Miteinander

Pärchenabend – Krise frei Haus

Nur Lebensmüde laden sich den Horror freiwillig nach Hause ein: ein Pärchenabend war schon immer eine Garantie für Ärger der zwischenmenschlichen Art.


Der Legende nach wurde der sogenannte »Pärchenabend« von einer sadistisch veranlagten Frau ins Leben gerufen, um ihren Ehemann zu quälen. Wie der Name bereits verrät, sind zu solch einem Event Pärchen eingeladen, um gemeinsam einen Abend zu verbringen. Dies bedeutet, dass man nicht nur dröges Status-Gelaber erdulden muss (»Mein gedämmtes Haus, mein Zweitwagen, mein hochbegabter Sohn Leon-Alexander«), sondern auch aufpassen sollte, dass der Partner sich nicht im Rausch in der Toilette einschließt. Der Sinn hinter dem Wagnis eines Pärchenabends bleibt Vernünftigen verschlossen. Schließlich kann es nur in einer Katastrophe enden, wenn man lauter Paare, die sich im Grunde gegenseitig nicht ausstehen können, in einen Raum zwängt und zu Karaoke und Selfies zwingt.

Parade der Spießertums

Da liegen sie bereits auf dem Tisch. Gesellschaftsspiele wie »Tabu« und »Phase 10« sollen den angekündigten Pärchenabend zum Erfolg verhelfen. Dabei wissen erfahrene Überlebenskünstler, dass in solchen Zeiten der Krise nur noch Alkohol in rauen Mengen helfen kann. Wenn Martina und Sven zum gemeinsamen Abend einladen, kann die Idee nur von Martina stammen. Der nicht nachvollziehbare Einfall von ihr löst bei Bettina und Michael sowie Nicole und Christoph zwiespältige Reaktionen hervor. Während Bettina und Nicole das passende Outfit planen, spielen Michael und Christoph mit dem Gedanken aus dem Fenster zu springen. Dabei lockt das satanische Pärchen, welches die Einladung aussprach, sogar mit gemeinsamen Grillen, um die Männer zu besänftigen.

Vor jedem Pärchenabend muss sich jedes Paar vorab klären, welche Themen angesprochen werden dürfen – und welche nicht. Wie war der letzte Urlaub? Check. Was machen die Kinder? Check. Ihr Verhältnis zu seiner Mutter? Besser nicht. Wie oft ist er schon fremdgegangen? Bloß nicht!

Bei der Gesprächsführung ist es von enormer Wichtigkeit, sich mit der richtigen Seite zu verbünden. Das sind in den meisten Fällen der Partner/die Partnerin und die Gastgeber. Zusätzlich sollte auf die Wortwahl geachtet werden, denn innerhalb dieser paar Stunden ist alles schön. Es gibt kein Scheitern, keinen Kummer und auch keine hoffnungslos überzogenen Dispokredite. Die Kinder sind reinste Engel, das Haus ist bald abbezahlt und man hat immer noch Spaß am Sex.

Wie man einen Pärchenabend überlebt

Wenn man sich schon mit Alkohol den Abend schön trinken möchte, so sollte man sich dennoch auf den eigenen Partner konzentrieren. Ein spontaner Partnertausch ist selten eine gute Idee.

Generell lässt sich auch sagen, dass der Abend immer unerträglicher wird, je länger er andauert. Mit jedem weiteren Glas – oder bescheuerten Dips, je nach Gastgeber – kommt eine weitere Unzufriedenheit auf den Tisch. Er ist zu eifersüchtig, sie zu herrisch. Er wünscht sich ein Motorrad, sie ein weiteres Kind. Tränen kullern und die vermeintlich wichtigen Gespräche werden auf den Balkon verlegt. Dort wird ausgiebig diskutiert, warum Michael immer so anders zu Bettina ist, wenn andere dabei sind. Nicole versteht das nur zu gut, denn Christoph ignoriert sie die ganze Zeit. Böse Blicke werden getauscht, während die Playstation angeschlossen wird. Karaoke wird alles richten.

Spätestens wenn Sven das dritte Glas umschüttet und Martina Nicole ihre Scheidungspläne beichtet, werden die ersten Taxen bestellt. Natürlich gibt es bei Pärchenabenden eine Garantie für Streitigkeiten. So eine hirnrissige Idee kann überhaupt nicht gut enden, da es für Paare auch ohne Druck von außen schwer genug ist. Ein Treffen, bei dem man sich gegenseitig abschätzt und bewertet, endet meist in einer Selbstreflexion der besonders unangenehmen Art. Wäre Martina nie auf die blöde Idee gekommen, sich mit den anderen Paaren vergleichen zu wollen, hätte sie vielleicht erkannt, dass es keine Rolle spielt, wie es die anderen machen.

Zum Abschluss noch ein Wort zum Verhalten nach einem Pärchenabend. Es wird dringend empfohlen, die Fotos und Videos des Abends nicht im Netz hochzuladen oder gar die Beteiligten zu markieren. Des Weiteren sollten sich die Kerle bessere Ausreden für die nächste Einladung einfallen lassen. Oder sucht euch endlich einen neuen Freundeskreis.


photo: Butterflies‘ games by Eleazar, CC 2.0

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Oliver Peters

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