Nachtrag in Sachen Böhmermann und seiner Schmähkritik. Für Satire sollte man sich nicht entschuldigen. Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier.
Einen Großteil meiner Jugend verbrachte ich damit, mich über andere lustig zu machen. Damals gab es noch keine Blogs, deshalb versuchte ich über Zeichnungen, sprich Comics, mein Umfeld zu diffamieren. Dank dieser Karikaturen gab es ab und zu Ärger. Mit Mitschülern, Nachbarn, Lehrern und Eltern. Spätestens da lernte ich, dass man es in Sachen Humor oder Satire nicht allen recht machen kann. Ein Witz gilt nur dann als gelungen, wenn alle lachen. Eine vollkommen unmögliche Mission, wenn ihr mich fragt. Erst recht, wenn man seinen alten Mathelehrer zeichnet, wie er als Teletubbie verkleidet eine Gießkanne vögelt.
Themawechsel. Böhmermann wird für sein an Erdogan gerichtetes Gedicht wohl auch nicht in den Knast müssen. Schade, eigentlich. Wäre doch sicherlich ein frischer Wind in der sonst dürftigen deutschen Comedy-Landschaft gewesen. Vielleicht wäre ich ein Trittbrettfahrer geworden und hätte angegeben, dass meine Miesepeters-Texte ab sofort von der JVA Hagen aus ins Netz gejagt werden.
Jedenfalls kann ich mit Böhmermann mitfühlen. Auch wenn ich – zugegeben – nur recht von seinem Schaffen bislang mitbekam, muss er sich ähnlich fühlen wie ich damals. Er trägt sein Gedicht mit dem Titel »Schmähkritik« vor und ZACK muss sich unser aller Mutti für ihn und seinen Schabernack entschuldigen. Mich würde ja interessieren, wie die türkische Bevölkerung dieses Hin und Her beurteilen würden. In einem Artikel der FAZ vom 19.01.2016 mit dem Titel »Wir müssen weitermachen, jetzt erst recht« wird die türkische Satire-Szene beleuchtet, die auch einige Magazine unter das Volk bringen. Wenig überraschend ist in den Beiträgen Erdogan ein Dauerbrenner; er wird karikiert, durch den Kakao gezogen und manchmal sogar mit dem ultimativen Stilmittel des Humors veräppelt – der Ironie.
Ich frage mich außerdem, wie der deutsche Botschafter die Böhmermann-Aktion überhaupt erklärt hat. Frei nach dem Motto »Sie müssen das nicht so genau nehmen. Auch wenn von Fellatio mit 100 Schafen die Rede ist, es können auch weniger gewesen sein!« – oder wie?
Wobei das ja die eigentliche Todsünde eines jeden Humoristen ist. Die Pointe erklären. Das ist genauso, als wenn David Copperfield die Freiheitsstatue verschwinden lässt und zeitgleich ein HowTo-Video via YouTube Stream zeigt. Auch sich für einen mäßigen Gag zu entschuldigen ist für Satiriker tabu. Man stelle sich vor, Charlie Chaplin hätte nach dem Erscheinen von »Der große Diktator« bei Hitler persönlich angerufen und tausendmal um Entschuldigung gebeten. Undenkbar! Wie soll man die eingestaubten Hirnrinden sonst noch auf Trab bringen, wenn nicht mit einer herrlich provokanten Satire. Nur durch Humor lassen sich manchmal die unangenehmen Seiten des Lebens ansprechen oder die dunkelsten Kapitel beleuchten. Wenn die hiesige Medienlandschaft endlich verstanden hat, dass man ruhig Ecken und Kanten haben darf, geht es eventuell bergauf. Und wer weiß? Vielleicht lachen wir eines Tages über unsere Gefallsucht. Oder treffen uns in der Gemeinschaftsdusche irgendeiner JVA wieder.
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