell auf ungeplante Anforderungen reagieren. Beziehungsweise … es offenbart den mächtigen Stock, den wir in unseren Ärschen umhertragen.
Normalerweise ist der erste April der ideale Tag für Schabernack der dreisten Art, da man sich immer mit den Worten »April, April!« raus reden kann. Heutzutage muss man sich entschuldigen, wenn man etwas Action in den tristen Alltag bringen möchte. Selbst Google, die Startseite der meisten Internet-User, musste just von ihrem Aprilscherz zurückrudern, weil sich ein Pulk von Nichtlesern und Miesmachern über den Minion-Mic-Drop Scherz beim E-Mail Dienst »Gmail« aufregte. Ich rede von Nichtlesern, weil der übliche Button zum Versenden anscheinend absichtlich vertauscht worden war. Zum Glück gibt es noch Personen, die vor dem Klicken auch noch schnell lesen, was auf den Knöpfen geschrieben steht.
Die teilweise aggressiven Reaktionen auf einen kalendarisch angekündigten Scherz stimmen mich nachdenklich. Erst wenige Tage ist es her, als Erdogan den deutschen Botschafter einbestellte, weil ihm die »Extra 3« Satire nicht schmeckte. Die breite Masse ist auch hier aus dem Häuschen. »Satire darf alles … aber bloß nicht in meinem Vorgarten«, sofern man die Aprilscherz-Grundhaltung beibehält. Des Weiteren brachte das aktuelle Böhmermann Video »Be Deutsch!« das Internet zum Überkochen. Das derzeitige Aushängeschild deutscher Unterhaltung mit Anspruch darf die Nation begeistern, indem es übliche Klischees erneut gekonnt ver(brat)wurstet – und wird dabei von den Medien bejubelt. Leuchtet ja auch ein, denn schließlich wird das schiefe Bild der Deutschen, welches durch AfD Wahlerfolge in erneute Mitleidenschaft gezogen wurde, durch Selbstironie eventuell etwas gerade gerückt.
Dennoch hält sich bei mir der Eindruck, dass ungeplanter und vor allem nicht einschätzbarer Spaß die Deutschen verunsichert. Anstatt sich auf etwas Neues einzulassen, feiern sie stets die ollen Kamellen (anders kann ich mir nicht erklären, warum mancher Comedian immer noch die Säle füllt, besonders Mario Barth) und freuen sich auf die 26. Staffel der Simpsons. Auch wenn neuere Comedy-Formate wie »StandUpMigranten« Quote machen, dürfen sie keine Erwartungen brechen. Der Deutsche ist ein Gewohnheitstier und mag es gar nicht, wenn jemand plötzlich die Rollen oder gar die Knöpfe tauscht.
Zurück zum Internet und warum es den Aprilscherz ruinierte. Scrolle in beispielsweise meine Facebook-Chronik hinab, sehe ich zum Beispiel haufenweise Sprüche-Bilder, die mit extrem unlustigen Floskeln gefüllt sind. Beliebt sind auch irgendwelche Videos, die selbst bei Uralt-TV-Formaten wie »Bitte lächeln!« aussortiert worden wären. Auffällig daran: es gibt unfassbar viele »Gefällt mir« Klicks für so einen Ramsch. Liegt es daran, weil man sich an Kram erfreut, den man irgendwie kennt und einschätzen kann? Nach dem Motto, darüber lachte ich schon vor einer Dekade, es ist also immer noch lustig?
Unsere Informations- und Selbstsucht hat den Witz getötet. Denn Humor lebt von einem Publikum, wie Goethe bereits feststellte. »Der Witz setzt immer ein Publikum voraus. Darum kann man den Witz auch nicht bei sich behalten. Für sich allein ist man nicht witzig«, waren seine genauen Worte. Wie soll jedoch ein Aprilscherz funktionieren, wenn die Leute vorab schon informiert sein wollen und somit auch nicht bei sich behalten werden können? Wenn stets alles geteilt, kommentiert oder gerügt werden muss? Gar nicht mehr.
Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens einschätzbare und von den Öffentlich-Rechtlichen abgesegnete Satire weiterhin funktioniert und nicht das Schicksal eines Aprilscherz erleiden muss. Sonst wird jeder politisch korrekte Scherz zur Eintagsfliege.
Photo: Kick me (Explored) by Pascal, CC 1.0
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