Schnief, rotz, hust. In den Wartezimmern der deutschen Arztpraxen gibt es derzeit Warteschlangen. Grund dafür ist eine besonders fiese Grippewelle. Oder ist das nur ein Nocebo-Effekt?
Heute saß ich im Wartezimmer und zog im Minutentakt die Nase hoch. Ekelhaft, keine Frage. Um das dabei entstehende Geräusch zu überbrücken, nahm ich mir eine veraltete Zeitschrift und blätterte im passenden Moment. Dadurch zog ich leider noch mehr Aufmerksamkeit auf mich. Bildete ich mir zumindest ein. Denn in Wirklichkeit waren alle wartenden Anwesenden damit beschäftigt, ihre Nasengeräusche zu übertönen. Der eine wechselte stets seine Sitzhaltung und knautschte dabei übertrieben mit seiner Lederjacke. Die andere ging zum Nasehochziehen immer aus dem Zimmer und fragte, ob sie schon dran sei.
Übrigens waren die Artikel gar nicht so uninteressant. Innerhalb der langen Wartezeit stellte ich fest, dass es nicht nur den mittlerweile bekannten Placebo-Effekt gibt, sondern auch den komplett gegenteiligen Nocebo-Effekt.
Während Placebo übersetzt in etwa „Ich werde gefallen“ bedeutet, steht Nocebo für „Ich werde schaden“. Das passt ja wunderbar zu allen Leuten, die sich gerne mal selbst verrückt machen. Selbsterfüllende Prophezeiungen und so weiter; sie alle stehen für mich nun in einem anderen Licht dar.
Es ist eine typische Zeit der Erkältung. Das volle Wartezimmer bestätigte es umso deutlicher. Von daher fiel mein Erkranken gar nicht weiter auf. Jeder, der allerdings weiß, mit welchen Dämlichkeiten ich mich gerade privat herumplage, kann auf den typischen Nocebo-Effekt schließen. Ich habe angesichts von einer Zwangsmaßnahme mich selbst schlicht und einfach krank geredet, gedacht, gemacht. Kann ich nur empfehlen, wenn demnächst ein Besuch bei den Schwiegereltern oder eine Geburtstagsfeier eines befreundeten Arschlochs ansteht.
Was nicht bedeuten soll, dass zu meiner Feier derartige Ausreden geduldet werden. Ich habe es doch schon längst durchschaut.
photo: sick by claus rebler
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