Hör auf, über das Wetter zu faseln und mach deinen Teller leer! Sind Essen und Kochen die neuen Themen für den kleinen Smalltalk-Appetit zwischendurch?
Früher war alles besser, denn damals quakte ich mit der netten Omi von nebenan über das Wetter. Ich versuchte möglichst unauffällig leere Weinflaschen im Hausmüll zu entsorgen und debattierte dabei über aufziehende Kaltfronten und endzeitliche Temperaturen, die uns vom Wetterfrosch angedroht wurden. Und heute? Wir berichten uns gegenseitig, was wir am Vorabend kochten und zeigen Instagram-Accounts, deren Rezeptvorschläge wir am Wochenende ausprobieren wollen.
Der Siegeszug der medialen Lebensmittel- und Kochindustrie köchelte jahrelang fast unbemerkt vor sich hin. Erst liefen unzählige Kochshows, wie zum Beispiel Tim Mälzer, Johann Lafer, Cornelia Poletto, Alfons Schuhbeck samt dem Urkoch Alfred Biolek, der mit seiner »Mhmmm-Skala« den Hobbyköchen daheim zeigte, dass zu jedem Mahl eine ordentliche Weinprobe gehört. Importe wie Jamie Oliver und Bear Grylls (für den sonderbaren Geschmack) gesellten sich dazu und machten selbst dem hinterletzten Kochmuffel klar, wie uncool Mikrowellenfrass ist.
Meiner Meinung nach ist das auch die einzige Erklärung: die große Vermarktungswelle von Fast- und Junkfood war vorbei und man konnte damit keinen Pfifferling mehr verdienen. Gesundheitsgefährdende Burger, Pizzen und schnelle Fertiggerichte, die jedermann eben kurz nach der Arbeit in die Mikrowelle schieben konnte, wollte man nicht mehr schmackhaft machen. Da fiel den klugen Köpfen der Fress-Imperien auf, dass man viel mehr Kohle verdienen könnte, wenn man auf Zutatenproduktion setzt und die Leute lieber selbst kochen lässt. Damit die Verbraucher aber auch die richtigen (also die eigens produzierten) Lebensmittel kauften, wurden dementsprechende Kochformate im TV ausgestrahlt. Dass irgendwann Produkte sogar durch ein pseudogesundes Bio-Siegel sogar noch teurer angeboten werden konnten, brauche ich hier nicht erwähnen.
Kochen nach Fernsehvorlage wurde nur noch von Neun Live in Sachen Interaktivität übertroffen. Zumindest solange, bis uns das Internet vollkommen neuartige Möglichkeiten bot, Kochen (und alles was dazu gehört) noch gewaltiger zum Industriestandbein auszubauen. Ambitionierte Hobbyköche drucken Rezepte aus, laden Cooking-Apps runter, abonnieren YouTube-Kanäle zum Thema Kochen und teilen ihre Gerichte bei Instagram. Es wurde quasi unmöglich, sich ohne Hungergefühl in den sozialen Medien zu bewegen.
Jedoch häufen sich die Momente, in denen ich maßlos übersättigt bin. Mein Heißhunger auf weitere Gaumenfreuden ist aufgrund des Überangebots gestillt und weigere mich langsam, dem Thema Essen so viel Raum zu widmen. Mir ist zweifelsfrei bewusst, dass Nahrung irgendwie lebensverlängernd ist und ich froh sein kann, dass diese selbst für Kochmuffel frei verfügbar im Supermarkt herum liegt. Doch selbst da möchte man mir das Maul stopfen … mit Aktionen wie der China-Woche, Griechische Spezialitäten und Köstlichkeiten aus dem Orient.
Erst letztes war ich in einem dieser angesagten Sushi-Tempel, in denen man sich für einen überdurchschnittlichen Preis für insgesamt zweieinhalb Stunden austoben kann – bis man entweder platzt oder ins Fresskoma fällt. Mich erstaunte jedoch, wie die Gäste um mich herum das Angebot knallhart ausnutzten. Kein Teller wurde leer gelassen und beim Aufstehen bewegten sich zahlreiche Gäste auffallend langsam. Hat man überhaupt Zeit und Muße zum Reden bei solchen Mästungen? Doch worüber soll man schon reden, wenn man sich die gefühlt zwanzigste California Roll zwischen die Kiemen schiebt?
Ich fragte mich, ob die Gäste vor oder während der neuesten Instagram-Fotos über Banalitäten wie das Wetter reden. Oder ob der Klassiker des Smalltalks nun tatsächlich endgültig vom Essen abgelöst wurde. Dabei folgen sie dem gleichen Impuls: wer Sonnenuntergänge, Schneelandschaften und Sandstürme fotografiert und hochlädt, möchte angeben. Warum sollte das bei einem Käsekuchen mit Schokorand anders sein? Die nette Omi von nebenan war jedenfalls begeistert und fragte mich direkt nach dem Rezept.
Spoiler vorab. Die Frage »Und sonst so?« zählt nicht als typische Frage für Deeptalk. Doch…
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