Wenn bei Frauen die Begeisterung für das runde Leder erwacht, liegt es meist an der Fussball EM/WM. Schwarz-rot-goldener Nagellack ist da erst der Anfang.
Bisher interessierte sich meine Freundin nur für die wichtigen Dinge im Leben. Essen, TV-Serien und ihr Smartphone. Dies änderte sich jedoch schlagartig, als die ersten Panini-Sticker zur kommenden EM in Umlauf kamen. Sie hat ihre Garderobe um zwei Farben erweitert – rot und und gelb – und weckt mich morgens mit einer Vuvuzela. Für die nächsten vier Wochen durfte ich keine gemeinsamen Unternehmungen planen, da sie ihre Freizeit nach Nationalspielen ausrichtet. Doch das Allerschlimmste sah ich erst, als ich zur Beruhigung zum Kühlschrank schlurfte: sie trank meinen Biervorrat leer.
Das konnte niemand ahnen. Üblicherweise macht sie sich nichts aus Fussball und findet die Horden an Fans albern, die jedes Wochenende gesammelt ins Stadion fahren, um Bratwürste zu essen. Doch dass meine Freundin alle zwei Jahre zum übertriebenen Fussballfreak wird, hätte ich nie und nimmer angenommen. Warum hat sie mich nicht vorgewarnt? Hätte ich gewusst, dass sie zur kommenden EM zum Optimus Prime der Fankurve mutiert, wäre ich womöglich spontan für einen Monat verreist. Nach Grönland.
Ich war mal so frei und fragte nach, was sie denn am runden Leder so begeistern würde. Misstrauisch nahm ich an, dass sie sich nur für die strammen Waden der Spieler interessiert würde. Sie behauptete, dass sie nur mitfiebert, wenn es um etwas ginge. Dies bestätigte mir ihre materiellen Absichten, die ich bereits seit Beginn der Beziehung (und meiner Armut) befürchtete. Unsere Nationalmannschaft muss also gewinnen. Alles andere interessiert nur beiläufig. Ach ja – und sie liebt es, an Public Viewing Events teilzunehmen. Irgendwie findet es meine Freundin dufte, sich in eine Meute schwarz-rot-gold-behangener Personen zu quetschen und lauter als der Rest zu brüllen. Insbesondere Beschimpfungen. Diese sind teilweise so derb unter der Gürtellinie, dass ich bereits Panik vor dem nächsten Streit habe. Außerdem mag ich es nicht, wenn sie ständig meine Mutter mit ins Spiel bringt.
Ich gebe zu, dass ich manchmal schmunzeln muss. Insbesondere, wenn sie sich über banalen Bullshit wie das Outfit diverser Spielerfrauen aufregt, die in zeitschindenden Zwischenberichten vorgestellt werden. Oder wenn sie wie wild herumfuchelt, wenn ein Italiener mal wieder eine Schwalbe zelebriert. Weise ich meine Freundin auf meine Belustigung hin, ernte ich nicht nur böse Blicke, sondern auch eine rote Karte in Form einer Einladung, die Nacht auf dem Sofa zu verbringen.
Haben andere Kerle auch solche Probleme? Ich meine nun abgesehen vom Mangel an Bier. Eher die Enteignung einer der letzten klassischen Männerdomänen. Zwar behauptet Amelie Fried in einem älteren Artikel, dass Frauen ihren Fussballorgasmus nur vortäuschen, aber ich befürchte tatsächlich, dass diese Begeisterung Folgen haben wird. Anstatt in der Runde über verpatzte Elfer und blinde Linienrichter zu debattieren, besprechen wir das Outfit von Jogi Löw und die Frisur von Paul Pogba. Und dies meist noch übler als dieses furchtbare Gespann bestehend aus Matthias Opdenhövel und Mehmet Scholl.
Ob die nächsten vier Wochen ein Sommermärchen oder Alptraum werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls freue ich mich bereits auf die 3. Halbzeit, wenn sie wieder in der Normalität angekommen ist und ich dies mit Bier und Bratwurst feiern darf. Gelb steht ihr sowieso nicht.
Photo: german girl // deutsches Mädel von Dominic Hallau, cc 2.0
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