Freizeit

Die drei Phasen der Empörung

Das Mitteilungsbedürfnis in den sozialen Medien hat seine Tücken. Auf jede Nachricht, die man nicht ignorieren kann/will, folgt eine routinierte Empörung.

Facebook ohne Empörung funktioniert nicht und macht irgendwie auch keinen Spaß. Aufreger wie Präsident Trump zeigen augenscheinlich, wie sich eine Welle der Aufruhr breit macht, die aber meist innerhalb von 24 abebbt. Angefixt von den Medien und diversen Postings fühlen wir uns in der Pflicht, unseren Senf dazuzugeben. Als ob uns jemand nach unserer Meinung gefragt hätte.
Unser Privileg der freien Meinungsäußerung hat seit dem Siegeszug von Social Media eine seltsame Färbung erhalten. Es genügte einmal die persönliche Wertung hinter vorgehaltender Hand, während nun jeder Teilnehmer die Möglichkeit inne hat, via Facebook und Co. Gedanken zu lesen. Das Mitteilen ist nicht selten in drei übersichtliche Phasen einzuteilen, die bei jedem Skandalthema wiederholt werden.

Phase 1: Willkommen in der Realität

Die erste Phase beginnt überlicherweise kurz nach dem Aufstehen und ist im Allgemeinen auch als WTF-Moment bekannt. Noch bevor du die Kaffeetasse (oder das Konterbier) zur Hand nimmst, wirfst du einen routinierten Blick auf dein Handy. Solltest du dort einen Skandal oder eine schockierende Nachricht erblicken, sei es in deiner Facebook-Timeline oder per Link, könnte ein hysterischer Anfall (»WTF?!«) die Folge sein. Ob Trump, Niqab-Nora oder Brexit – irgendein Thema wird dich so rasend machen, dass du dich zu einem unüberlegten Kommentar hinreißen lässt, der es in sich hat. Deinen Frust (»Die Männer sind schuld, alle!«), deine Verzweiflung (»Wie kann man nur so blöd sein?«), dein Fernweh (»Ich möchte auswandern!«). Nichts und niemand wird ausgelassen bei deinem Social-Media-Kinnhaken! Das musste mal gesagt werden.

Phase 2: Der Wunsch nach dem letzten Wort

Du hast deine Gedanken ungefiltert in die Welt geschrien und kontrollierst ab sofort regelmäßig, ob Reaktionen erfolgen. Beim Abwarten musst du leider erkennen, dass ziemlich viele eine leichte Abwandlung bzw. Variation deiner Meinung kundgetan haben. Noch viel unangenehmer: sie hören gar nicht mehr auf! Deine gesamte Chronik wird zugeballert mit ein- und demselben Thema, stundenlang. Aufgrund dieser Angelegenheit, an der scheinbar niemand vorbei kommt, werden dir nicht einmal die üblichen Katzenvideos angezeigt. So haben wir nicht gewettet! Du setzt noch einen drauf und postest eine Mitteilung, dass die ganzen Nachplapperer mit ihrer Einfalt total nerven. Beim Kontern fällt dir auf, dass du endlich die ersehnten Reaktionen bekommst. Leider sind die überwiegend gegen dich. Aus Trotz antwortest du nur noch ohne Emojis.

Phase 3: Resignation

Mittlerweile wurden drei Sondersendungen zur Thematik ausgestrahlt, zwei passende Hashtags erfunden und die ersten Freundschaften gekündigt. Was bleibt? Eigentlich hast du gar keine Lust mehr, dich über die hitzige Debatte zu unterhalten. Gibt ja auch noch andere Dinge auf der Welt, wie Pringles und The Walking Dead. Überzeugt ermahnst du die Leserschaft bei Facebook und Co., dass »wir nun genug gesagt hätten« und du nichts mehr davon hören willst. Aus Protest (betitelst du aber keck als »Themenwechsel«) teilst du ein Zitat von Frank Drebin: »Ich möchte eine Welt, in der ich aus einer Toilette trinken kann ohne Ausschlag zu kriegen«. 26 Likes. Falls irgendein Noob fragt, wer Frank Drebin sein soll, gehst du entnervt schlafen und verfasst am nächsten Tag einen empörten Blogartikel dazu.

Photo: Rage | Contra Curva | CC 2.0

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Veröffentlicht von
Oliver Peters
Schlagwörter: FacebookFrustMedienWut

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