Wenn man sich trotz Rotznase sich ins Büro schleppt, ist man scheinbar in bester Gesellschaft. Denn nur Versager nehmen einen Krankenschein.
Schaffe, schaffe, Häusle baue. Nicht nur im Schwabenland gilt die Maloche als das wichtigste Statussymbol. Nur wer arbeitet, hat ein Mitspracherecht und wird von der hiesigen Gesellschaft respektiert. Die Tätigkeit selbst spielt dabei eine entscheidende Rolle. Ärzte und Anwälte gelten als Halbgötter, Beamte als faul und verwöhnt. Einen noch schlechteren Eindruck vermitteln Arbeitslose. Generell gilt: Gutverdiener umgeben sich nicht gerne mit »Hartzis«, wer nicht arbeitet, fällt durch. Wer sich erlaubt, einen Krankenschein bzw. eine AU zu nehmen, muss sich Hohn und Spott gefallen lassen.
Verrückt, oder? Selbst bei der hartnäckigsten Grippe erscheint der brave deutsche Arbeitnehmer erwartungsgemäß und pünktlich am Arbeitsplatz. Erkranken gilt als uncool und man hustet sich lieber die Lunge aus dem Leib, als sich die Blöße zu geben, einfach daheim zu bleiben. Was sollen nur die Nachbarn, die Arbeitskollegen und der/die Vorgesetzte denken?
Es fängt bei der verstopften Nase an, die man morgens nach dem Aufstehen bemerkt. »Liegt bestimmt am Herbstwetter« – wer es glaubt. Im Laufe des Badezimmer-Rituals macht sich ein zugedröhnter Schädel bemerkbar, muss halt der Wein vor Vorabend sein. Krank? Auf gar keinen Fall. Spätestens auf dem Parkplatz vor dem Arbeitsplatz wird einem bewusst, dass wahrscheinlich das letzte Stündchen geschlagen hat, aber na ja. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.
»Deutsche arbeiten mehr als blau zu machen« schrieb die Welt über die strenge Arbeitsmoral unserer Angestellten. Der Fachbegriff dieses Zustands soll laut des Artikels »Präsentismus« lauten. Sprich, wenn man zur Arbeit geht, obwohl man sich wie ausgekotzt fühlt. Das Gegenteil vom Präsentismus ist der Absentismus. Mit anderen Worten »Krankfeiern«. Freunde dieser
Alles andere wäre peinlich. Ernsthaft? Wer denkt denn so seltsam? Nach dem Motto »Nur Schwächlinge melden sich krank« röchelnd und triefend zur Mittagspause abrackern? Leider kennen wir alle solche Beispiele aus unserem Arbeitsalltag. Geht einfach mal rüber ins benachbarte Büro, oder meinetwegen den Flur runter. Irgendwo sitzt er, der einsame Streiter der Arbeitsmoral.
Mein Mitleid bekommen diese vertrottelten Maschinen keineswegs, mein Lob schon gar nicht. Denn sie beweisen mit ihrem Durchhaltevermögen nur eins: das Menschlichkeit am Arbeitsplatz noch weniger erwünscht ist als hartes Maiskorn in der Popkorntüte.
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