Freizeit

Nein, es geht nicht immer um dich

Narzissten haben kein Ohr für dein Belange

Ich, ich, ich und nochmal ich! Wurdest du schon einmal in einer Unterhaltung ausgebremst, weil dein Gegenüber lieber über sich selbst berichten wollte?

Kommt den meisten gewiss bekannt vor: man klagt über heftige Kopfschmerzen und das Gegenüber sagt: »Das ist gar nichts gegen meinen letzten Kater. Ich brauchte bis 20.34 Uhr, um meine Hose zu finden«. Manche Narzissten weisen beim Smalltalk einen exorbitanten Mangel an Empathie und Geduld auf. Wo liegen die Gründe? Ist es es Neid, weil man dem anderen keinerlei Erfahrungen gönnt? Oder ist der auf Kohlen sitzende Zuhörer nicht aufnahmefähig? Letzteres könnte eine Begleiterscheinung der Generation Selfie sein; es drängt sich der Verdacht auf, dass für einige simple Kommunikation kein Austausch mehr ist, sondern nur noch ein Vergleich.

Komm zur Sache, Baby

Eine gewagte Gegenthese wäre, dass ein Großteil absolut uninteressantes Zeug erzählt. Banaler Kram, der gar keine reflektierte Nachfrage benötigt. Auf dem man nur noch »Ich auch!« antworten kann und infolgedessen selbst los legt. Was soll man schon auf »Blöd, im Supermarkt gab es gestern keine fettreduzierte Milch mehr« Sinnvolles beisteuern? »Oh, das ist ja traurig. Wie hast du dieses Desaster überstanden« oder »Ich kann mir vorstellen, wie schmerzhaft diese Erfahrung war. Erzähl mehr«? Da hilft in vielen Fällen nur ein Verweis auf eine Alternative nach dem Motto »Bei mir umme Ecke gab es noch welche«.

Der Mittelpunkt der Welt bin ich

Aber häufig erfolgt eine Unterbrechung durch einen Ich, Ich, Ich Einwurf, der möglicherweise auf narzisstische Wesenszüge hinweist. Exzentrische, passiv-aggressive Zuhörer, die nur auf ihren Moment im Rampenlicht der Unterhaltung lauern. Die eigene Bedeutung rückt in den Mittelpunkt, genauer das Verlangen nach Bewunderung gepaart mit mangelhafter Empathie. Ich behaupte, dass die unpersönliche Kommunikation via Smartphone, Facebook und Co. Einfluss darauf hat. Sie lehrte uns im Laufe der Zeit eine vollkommen andere Art und Weise des Dialogs. Konversationen, die ohne Mimik, Rhetorik und Gestik funktionieren und somit zu großen Teilen in der eigenen Hirnstube interpretiert werden.

Spiegeln oder Ignorieren?

Wie geht man nun mit Dialognarzissten um? Da bleibt wohl oder übel nur das Aussitzen beziehungsweise Zuhören. Also das, was sie selbst nicht auf die Kette kriegen. Es wird ja irgendwo Gründe für das Verhalten geben. Vielleicht hört denen daheim niemand zu. Möglicherweise brauchen sie das Quäntchen mehr Aufmerksamkeit. Natürlich kannst du einfach das Gespräch abbrechen, sofern es nicht der Chef ist. Oder den Spieß einfach umdrehen, indem du auf »Du warst im Urlaub? Also ich war letztes Jahr auf den Malediven und es war sehr schön« mit »Du warst auf den Malediven? Dort war ich schon zwei Mal, doch nun plane ich Irland« konterst. Könnte nur ein anstrengendes Gespräch werden.

Ein großer Teil dieses Verhaltens begründet sich in der Unsicherheit des Unterbrechers. Auch wenn man ihm oder ihr am liebsten ein »Halt die Klappe! Es geht gerade nicht um dich!« um die Ohren hauen würde, sind sie eigentlich nur gehemmt und unbeholfen. Lasse reden! Und wenn sie kein Ohr für deine Kopfschmerzen haben, bitte sie wenigstens um eine Kopfschmerztablette.

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Oliver Peters

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