Kategorien: Freizeit

Das Schweigen der Zufriedenen

Warum nur interagiert wird, wenn etwas schief läuft

Ein »Danke« muss man sich heutzutage hart erkämpfen. Viel beliebter ist ein frei interpretierbares Schweigen. Aber wehe, man findet ein Haar in der Suppe …

Schenken ist ja laut einigen Stand-Up-Comedians nichts für Männer. Wir unaufmerksamen Gemächtträger (das schließt mich mit ein) verzweifeln bereits an der Auswahl und vor allem am Geschenkpapier. In einer solchen Lage fand ich mich wieder, denn ein Präsent für meine Mutter musste verpackt werden. Mit solchen komplizierten Vorgängen bin ich dem Klischee zutreffend schnell überfordert; drum ließ ich es durch geschicktere Hände einer zunächst mitleidig dreinschauenden Mitarbeiterin verpacken, nur um im Anschluss das Unmögliche zu wagen. Ich sagte: »Wow. Danke! Das schaut echt genial aus. Das haben Sie großartig gemacht, da wird meine Mutter Augen machen«.

Die Verpackungskünstlerin blickte mich derartig verstört an, als hätte ich sie gefragt, ob sie sich auf mein Gesicht setzen möchte. Auch die Warteschlange hinter mir war durch meine Ansage stark irritiert. Im Nachhinein suchte ich eine Erklärung für diese ungewöhnliche Reaktion: vielleicht hätte ich die Angestellte lieber beschimpfen oder ihr Werk dissen sollen, denn so macht man das, so gehört sich das.

Um uns zu beschweren

Keine Ahnung, ob es wirklich in unserer Natur liegt, sich stets über irgendwelche Banalitäten und Gegebenheiten zu beschweren – oder wenn uns eine Verhaltensweise nicht in den Kram passt. Nach dem Motto: die da oben sind alle balla balla. In der U-Bahn stinkt es nach Pups. Warum ignoriert der Chef mein Talent und lässt mich jeden Tag antanzen? Ich hasse meinen Psychologen, die Reibekuchen meiner Oma und vor allem nackte Füße. Puh, jede Menge Stoff zum Verarbeiten. Das Gegenteil hört man selten, vor allem, wenn es wie geschmiert läuft. Wer sagt schon: »Hey, danke! Endlich fragt mal jemand nach meinem Fahrschein. Schließlich trage ich dieses Ticket bereits seit Monaten mit mir rum.«

Sind wir zu verwöhnt, gar zu bequem für Anerkennung? Vielleicht erwarten wir für unser Geld und unsere Zeit, dass man nach unserer Nase tanzt und am besten alles noch vorkaut. Ein Lob für getane Arbeit hört man selten. Stattdessen herrscht das große Schweigen. Aber wehe, es läuft nicht nach Plan! Dann wird verbal zurückgeschossen. Das bringt mich – wie soll es anders sein – auf die Spielwiese für nimmermüde Besserwisser … Facebook.

Dankbarkeit? Kein Kommentar

Widerworte zu geben scheint ein liebgewonnener Reflex zu sein, weil man ja nicht einfach jede negative Stimmung oder Erfahrung einfach kommentarlos hinnehmen kann. Wozu hat man sonst das Sprechen gelernt und sich durch x Postings, Zeitungsartikel und Diskussionsrunden gequält? Die persönliche Meinung muss erlaubt sein, immer! Zumindest scheint diese Annahme weit verbreitet, erst recht bei negativen Ansichten bzw. Überzeugungen. Aus diesem Grund ist Facebook hinsichtlich der Kommentarfunktion ein absolutes Trauerspiel. Mittlerweile sind Shitstorms zum Alltagsphänomen geworden. So erinnere ich mich daran, dass die Netzgemeinde sich kaum einkriegte, weil McDonald’s es wagte, die Preise für Cheeseburger anzuheben.

Die zufriedenen Kunden hört man jedoch kaum. Vielleicht, wenn Facebook zu einer Bewertung einlädt. Aber selbst dann ist die Wortwahl eher bescheiden und die meisten begnügen sich mit der Vergabe von 5 Sternen und einem Spruch wie »Super Service. Bin zufrieden«. Wie soll es auch anders laufen in Zeiten mit Amazon als Hauptlieferant, der so gut wie ohne menschliche Interaktion funktioniert? Aber zum Glück muss man manchmal aus dem Schweigen ausbrechen.

Leute, sagt doch auch mal, wenn ihr etwas super findet. Ihr müsst ja nicht dem Pizzalieferanten über den Kopf streicheln, weil er so schnell geliefert hat, aber come on. Auch ein Fremder freut sich über Anerkennung. In meinem Fall hat diese unbekannte Verpackungskünstlerin den Geburtstag meiner Mutter gerettet und mich vor einem Shitstorm bewahrt. Mein nächstes Amazonpaket bringe ich auch wieder zum Einpacken hin.

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Oliver Peters

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