Senf

Einmal Schurke sein

Die dunkle Seite der Macht hat durchaus ihre Reize. Zum Beispiel könnte man als psychopathischer Killerclown oder Kannibale Oscars abräumen. Aber ist es letztendlich erstrebenswert, absichtlich ein Schurke oder gar Vollarsch ohne Reue zu sein?

Während meiner Kindheit war vieles einfacher. He-Man war der Gute, Skeletor der Böse. Selbst mit dem Lore überforderte Eltern erkannten den Helden direkt am blonden Topfschnitt, während der Schurke eine knochige Fratze trug. Das Spielprinzip war klar: Skeletor bekam als fieser Möpp verdient aufs Maul, He-Man kloppte die Fiesen aus dem Leben und ging nur bei Grün über die Straße. Aber jetzt? Seitdem sämtliche Comichelden ihren Weg auf die Kinoleinwände fanden, scheint es gar nicht mehr so einfach, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Eindeutige Feindbilder wie Darth Vader, Dr. No oder die Eltern der Peanuts wurden durch kranke Psychos auf Droge ersetzt, wie den Joker, Walter White und Hannibal.

Ein Beelzebub auf Erden

Zugegeben … Superhelden können unerträglich langweilig sein. Schurken hingegen scheinen einfallsreicher dank krimineller Energie, hauen die cooleren Sprüche raus und tragen ständig schwarz. Eignen sich demzufolge und aufgrund dieser Eigenschaften deutlich besser als eierlegende Wollmilchsäue zum Ausschlachten, statt der alten Kamellen aus den 80ern. Man stelle sich vor, eine Neuauflage der damaligen TV-Serie »Ein Engel auf Erden« würde statt des letzten »Joker« Streifens die Preise abräumen. Undenkbar! Alternativ jedem Kritiker die Visage zu zerfetzen wie ein richtiger Oberfiesling mit Clownsnase würde Michael Landon der verwirrten Seele über die Wange streicheln und sagen: »Lass alles raus«. Oscarreif!

Gewissenlos Kätzchen schubsen

Ein Schurke zu sein lockt mit angeblichen Möglichkeiten. Freche Antworten, tun und lassen, was man will sowie durch Manipulation und fieser Tricks Vorteile erlangen. Solange kein blonder Langweiler mit seltsamer Frisur oder im blauen Strampler dazwischen funkt, könnte man es so weit bringen. Theoretisch. Wäre ich einen Tag lang ein wahrer Schurke, sprich Teufel oder Endgegner, so würde ich den Tag beginnen, indem sämtliche Regeln breche! Müll nicht trennen, Omas schubsen, Schwarzfahren, Obdachlose auslachen, Kätzchen aussetzen, Steuern hinterziehen, Kaugummi auf den Boden spucken und eine Rolltreppe blockieren für den Anfang. Im Laufe des Tages würde ich zehn verschiedene Größen einer Jacke bei Amazon bestellen, drei Filme illegal runterladen, vor vier ein oder mehrere Bier trinken und jedem Gesprächspartner ins Wort fallen. Ich wäre Staatsfeind Nummer 1. Eine akute Bedrohung! Ich bin Pinky und Brain in einer Person, mir gehört die Welt! Ein derartiges Machtgefühl hatte ich zuletzt beim Mau-Mau Spielen, als ich alle vier Siebener auf der Hand hatte.

In RPGs – sprich PC-Games (Baldur’s Gate, Neverwinter Nights etc.) oder Pen & Paper Rollenspielen – gibt es für Spieler die Möglichkeit zum Beispiel rechtschaffen böse als Gesinnung zu wählen. Einmal wollte ich den Thrill erleben abgrundtief böse zu sein. Bereits bei der ersten Begegnung mit einer für den Plot relevanten Person scheiterte ich massiv. Anstatt »Gib mir dein Geld, Du Knecht!« zu sagen, nahm ich eine Quest an, die ausgerissene Katze zu retten. Ohne Bezahlung. Hmpf. 

Arschlöcher sind nicht sexy

Den Reiz des Bad Boys kann ich bis zu einem bestimmten Grad nachvollziehen, doch will der Funke nicht vollständig überspringen. Während die Bösewichte auf den Leinwänden, in Büchern und Comicheften immer komplexer und möglicherweise interessanter wurden, bleiben die Schurken der realen Welt weiterhin hässlich wie die Nacht. Egoismus, Neid und Missgunst werden niemals sexy sein, da begünstigt auch keine schwere Kindheit. Jene Arschlöcher, die es toll finden, einer verachtenswerten Ideologie hinterher zu rennen, bleiben weiterhin erbärmlich. Wer andere Menschen zwecks eigener Vorteile ausnutzt, ist und bleibt ein Arschloch. Punkt.

Wenn es in den Fingern juckt und die dunkle Seite der Macht lockt, versuche ich abzuwägen, ob sich die Rolle des Schurken wirklich lohnt. Wenn ich einen Blick in die Nachrichten werfe, dann weiß ich hundertprozentig: Nein. Und wenn ich an all die Vorbilder aus Funk, Film und Blah denke weiß ich ebenfalls: Nein, verdammt! Ich wäre eh nur so lange sicher, bis sich irgendein Bänker in einer Telefonzelle in seinen Strampler zwängt oder mich die Vernunft einholt.

Photo credit: JD Hancock on Visualhunt / CC BY


Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Oliver Peters

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