Arbeit

Finger weg von meinem Kaffeebecher!

Für manche der Heilige Gral, für andere bloß ein Koffeintransporter: der Kaffeebecher ist aus dem Büroalltag nicht wegzudenken. Er unterstreicht die Persönlichkeit, markiert das besetzte Gebiet und ist das Geschenk Nummer 1, wenn einem sonst nichts einfällt.

Sie besteht aus Keramik, ist spülmaschinenfest und trägt den Hinweis: »Hier könnte Ihr Text stehen«. Meine unverzichtbarer Kaffeebecher in der neunten Generation. Vorher besaß ich unter anderem die Modelle »Ich hasse Menschen«, »NOPE« und »There is no place like 127.0.0.1.«. Sie fielen leider den typischen Bedrohungen des Alltags (sprich ungeschickte Kollegen und Spülmaschinen) zum Opfer, doch wurden im Handumdrehen ersetzt. Meine aktueller Büro-Becher wurde mir beim Wichteln geschenkt, aus Höflichkeit habe ich mich nicht negativ über den drauf gedruckten Spruch geäußert. Dabei ist er so witzlos, so unpassend und diskriminierend obendrein. Hier könnte ihr Text stehen. Hier könnte auch irgendwas Lustiges stehen, Vollidiot. Und erst recht nicht mit der Schriftart Comic Sans!

Trink aus meinem Kaffeebecher und du trinkst zukünftig aus Schnabeltassen

Alles ist ersetzbar, jeder ist ersetzbar. Fiese Vorgesetzte verbreiten diese Drohung in regelmäßigen Abständen unter den Mitarbeitern, damit sie auf dem Teppich bleiben. Sicher, mein Becher könnte ich notfalls tatsächlich ersetzen, aber selbst in ihrem hässlich-dummen Zustand ist und bleibt sie dennoch MEINE. Also Finger weg, sonst muss ich euch alle »ersetzen«. Ich reagiere hochallergisch, wenn ein müder Kollege zur Kaffeemaschine schlurft und gedankenlos nach irgendeinem (!) Becher greift. In solchen Momenten schnappt er sich natürlich meine – Murphys Gesetz. Ignorant! Dabei wird der Egomane mit Sicherheit einen eigenen Kaffeebecher besitzen, der ihm in dem Augenblick entweder nicht zusagt oder der hinter einem knappen Dutzend weiterer Kaffeebecher versteckt scheint. Trinkt er davon, gleicht das einem Schlag ins Gesicht. Als ob er absichtlich die Höhe meines Drehstuhls verstellt und dabei einen fahren lässt. Eine bodenlose Provokation, die im Grunde aussagt: »Ich trinke aus deinem Kaffeebecher, was willst du dagegen machen, hm?« Ich wüsste schon, was ich in so einer Situation am liebsten tun würde, doch das würde in einer Blutlache und der Anschaffung eines neuen Bechers enden.

Vermessende Trinkgefäße

Mit einem Büro-Kaffeebecher markieren wir unser Revier. Vögel begrenzen es akustisch via Gesang, Hunde durch Erleichterung der Blase und wir Menschen mit dem Abstellen unseres Kaffeebechers. Hier trinke ich, hier bin ich König. Ein Stück Persönlichkeit, welches wir mit Getränken füllen. Es stellt sich die Frage, inwiefern ein Stück geformte Keramik unseren Charakter repräsentiert. Manche sind mit dem jeweiligen Sternzeichen bedruckt, andere mit unseren Wünschen und Träumen, wie zum Beispiel die Existenz von Einhörnern. Sind wir im Urlaub oder krankgeschrieben, so bleibt ein Stück unserer Seele im Büro – hält die Stellung und zeigt den Kollegen permanent brb an. Ein Arbeitsleben ohne Trinkbecher scheint möglich, aber sinnlos. Bietet er uns doch die Möglichkeit, den tristen Arbeitsplatz temporär zu verlassen, um ein Schwätzchen an der Kaffeemaschine zu halten. Selbst mit unbeliebten Kollegen! Man schaut sich gegenseitig auf die Becher und stellt den ewigen Vergleich an. Wie das so ist, im harten Berufsleben. Messen, Messen, Messen. Letztens dachte ich erst: sein Kaffeebecher ist hässlicher, kleiner und vor allem extrem unpassend. Erst schlürfe ich lautstark, dann grinse ich Kollege Vollidiot an. Er bleibt sprachlos, wie ein leeres Blatt Papier. Seine Tasse tut es ihm gleich: Hier könnte Ihr Text stehen. Da war ich wohl schneller, Kollege!

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Veröffentlicht von
Oliver Peters
Schlagwörter: BüroGeizKaffee

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