Freizeit

Nicht ohne meine Tiere

Tiere sollen wichtiger als Menschen sein? Wer soll dann bitte all die Konservendosen öffnen? Über Liebe, die mehr als nur ein Dackelblick sein soll.

Mein Kollege berichtete mir jüngst über seinen Ärger, als er sich seiner täglichen Portion soziale Medien widmete. Schimpfend regte er sich über Gestalten auf, die fleißig und scheinbar nimmermüde Bilder und Videos von knuddeligen Tieren oder Welpen ins Netz ballern. Sei es die Vermisstenanzeige für Kater Tarantino oder der Nachwuchs von Flauschi, dem frisurtechnisch explodierten Albinohäschen. Nichts ist zu kitschig, nichts zu zu klebrig. Doch der eigentliche Aufreger sind jene Idioten, die in ihrem selbstauferlegten Aufklärungsrausch unentwegt jede noch so absurde Meldung über heiß diskutierte Themen mechanisch und vor allem empört via Copy & Paste verbreiten. Verfolgt man nun angestrengt die Aktivitäten eines solchen Accounts muss man neben einem dämlichen Mady my day-Spruch und dem fotografierten Mittagessen Folgendes lesen:

»DA HABEN WIR ES WIEDER! Oma wurde beim Gurkenkauf abgelenkt und beklaut! Wo soll das alles noch hinführen!? WIR BRAUCHEN MEHR PFEFFERSPRAY.«

Dazu irgendein Link eines Lückenfüller-Artikels einer regionalen Wochenzeitung mit geringer Auflage, der dem Beitrag Glaubwürdigkeit geben soll. Ein Adele-Musikvideo später muss erwartungsgemäß etwas kommen wie:
»Schaut mal, der kleine Rauhaardackel Rudi sucht ein neues Zuhause. Er ist ganz ganz lieb und kackt nur auf den Teppich, wenn man ihn hetzt. PN an mich. Smiley.«

Mein Kollege schmiss die Person umgehend von der Kontaktliste. Darauf hatte er insgeheim nur gewartet, da ihm die täglichen Welpenbilder eh ziemlich auf die Nerven gingen.

Tierische Bestätigung für alle Doofen

Es ist zum Mäusemelken. Menschen sind ein Störfaktor, doch alle Vierbeiner müssen unbedingt gerettet werden. Wahrscheinlich liegt es daran, weil Haustiere uns nicht unsere Jobs, Frauen und Fernbedienungen wegnehmen, sondern höchstens mal Sehnenscheidenentzündungen durch übertriebene Streicheleinheiten auslösen. Während gerade der Social-Media-Schutzwall die Großmäuler und den kryptischen Faschismus bestärkt, wird im selben Atemzug die Werbetrommel für mehr Tierschutz gerührt.

Zu gerne würde ich an dieser Stelle das Vorurteil untermauern, dass bildungsarme Bürger sich Tieren per se näher fühlen. Schließlich wollen die keine Gehaltserhöhungen oder fordern mehr Besuche bei den Schwiegereltern ein. Unsere Vierbeiner dagegen lieben uns so lange, wie wir ihnen genügend Nahrung hinstellen – es sei denn, es sind Katzen. Die interessieren sich nicht die Bohne für uns, solange wir ihnen hinterher räumen.

Menschen sind ein Störfaktor, doch alle Vierbeiner müssen unbedingt gerettet werden.

Aber ansonsten genießen Herrchen und Frauchen die uneingeschränkte Zuneigung ihrer Haustiere. Unser menschliches Umfeld kann man deutlich schwieriger für die eigene Person erwärmen; spontan fällt mir da nur einen Lotto-Gewinn ein, der einen vergleichbaren Effekt beschert. Möglicherweise ist das der Grund, warum einige Zeitgenossen auf Tiere schwören und sogar mit dem Spruch »Tiere sind mir wichtiger als Menschen« hausieren gehen. Derartige Einteilungen sind jedoch hanebüchen. Weder Tiere noch Menschen sind in Schubladen zu packen, die mit »Wichtig« oder »Unwichtig« betitelt sind. Bis auf Aga-Kröten. Ernsthaft: wer braucht Aga-Kröten?

Pudel raus!

Keine Widerworte. Das ist der unschlagbare Vorteil bei vierbeinigen Mitbewohnern. Menschen, das muss ich an dieser Stelle niemanden erklären, sind da anderer Natur. Sie teilen ihre Meinungen sogar ungefragt mit – wie eben über die gerade beschriebenen sozialen Medien. Dass deren Tierliebe mitunter auch schon mal zu weit geht, ist schon länger bekannt. Der menschliche Maßstab wird nicht selten auf das Haustier übertragen. So wird es mittlerweile stylisch eingekleidet, gegen Zahnverlust versichert und mit einem Doppelnamen bedacht, wie zum Beispiel Justin Bello.

Warum wird dieser menschliche Maßstab, wenn man ihn denn so nennen möchte, von uns nicht auf unser menschliches Umfeld angewandt? Vielleicht liegt es an diesen anstrengenden Widerworten, die man sich geben müsste. Außerdem ist es viel einfacher, dank Verbreiten einer zahlreich angeklickten Meldung die eigene Angst zu verschleiern. Manchmal wünschte ich mir, dass durch dieses ganzes Vermenschlichen die Tiere anfangen würden zu sprechen. Einfach so! Man steht morgens auf und der Pudel raunt »Wehe, Du gibst mir schon wieder diese Pansen-Scheiße. Die kannste selber fressen, Du Vollspast. Und nun rammel ich erst mal das Bein deiner Frau und leck ihr über das Gesicht«. Ich wette, dann wäre es ganz schnell vorbei mit der tierischen Nächstenliebe. Dann liest man nur noch auf den einschlägigen Online-Klick-mich-tot-Seiten: Wo soll das alles nur hinführen? WIR BRAUCHEN MEHR FERNHALTESPRAY!


photo: Leigh and Lucky by rpavich, CC 2.0

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Veröffentlicht von
Oliver Peters
Schlagwörter: Tiere

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