Der nächste Todesfall eines Prominenten kann genutzt werden, um Deine Facebook-Chronik etwas aufzuwerten. Denn am Ende soll es nur um Dich gehen.
Dieses Jahr ist noch nicht einmal zur Hälfte rum und schon haben wir einige Todesfälle bekannter Persönlichkeiten zu verbuchen. Guido Westerwelle, Merle Haggard, David Bowie, Prince, Hans-Dietrich Genscher, Roger Cicero, Peter Lustig, Umberto Eco und noch mehr. Die perfekte Gelegenheit, sich selbst ins Rahmenlicht zu rücken. Zum Beispiel kann ein frühes Konzerterlebnis, als der damals noch quicklebendige Star bejubelt wurde, endlich in einem vollkommen neuen Schein zum Besten gegeben werden. Bisher war es nur eins von vielen Konzerten, doch dank des Ablebens gewinnt die Erfahrung eine neue Qualität und man kann sich selbst in den Mittelpunkt drängen. Damit wäre es geschafft: von der Tragödie des Todes abzulenken, damit es sich endlich um die eigene Person dreht.
Der US-Amerikaner Mark David Chapmann sitzt lebenslang ein, weil er John Lennon am 08. Dezember 1980 mit einem Revolver tödlich attaktierte. Damit schaffte er das Unmögliche: er wurde selbst zur Persönlichkeit und somit prominent. Ein Mensch, der einem anderen keinen Erfolg gönnt, will mit einem Mord nicht nur das Schaffen beenden, sondern selbst seinen Platz einnehmen. Jemand sein. Chapmans Motive sind bis heute nicht eindeutig belegt; es kursieren Theorien, dass er verrückt war/ist oder in John Lennon einen zweiten Jesus sah, den er auslöschen musste – denn es kann nur einen geben.
Hast Du mal einen der oben genannten Stars am Bahnhof getroffen? Als er vor dem Bahnticket-Automaten verzweifelte und Dich hilfesuchend anschaute? Du weißt noch ganz genau, wie Du Dich einem Reh im Scheinwerferlicht gleich nicht rühren konntest und auch kein Wort über die Lippen brachtest. Jedoch wirst Du nie diesen verletzlichen Moment vergessen, in dem der Prominente sich mit Alltagsproblemen herumschlug, ein Mensch wie Du und ich. Da er Dir seinen Blick zuwarf und Dich somit beachtete, zehrst Du von diesem Moment. Besonders, wenn in der Tagesschau sein überraschender Tod verkündet wird. Dein Zeitpunkt ist gekommen, Du kannst Deinen Lieblingssong oder Dein Lieblingszitat bei Facebook posten und/oder stolz von dieser ganz persönlichen Erfahrung, diesem intimen Moment berichten. Die Aufmerksamkeit wird Dir gewiss sein. Sein Tod ist Dein Vehikel zur Anerkenntnis.
Es ist keine neue Angewohnheit des Menschen, sich selbst über den Tod einer Persönlichkeit zu definieren. Wer daran zweifelt, braucht nur in das Zimmer eines pubertierenden Teenagers gehen, um die Kurt Cobain, Bob Marley und Che Guevara Poster zu zählen. Ich erinnere mich gut an den Todesfall von Paul Walker, der mit der Filmreihe »The Fast and the Furious« Erfolge feierte. Mir war der Schauspieler vollkommen unbekannt, weil mir die Filmreihe rund um schnelle Autos, knallharte Typen und leichte Mädchen vollkommen egal ist. Natürlich möchte ich mich nicht über die verstorbenen Prominenten lustig machen, dennoch fiel mir gerade bei Walker auf, wie sehr der immer mehr ausschweifende Narzissmus im Internet seinen Tod auf eine perverse Art und Weise zur persönlichen Angelegenheit machte. Plötzlich sieht sich mancher selbst als Opfer und kann unter Tränen gestehen, wie sehr er sich selbst im Schaffen von Walker wieder erkennt.
Das Idealisieren von verstorbenen Prominenten gehört zu unseren liebsten Tätigkeiten. Zu Lebzeiten sind die meisten Personen kaum ernst zu nehmen, aber ein toter Promi wird umso wertvoller, sodass die Kasse klingelt. Ungefähr so wie ein Gemälde, was zu Lebzeiten des Künstlers nicht mal ein Taschengeld einbrachte. Es ist schick, sich mit einer Legende zu schmücken. Das zeugt von Geschmack und es besteht die Möglichkeit, dass der Geist des toten Promis dank Dir weiterleben kann. Dein Schmerz, den Du gerne zu jeder Gelegenheit äußerst, macht Dich interessant und mit etwas Glück schreibt man Dir auch die Eigenschaften Deines Posterboys zu. Bis dahin kannst Du dank des Internets noch einmal alle daran erinnern, dass zwar viele Deiner Helden bereits starben, aber Du noch voll dabei bist. Unter einem dieser unzähligen Posts zum nächsten Todesfall.
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