Die Demotivationsfrage: Ist da was dran, wenn Menschen jenseits der Midlife-Crisis behaupten, dass früher alles besser war?
Ich weiß noch genau, wie demotiviert ich mich fühlte. Endlich 18! Nach all den Jahren konnte ich selbstsicher den Ausweis zücken, sobald mich die Frau an der Kasse beim Alkoholkauf blamieren wollte. Doch anstatt mich über den Lappen und zuvor verbotene Bereiche meiner Stammvideothek mit den abgeranzten Vivian-Schmitt-Pappaufstellern zu freuen, blieb mir der Jubel im Hals stecken. Mein Vater nörgelte ständig über … na eigentlich alles! Sein Satz der Stunde war »Früher war alles besser«, den hätte er sich zweifelsohne in 2Pac-Manier quer über den Bauchnabel tätowieren lassen sollen. Nun bin ich zwar noch nicht in dem Alter, in dem man sich vom Balkon aus über lachende Jugendliche beschwert, aber es macht sich das unangenehme Gefühl breit, dass mein Vater gar nicht so unrecht hatte.
Ist es tatsächlich so, dass wir zwar immer schneller technische Fortschritte erleben, aber unser persönliches Wohlbefinden auf der Strecke bleibt? Von den Renten ganz zu schweigen? Manchmal komme ich auf waghalsige Gedanken, gar meinen Bausparvertrag zu kündigen, weil es ja keinen Sinn hat. War es vor einigen Dekaden leichter? Fühlte sich das Leben lebenswert an? Hätte man die Mauer nie abreißen sollen? Fragen über Fragen. – Lothar B. aus Hamburg
Älter werden ist nicht leicht. Die Forscher behaupten gar, dass unsere Emotionen mit den Jahren abstumpfen, sodass kindliche oder gar jugendliche Freude kaum noch nachempfunden werden kann. Hätten Sie zum Beispiel als Kind auf der Straße einen 10 Euro Schein gefunden, so wäre die Freude groß gewesen. Heute würden Sie nur schimpfen, wie man die Straßen so verunreinigen kann und das man sich für die geringe Menge nicht einmal bücken sollte.
Weitere Studien, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, fanden weitere Kuriositäten heraus, wie unser Hirn uns nachhaltig veräppelt. Wenn wir beispielsweise eine furchtbare Situation erleben, die uns in der Form bereits widerfahren ist, so werden wir lauthals verkünden: »Das ist das Schlimmste, was je passiert!« – das erste Mal wirkt im Nachhinein nicht mehr ganz so schlimm.
Das bedeutet, dass wir letztendlich absolut unfähig sind, Erlebnisse objektiv zu betrachten. Somit hatte ihr werter Vater nicht unbedingt recht, sondern konnte die Gegenwart nicht deuten. Er ist damit nicht alleine, im Gegenteil. Die Folgen unserer antrainierten und gewollten Vergesslichkeit erleben wir gerade in diversen Formen. Zum einen das nicht erklärbare Revival der 80er und 90er, das Romantisieren der DDR oder das Comeback von Knight Rider. Wie sagt der Pöbel? Schmerz vergeht, die Narben bleiben.
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