Senf

Ruhe bitte! Wir denken an Jesus

Das Kölner Verwaltungsgericht hat entschieden: Wenn man im säkularen Deutschland am Karfreitag des Kreuzestodes Jesu Christi gedenkt, sollen Muslime ihre Beschneidungen entweder zu Hause feiern oder gar nicht. Eine Glosse von Regine Panknin.

Es geht hier nicht um Islamfeindlichkeit. Niemand hat versucht, das Ritual als solches zu verbieten, zumindest nicht in den letzten zwei oder drei Jahren. Das Problem liegt woanders. Was sind das eigentlich für Gesetze, die sowohl Andersgläubigen als auch Nichtgläubigen in Deutschland an christlichen Feiertagen ihre privaten Feste vermiesen?

Nur ein bisschen Rücksicht für Christen

Die weltanschauliche Neutralität Deutschlands ist im Grundgesetz verankert. Sie legt fest, dass sich der Staat mit keiner Religionsgemeinschaft identifizieren darf. Offenbar scheint sich diese Objektivität jedoch nicht auf „Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ zu erstrecken. Ein Großteil der Feiertage in Deutschland ist christlichen Ursprungs, jedoch gehören mittlerweile 40 Prozent der Bevölkerung keiner christlichen Konfession mehr an. Und jedes Jahr werden es ein paar mehr. Zugegeben, dies ist nicht zwangsläufig einer Ablehnung traditioneller Feiern gleichzusetzen. Und was lässt sich denn schon gegen ein bisschen gegenseitige Rücksichtnahme einwenden? Immerhin ist Karfreitag einer der wenigen Tage im Jahr, an dem eine solche Rücksichtnahme von Seiten der Nichtchristen gefordert wird.

 Religion ist frei, doch das Tanzverbot gilt für alle

Doch was geht überhaupt in den Köpfen deutscher Gesetzesmacher vor, dass solche veralteten Regelungen wie das Feiertagsgesetz NW noch nicht überholt und der aktuellen Situation angepasst sind? Ein Gesetz, welches am Karfreitag unter anderem  „Veranstaltungen […] jeglicher Art, auch ernsten Charakters, während der Hauptzeit des Gottesdienstes“ untersagt? Und welche Art von Denken erlaubt es, dieses im Zweifel gegen andere Religionsgemeinschaften auszulegen? Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes mag mit etwas gutem Willen im Sinne gegenseitiger Rücksichtnahme aufgefasst werden, doch für die zugrundeliegenden Vorschriften gilt das nicht.
Es ist, gelinde gesagt, bedenklich, dass der Islam für Unfreiheiten kritisiert wird von einem Staat, der es sich erlaubt, im Namen heiliger Christenheit gesetzliche Tanzverbote zu erlassen.

Gastautorin: Regine Panknin ist 1971 in Thüringen geboren, und promovierte Physikerin. Sie lebt seit 1993 Im Rheinland, und hat vor ihrem Studium bei verschiedenen Fernsehproduktionsfirmen als Produktionsassistentin gearbeitet. Regine ist für ein Tanzverbot, da die meisten Leute eh zwei linke Füße haben.

photo: pietà by FaceMePLS

Gastautor

Share
Veröffentlicht von
Gastautor
Schlagwörter: GraubereichReligion

Recent Posts

Fragen, die man beim Deeptalk nicht stellen sollte

Spoiler vorab. Die Frage »Und sonst so?« zählt nicht als typische Frage für Deeptalk. Doch…

9 Monaten her

Wie man den Valentinstag (als Single) überlebt

Es gibt unendliche viele Gründe, den Valentinstag zu hassen. Nicht nur für Singles ist der…

9 Monaten her

Lachen statt Schwanzvergleich

Als Mann muss ich an dieser Stelle gestehen: Ja, auch ich fühlte mich bereits unter…

10 Monaten her

Wie man das fünfte Rad am Wagen ist, ohne zu nerven

Das letzte Wochenende war mal wieder fantastisch! Kaum ein Auge zugemacht, die ganze Nacht durchgetanzt,…

10 Monaten her

Wie geht man Kollegen um, die einem zu nahe kommen?

Jeder kennt diese eine Person unter den Kollegen, die einem beim Sprechen immer viel zu…

10 Monaten her

»Ich kann keine Nachrichten mehr schauen, ohne zu verzweifeln«

Es gibt diese süße Radio-Station, dessen Name mir gerade entfallen ist. Der Name spielt keine…

10 Monaten her