Miteinander

Das Schweigen fehlt

Es häufen sich die unbeantworteten Nachrichten in meinen Messenger-Apps. Auch wenn es keine Gespräche Angesicht zu Angesicht sind, wirkt es beinahe so, als würde ich mitten bei einem Treffen den Tisch und somit die Konversation verlassen und erst Wochen später wiederkommen. Wo waren wir?

Junge Leute telefonieren nicht mehr, habe ich mir sagen lassen. Ob dem wirklich so ist, vermag ich nicht zu beurteilen, doch möchte ich dem Glauben schenken. Schließlich ist WhatsApp der Standard für die alltägliche Kommunikation, Kommentare unter einem TikTok oder einer Insta-Story allgegenwärtig. Dabei hat die Unterhaltung via Telefon einen Vorteil: es darf geschwiegen werden.

Lebst Du noch?

Die indirekte Kommunikation über WhatsApp und Co. löst in mir das Gefühl aus, dass ich auf jede erhaltene Nachricht reagieren muss. Selbst wenn es nur ein Daumen-hoch-Emoji oder ein Tränen lachender Smiley ist. Einen Text unkommentiert stehen lassen wirkt unhöflich und desinteressiert; manch ein empörter Gesprächspartner fragt direkt: Lebst du noch? Ein Telefonat, insofern sich beide auch was zu sagen haben, bietet die Option, den zugespielten Ball auch mal eine Runde liegen zu lassen.

In realen Gesprächen wäre der ständige Zwang zur Reaktion undenkbar und einfach nur weird. Man stelle sich vor, jemand schüttet mir sein/ihr Herz aus und ich kommentiere das Gehörte mit einem Daumen hoch. In den gewissen Momenten den Mund zu halten, das Schweigen als Beitrag im Sinne von »Ich bin für Dich da« anzubieten, das fällt heutzutage oft weg. Es muss explizit erwähnt werden. Das, was sonst durch Körpersprache oder Blicke gesagt werden konnte.

Der Rest ist Schweigen

Ein Kompromiss ist derzeit undenkbar. Möglicherweise folgt in Zukunft der Schritt zur Kommunikation durch Hologramme. Ich stehe als Holo-Miniatur auf dem Küchentisch nach dem Motto »Helft mir Obi-Wan Kenobi. Ihr seid meine letzte Hoffnung«, aber ich würde hoffentlich sehen, wenn mitten im Gespräch mein Gegenüber den Raum verlässt und erst viel später wiederkommt. Hoffentlich habe ich dann in der Zwischenzeit keine Augenroll-Emojis verschickt.

Wahrscheinlich werde ich nach und nach die erhaltenen Nachrichten beantworten. Manche werden verständnisvoll reagieren, manche enttäuscht. Ich werde mich gewiss mehrfach entschuldigen und beteuern, dass es keine böse Absicht war. Stimmt ja auch. Es wäre nur so viel leichter, wenn ich einfach wortlos darstellen könnte, dass ich zwar nicht direkt im Dialog bin, aber dennoch irgendwie da.

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Oliver Peters

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