Ratgeber

Dein Leben im Faktencheck

Die große Zahl von Faktencheck-Listen verändert unseren Wissensstand und wühlt sich angesprochene Menschen auf. Unverbesserliche Bürger fragen sich weiterhin »Was hat das alles mit mir zu tun?«. Der große Faktencheck konfrontiert mit knallharten Argumenten, was und vor allem warum Einfluss auf unser vermeintlich geiles Leben hat. Lasst uns endlich persönlich werden: was tust du dafür, damit dein Alltag lebenswert ist?

Ein Leben ist turbulent. Auch in 75 Lebensjahren bleibt oft keine Zeit, Situationen korrekt einzuschätzen und Aussagen oder Einschätzungen von Mitmenschen gründlich zu prüfen. Deshalb solltest du nachhaken und einige gehörte Aussagen und erlebte Momente gründlich bewerten. Blaaaah. So oder ähnlich werden die derzeit angesagten Faktenchecker eingeleitet. Solche Beiträge sollen den superseriösen Gegenentwurfzu Fake-News und Co. darstellen. Was passiert, wenn man nicht nur die aktuellen Schlagzeilen Prüfung auf Herz und Nieren prüft, sondern ebenso den Alltag? Am besten mit neunmalklugen Sprüchen und Weisheiten, die uns durch Glückskekse und via Abreißkalender deprimieren. Könnte ungefähr so aussehen:

Angeblich brauchen wir Ziele und werden am Ende doch nur sterben

Jeder Mensch braucht Ziele im Leben. Ein Freund von mir sagt zum Thema Ziele gerne: »Wir haben ein kurzfristiges und ein langfristiges Ziel. Feierabend und Wochenende«. Tatsächlich ist es so, dass mit Vorhaben wie ein Feierabendbier oder die Planung eines Urlaubs die Misere des Alltags kurzzeitig ausgeblendet werden kann. Würde am nächsten Morgen nicht erneut der Wecker die tägliche Qual der bezahlten Selbstaufgabe anstimmen, könnte man sich auch auf die angestrebten Highlights konzentrieren.

Shit happens: Wir haben keine Kontrolle. Ein Blick auf die nackten Fakten lassen Zweifel aufkommen. So wird ein Großteil des Alltags wahrheitsgemäß fremdbestimmt, was die These unterstreichen würde. Jedoch handelt es sich dabei um Vorgesetzte, Beamte, Politiker usw. All diese machthungrigen Leute wurden höchstwahrscheinlich in der Schule gemobbt, was sie notorischen Spaßbremsen formte. Schwacher Trost: wir müssen nicht umsetzen, was sie von uns erwarten. So viel Kontrolle steht uns sogar zu – auch wenn wir im Zuge unserer Selbstbestimmung mit Freiheitsstrafen rechnen dürfen.

Besitz macht uns nicht aus. Stimmt das? In Hinsicht auf eine drohende Altersarmut und Arbeitnehmern, die gegenwärtig dank Teilzeit finanziell keine großen Sprünge machen können, müsste man sich fragen, was uns dann ausmacht. Vielleicht ist die Kohle aber auch nur so knapp, weil das kommende iPhone so unverschämt teuer wird.

Es ist egal, was andere über uns denken. So ganz egal ist es nun auch wieder nicht. Wenn ich zum Beispiel ohne Hose aus dem Haus gehen würde, käme mir ein Hinweis von einem besorgten Mitmenschen doch gerade recht! Was sollte auch die Alternative sein? Einfach drauf pfeifen, ab in die U-Bahn und jedem, der blöd aus der Wäsche guckt »Is was?« fragen?

Wir werden alle sterben. Zugegeben, diese These wäre zu bestätigen. Klingt brutal, aber isso! Nur die Russen können sich damit nicht abfinden. Die arbeiten bereits an einer Lösung: Verstorbene wie Fischstäbchen einfrieren, ins All schießen und in besseren Zeiten wieder auf die Mutter Erde holen.

Wir sollen scheitern um uns dafür zu lieben

Selbstliebe und Akzeptanz sind wichtig. Na ja, ernsthaft? Wie soll man sich selbst im Spiegel ertragen, wenn man sonntags mit tiefroten Augen und dem Teint eines Zombies ins Bad schlurft? Wenn man das letzte Geld auf der Party gelassen hat und seiner Ex um 2:54 Uhr eine unfassbar peinliche Nachricht schrieb? Ganz abgesehen von diesem neuen Einhorn-Tattoo über dem Bauchnabel.

Scheitern ist der erste Schritt zum Aufstieg. Schlimmer geht nimmer. Ob da was dran ist? Vielleicht ist es eher so, dass ab einem gewissen Pegel von Bullshit die Gleichgültigkeit einsetzt. Oder man scheitert so gewaltig, dass es Leute unter dem Hashtag #epicfail im Netz hochladen, um dich damit unfreiwillig mächtig und berühmt zu machen. Aber wem passiert das schon, abgesehen vom US-Präsidenten?

Sich zu sorgen ist Zeit- und Energieverschwendung. Diese These ist ideal für einen Faktencheck. Denn was frisst derzeit mehr Zeit und Kraft als ein Blick in die Nachrichten? Wem die Meldungen des Tages immer noch kalt lassen, kann sich mit dem Faktenfinder der Tagesschau den Rest geben.

Das Leben spielt sich im Hier und Jetzt ab, nicht in der Vergangenheit. Letztens schrieb ich einen Artikel zum Thema Taste Freeze; kurz gesagt steht das für eine Art musikalischen Geschmacksstillstand. Streng genommen bin ich mit dem Problem nicht alleine, oder wie sollte man sonst diese Revival- und Remakewut erklären? Ghostbusters, Baywatch, Blade Runner … wann kommt eigentlich »Harry meets Sally – again«?

Denken und Handeln sind zwei unterschiedliche Dinge. Totaler Unfug. Diese angebliche Tatsache kann gar nicht stimmen. Schließlich saß ich erst heute auf der Arbeit und bildete mir ein, dass ich wirklich schuften würde. Leider musste ich aufgrund langatmiger Internetrecherche (Ich suchte nach knuffigen Panda-Videos) den Chef vertrösten. Bezahlt wurde ich trotzdem. Beat that, Glückskeks!

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Veröffentlicht von
Oliver Peters
Schlagwörter: Demotivation

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