Freizeit

Leichen im Keller bzw. Ärsche auf dem Handy

Filmrezension »Das perfekte Geheimnis«

In der deutschen Film- und Fernsehunterhaltung genießen Talkrunden einen besonderen Stellenwert. Täglich schwafeln und fachsimpeln gefragte Menschen in der Flimmerkiste um die Wette – und wir Zuschauer kleben an ihren Lippen. Möglicherweise liegt es an unserer typisch deutschen Schadenfreude, der Drang den berüchtigten roten Knopf zu drücken. Wiki beschreibt diese Emotion als die »Freude über das Missgeschick oder Unglück anderer«. Passt hinsichtlich des aktuellen Filmwerks »Das perfekte Geheimnis« aus der Feder von Bora Dağtekin wie die Faust aufs Auge. Man möchte im Kino aufschreien: »Alle scheiße! Außer Mutti. Besonders die Kerle!«

Manche legen es darauf an

Zur Handlung: Rocco (Wotan Wilke Möhring) und Eva (Jessica Schwarz) laden ihre langjährigen Freunde zum Pärchenabend mit Eskalationsgarantie ein. Um das gegenseitige Vertrauen innerhalb der Freundschaft auf die Probe zu stellen, sollen bei dieser besonderen Talkrunde alle Smartphones aus der Tasche auf den Tisch. Jede Nachricht, jeder Anruf … alles wird laut vorgelesen. Ich persönlich möchte behaupten: wer solche Ideen hat, möchte die Welt brennen sehen.

Ein Handy ist nicht nur hilfreich bei Langeweile und als Erinnerungsstütze für kommende Geburtstage, es kann sogar ein ganzes Parallelleben verbergen (#mussmanwissen). Somit ist es keine Überraschung, dass bereits nach kurzer Zeit die ersten eindeutig zweideutigen Nachrichten eintrudeln. Natürlich lassen zusätzlich aussagekräftige Bilder ebenfalls nicht lange auf sich warten. Um weitere Katastrophen zu verhindern tauschen Leo (Elyas M’Barek) und Pepe (David Florian Fitz) ihre Smartphones, was – wer hätte das gedacht – natürlich in die Hose gehen muss.

Die Lust am Scheitern

Die Empörung ist groß, das Geschrei laut. Und es macht Spaß! Der Film greift zwar tief in die Klischeekiste, aber dank der Lust am Fremdschämen kommt keine Langeweile auf. Frederick Lau überzeugt in seiner Rolle als unsympathischer Großkotz Simon, während Jella Haase als Bianca den perfekten Kontrast darstellt: hilfsbereit und begeisterungsfähig wirkt sie wie der letzte Hoffnungsschimmer in dieser zum Scheitern verurteilten Runde.

Auch wenn ich bei diesen Voraussetzungen eines Pärchenabends einen Horrorfilm erwartet hätte, bleibt sich Autor und Regisseur Bora Dağtekin (Türkisch für Anfänger, Fack ju Göhte) treu und liefert eine Komödie nach dem bekannten Erfolgsrezept: verspielte Klischees, reichlich Pimmelwitze und feierliche Blamagen zum Ausleben der Schadenfreude. Zwar ist letztlich kein Geheimnis für den Zuschauer so perfekt, dass es verborgen bleibt, aber die vielen Momente des Scheitern bieten trotz mancher arg konstruierter Dialoge beste Unterhaltung.

Sie wollen doch nur spielen

»Das perfekte Geheimnis« ist die deutsche Interpretation des italienischen Films »Perfetti sconosciuti« (2016), der ebenfalls für den französischen Markt unter dem Titel »Le Jeu« (2018) adaptiert wurde. Selbst die Italiener und Franzosen haben das Wort Schadenfreude in ihren Wortschatz übernommen. Scheinbar ist das Phänomen anderen Mitmenschen beim Scheitern zuzuschauen europaweit ein Dauerbrenner.

In der deutschen Fassung bleibt das Happy-End nicht aus. Zwar entpuppt sich ein Großteil der Charaktere als Arschlöcher, doch die Männer schießen mit homophoben Sprüchen den Vogel ab. Versöhnlich und optimistisch will das Ende wirken: Lasst den Männer ihre Handys, ihre Spielzeuge. Sie möchten schließlich nur spielen, oder? Es bleibt jedoch ein gewisser Nachgeschmack. Ist es okay, homophob zu sein? Und ist Gewalt ein geeignetes Mittel zur Konfliktlösung? Diese Fragen könnten zu mehr Konflikten führen als ein falsch versandtes Tittenbild. Was »Das perfekte Geheimnis« aber in jedem Falle bietet: Gesprächsstoff für den nächsten Pärchenabend und nervöse Blicke auf das nächste Handy.

Photo credit: Petit_louis on Visualhunt / CC BY

»Das perfekte Geheimnis«
Kinostart: 31.10.2019 | Darsteller: Elyas M’Barek, Karoline Herfurth, Florian David Fitz, Jella Haase, Frederick Lau, Jessica Schwarz, Wotan Wilke Möhring u.a.| Produzentin: Lena Schömann | Executive Producers: Martin Moszkowicz | Regie: Bora Dağtekin | Drehbuch: Bora Dağtekin

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Oliver Peters

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