Miteinander

Mixtapes – Eine Liebeserklärung

Denke ich an Romantik, denke ich an Mixtapes. Die kleinen Plastikteile dienten nicht nur als Songsammlung, sondern auch als Liebeserklärung.

Nietzsche soll einst den bekannten Satz »Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum« geschrieben haben. Nicht einmal den größten Querulanten würden zu dieser Aussage nennenswerte Gegenargumente einfallen. Ich setze an dieser Stelle noch einen drauf und behaupte: »Ohne Musik wäre die Liebe ein Irrtum«. Begründen möchte ich meine These mit der Existenz von Mixtapes, die wahrscheinlich beinahe jeder über beide Ohren Verliebte für seinen Schwarm zusammengestellt hat. Eine ordentliche Mischung aus Kuschelrock, Herzschmerz und sexy Grooves.

Superaffentittengeiler Bandsalat meiner Jugend

Doch was ist ein Mixtape? Kurz gesagt, eine Playlist auf Plastik gebannt – auf einer Audiokassette. Diese Kassetten wecken direkt Assoziationen bei mir – an Bandsalat und Bleistifte. Warum? Das Abspielen der Tapes endete irgendwann in einem Chaos, weil das aufgerollte Audioband sich von der Rolle löste und Panik im Walkman auslöste. Mit einem Bleistift ließ sich der gesamte Kladderadatsch aufrollen. Aber die Teile waren nicht nur zum Aufrollen da, sondern auch zum Mitschneiden der liebsten Radio-Programme oder zum selbst Aufnehmen. Ich selbst stellte mir via Rekorder meine Lieblingsmusik zusammen und schrieb halt irgendwas Cooles drauf – wie »Cool Mix«.

Die ganz Mutigen unter den Möchtegern-DJs der 80er und frühen 90er sprachen ihre Intros selbst ein. Oder war das nur bei meinen Aufnahmen der Fall? Keine Ahnung, jedenfalls habe ich meine Tapes meist so oder ähnlich eingeleitet: »Hey, das ist der Superaffentittengeile-Hitmix von mir«. Ebenfalls ein Meilenstein meiner noch nicht aufgeblühten Kreativität. Im Laufe der Jahre nahm das Mixtape zusätzlich eine weitere Rolle an. In meiner Jugend dienten Tapes als Vehikel, um die Damenwelt zu beeindrucken. Frei nach dem Motto: »Hey, mein Musikgeschmack ist voll cool, heirate mich!«. Ich verteilte meine Mixtapes stapelweise, mit überschaubarem Erfolg.

Adieu, Mixtapes: Playlist statt Plastik

Bleiben wir bei der Romantik in Plastik: Die meisten von uns kennen das zaghafte Abchecken des Gegenübers, wenn es ums Kennenlernen geht. Mit dem Präsentieren der Lieblingsmusik kann man sich von seiner Schokoladenseite präsentieren, sofern kein Blödsinn in der Playliste steht. Heutzutage nutzen die Leute wohl Spotify, Amazon und Co., um Playlisten zu erstellen. Und nehmen wir einmal an, dass diese auch zwischen Verliebten geteilt werden.

Aber fehlt da nicht was? Das griffige Plastik, welches feierlich mit hochrotem Kopf überreicht wird? Die Beschriftung, bei der man sich ordentlich Mühe gab, sämtliche Schriftzüge der Lieblingsbands nachzuahmen? Das eigens gesprochene Intro, was jedem Kirmeskarussell-Betreiber Konkurrenz macht? Die Fortsetzung, ein »Cool Mix Vol. 2«, die mehr Charakter hat als jede Datensammlung in einer Cloud? Ein Irrtum!

Die beste Zeit der klassischen Mixtapes und den dazugehörigen Audiokassetten scheint vorbei. Und das ist schade. Wie wollt ihr euren Schwärmen und Love-Interests euer Innerstes, eure Gefühle und all das, wofür ihr keine Worte findet, präsentieren, wenn sie alle eure Instagram-Selfies und Stories durch haben? Mit einer unpersönlichen Playlist? Vielleicht. Nur denk daran: vielleicht bist noch nicht soweit und redest etwas Dummes, anstatt die Musik selbst wirken zu lassen. Wie zum Beispiel »cool«.

Oliver Peters

Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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Veröffentlicht von
Oliver Peters
Schlagwörter: MusikPlastik

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