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Nomophobie: Die Angst, nicht erreichbar zu sein

Ist Ihr Akku am Smartphone auch aufgeladen? Gehen Sie sicher. Nachher fällt ihr Gerät aus und sie erleidigen furchtbare Panikzustände. Wie im Falle einer „Nomophobie“.

Man stelle sich vor: Der Akku am Smartphone ist leer und es wird ein wichtiger Anruf erwartet. Man rutscht nervös hin und her, weil kein Ladegerät parat ist. Höchste Anspannung und Gereiztheit sind die Folgen dieses Ausnahmezustandes, den Forscher „Nomophobie“ nennen. Genauer ist von einer „NoMobile-Phone-Phobia“ die Rede, was übersetzt in etwa „Kein-Handy-zur-Hand-Phobie“ bedeutet. Die Briten kamen auf die wunderbare Idee für diese aktuelle Grundangst, die wohl schon extremer um sich greift, als wir vielleicht wahrhaben möchten.

„Mein Handy nehme ich sogar mit ins Bett!“

Mandy hat ihr Handy meistens in der Hosentasche oder am Ohr. Natürlich tippt sie auch eine Menge Zeugs hinein und schimpft sogar mit dem Gerät, wenn es nicht das tut, was sie will. Mandy könnte auch Justin oder Hans-Dieter heißen. Man braucht nicht lange seinen Blick auf der Fußgängerzone schweifen lassen, um die Meute und ihr wertvollstes Gut, ihr Smartphone, zu erkennen.

Unvorstellbar wäre eine Szene, in der – wie damals – ein Lehrer, Dozent oder genervter Elternteil eine Runde drehen würde und dabei alle Geräte einsacken würde. Diese Massenpanik! Leute würden sich gegenseitig aus Verzweiflung und Wut einen Scheitel ziehen und dabei verstörend ausfallend werden. Alles nur, weil man eventuell einen wichtigen Anruf oder eine unverzichtbare Nachricht verpassen könnte. Nomophobie ist keine Randerscheinung, sondern schon lange Alltag. Verstecken Sie aus Jux mal das Handy ihres Arbeitskollegen und schauen Sie belustigt dabei zu, wie sein Leben innerhalb weniger Minuten den Bach runtergeht.

  • Der Kollege verpasst wichtige Aufträge, die ihm zugestellt werden. Der Chef ist not amused
  • Die Frau erreicht ihn nicht und geht von einer Geliebten aus
  • Seine Kinder vergaßen den Schlüssel und müssen nun unter der Brücke schlafen
  • Sein Facebookprofil wird zugespammt und er merkt es nicht
  • Sein Terminkalender ist nicht zur Hand und er verwechselt seinen Urologen- und Friseurtermin

 „Ohne mein Handy fühle ich mich kastriert!“

Getrennt, ausgeschaltet, abgeklemmt, unterbrochen. „Disconnected“ von der Realität. Nur weil man am Vorabend zum Aufladen zu faul war, muss man einen Tag darauf durch die Hölle. Sind Sie auch von der Nomophobie betroffen? Oder ist es Ihnen total egal, ob das Handy noch auf dem Nachttisch liegt? Machen Sie den Selbsttest und stellen sich folgende Fragen:

  • Schauten Sie innerhalb der letzten Stunde auf den Schirm Ihres Smartphones?
  • Nahmen Sie innerhalb der letzten Stunde eine der Funktionen Ihres Smartphones, wie z.B. den Terminkalender, in Anspruch?
  • Führten Sie innerhalb der letzten Stunde eine Konversation auf Ihrem Smartphone?
  • Lesen Sie diesen Text gerade auf Ihrem Smartphone?

Sollten Sie auch nur eine dieser Frage mit „Ja“ beantworten, ist das Ergebnis so sicher wie das Amen in der Kirche: Sie leiden an Nomophobie.

„Lieber Simsen als Bumsen!“

Bereits heute ist bei Jugendlichen klar: das Smartphone ist wichtiger als Sex. In Kombination mit dem Gesellschaftsphänomen „Phubbing“ sieht es übel aus in Sachen Zwischenmenschlichkeit. Wie können Sie sich gegen diesen Zwang der Erreichbarkeit wehren? Hier sind ein paar hilfreiche Ratschläge, um sich endlich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren.

  • Richten Sie unangenehme Profilbilder und Mailboxen ein, damit Sie niemand mehr kontaktieren möchte (Beispiel: Profilbild eines Intimbereichs, „Atemlos“ für die Mailbox)
  • Kaufen Sie ein altes Nokia-Handy, ideal: Nokia 3310
  • Geben Sie ihr Smartphone zur Aufsicht an den eigenen Nachwuchs (oder die Nachbarskinder). Innerhalb weniger Minuten ist alles verstellt
  • Fahren Sie in den Urlaub OHNE technischen Anhang
  • Installiere eine „Anti-Distraction-App“ wie z.B. FocusON. Dieses Tool schaltet alle anderen Apps samt Web ab
  • Kündige Deinen Job, der Rest (Auto, Wohnung, Frau)ergibt sich
  • Suchen Sie sich Hobbies, bei denen beide Hände gebraucht werden und ein Handy zeitgleich unmöglich zu bedienen ist. Beispiele: Jonglieren, Poledancing, Töpfern
  • Testen Sie es einmal und lassen Sie für einen Tag das Smartphone ausgeschaltet. Sie werden sehen: Die Welt dreht sich weiter. Auch wenn Sie keine Freunde mehr haben

photo: Day 83 – West Midlands Police – Lost & Stolen Phones by West Midlands Police, CC BY-SA 2.0

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Veröffentlicht von
Oliver Peters

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