Die Demotivationsfrage: Muss man tatsächlich alle angesagten Sendungen verfolgen, nur um am nächsten Tag mitreden zu können?
„Ich kann nicht mehr. Dschungelcamp, Tatort, Schwiegertochter gesucht, Die Heute Show, Frauentausch, Germany’s Next Top Model, Der Bachelor und und und. Alles habe ich gesehen! Mittlerweile erkenne ich sogar die Pappnasen auf dem Bildschirm wieder. Marco, das Muttersöhnchen mit dem toten Igel auf dem Kopf, der eine Frau sucht. Die Trulla, die letzte Woche noch bei DSDS nervte, sitzt nun mitten im australischen Dschungel und schlemmert Känguru-Hoden. So kann das nicht weiter gehen. Und wofür tue ich mir das alles an? Nur damit ich am nächsten Tag im Büro und im Freundeskreis mitreden kann! Sogar meine Freundin will nur noch über US-Serien wie „The Walking Bad of Thrones Cards“ (oder so ähnlich) quatschen. Sonst gibt es ja nichts zu besprechen, in oberflächlichen und gehetzten Zeiten wie unseren. Zumal ich ja eh nichts mehr erlebe, seit dem ich immer vor dem TV hocken muss. So richtig dämlich fühle ich mich, wenn ich das Gesehene live bei Twitter kommentiere. Mit Hashtags! Letztens postete ich: „Der hat mehr #Haare auf dem Rücken als #Beate auf der Oberlippe, das muss man erst mal schaffen #yolo“. Wenn das so weitergeht, zahle ich einfach keine GEZ Gebühren mehr, bis die mich abklemmen.“ Kai-Uwe T. aus Frankfurt am Main
Geteiltes Leid ist halbes Leid, sagt der Volksmund. Betrachten Sie sich nicht unbedingt als Märtyrer im Dienste der Fernsehunterhaltung, sondern als ein Opfer. Schließlich sind Sie nur einer von vielen, die tagtäglich unter den Unzumutbarkeiten der Fernsehmacher zu leiden haben. Sie wissen zwar dank der Lachspur ganz genau, wann sie bei dieser maßlos überbewerteten US-Sitcom zu lachen haben. Was Sie jedoch nicht wissen: Das Gelächter gilt Ihnen.
Ähnlich könnte es klingen, wenn Sie sich ins Büro wagen, ohne die entsprechende Vorabend-Sendung gesehen zu haben. Worum ging es doch gleich? Es wurde doch fett darüber getwittert und bei Spiegel Online wurde die Sendung noch während der Ausstrahlung verrissen. Wahrscheinlich lächeln Sie in solchen Situationen nur beschämt und flüchten auf die Toilette, um schnell online per Smartphone alles nachzulesen. Und Ihre Freundin erst! Nicht auszumalen, wie schnell die Werteste ihre sieben Sachen packen würde, wenn Sie auch nur eine einzige Folge ihrer Lieblingssendung nicht haargenau rezitieren können! Oder wenn Sie sich weigern, beim nächsten Halloween das perfekte Cosplay-Kostüm ihrer persönlichen TV-Helden zu tragen. Von der DVD-Box zu Weihnachten ganz zu schweigen. Oder direkt ein Netflix-Abo?
Aktuell stehen ihre Chancen schlecht, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzunehmen, wenn Sie nicht mindestens zwei der oben genannten Sendungen herunter beten können. Aber wer sagt, dass Sie dabei nicht schummeln dürfen? Tatsächlich ist es so, dass sich die Formate vom Inhalt nicht nur oft ähneln, sondern sich auch stets wiederholen. Als zusätzliche Hilfe merken Sie sich einfach folgende Hinweise: Der Tatort aus Münster ist immer gut, der mit Til Schweiger nicht. Bei „Schwiegertochter gesucht“ immer über Beate reden. Und für das „Dschungelcamp“ kaufen Sie sich am besten jeden Tag eine BILD-Zeitung.
photo: „really, watching the super bowl?“ by wonderlane
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