Google, Smartphones und Tageslichtwecker: Sollte man mit der Technik auf Kriegsfuß stehen, befindet man sich unweigerlich in der digitalen Hölle 2.0
Vor einigen Jahren hatte ich kein Smartphone, sondern eines, bei dem der Akku 10 Tage hielt und mit dem ich im Notfall telefonieren konnte. Nun kann ich mit einem technischen Wunderwerk Sternbilder konkret benennen und egal wo ich mich befinde, recherchieren wie viel Kalorien der Snack hat, den ich mir einverleiben möchte. Weder das eine noch das andere will man wirklich wissen. Leider sind die kleinen Biester auch anfällig für diverse Krankheiten. So dachte sich mein Smartphone eines Tages in einem Anfall von Sinnkrise: »Ich bin kein Smartphone! Ich bin ein Taschenwärmer!« und strahlte voller Euphorie Hitze in meine Handtasche ab. Das Glück währte nur kurz, denn dann war der Akku leer.
Diese Art von Sorgen ziehen sich wie ein roter Faden durch mein digitales Leben. »Digitalisieren sie ihr Umfeld und Sie können sich um Nöte kümmern, die Sie ohne nicht hätten.« Hätte ich Lust auf künstliche Probleme, könnte ich mir auch einen Freund zulegen.
Ohne Datenabgleich ist es nie passiert
Das Jawbone weigert sich, die Daten mit meiner Fitness-App zu synchronisieren. Schweißgebadet und fassungslos starre ich auf das Armband und der Lauf meines Lebens hat nie stattgefunden, weil er nicht digital erfasst wurde. Wozu mach ich Sport, wenn ich die Daten dazu nicht erfassen kann!
Die neue Surround-Anlage verspricht dir einen Donnerknall wie im Schützengraben. Wäre sicher toll, wenn dieses konstante Phantomrauschen nicht alle Spielfilme eigenständig unterlegen würde. Spannungsrauschen oder fehlende Abschirmung beim Kabelsalat – die Experten streiten sich.
Sämtliche Heizkörper sind nun mit einem digitalen Thermostat ausgestattet, die sich über dein WLan programmieren lässt. Ob wochentags, nachts oder an Feiertagen, zu jeder Zeit immer die perfekte Temperatur ohne manuelles Regulieren. So wurde es versprochen. Nachdem Du zwei Tage gelernt hast, wie du mit deinem Heizkörper kommunizierst, weigert sich dieser nun vollends zu gehorchen. Du betrachtest verträumt die Eisblumen an der Innenseite deiner Scheiben und sehnst dich in die Zeit zurück, in der man einfach Feuer gemacht hatte, wenn einem kalt war.
Zwischendurch findet es der PC lustig, bei einem der vielen Updates (Danke Windows!) in Endlosschleife dieselben zu konfigurieren und den Rechner neu zu starten. Natürlich just an dem Tag, in dem die letzte Rechnung ins Haus flattert, die deine vorbereitete Steuererklärung vervollständigt hätte. Wer braucht schon sofort 2000 Euro vom Staat. Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste.
Selbsthilfegruppe gegen technische Probleme
Gefrustet von deinem digitalen Umfeld, willst Du nur noch vergessen und Entspannen bei einem Film von Amazon Prime. Ein freundlicher Hinweis erscheint auf dem Bildschirm, man solle doch bei anhaltenden Problemen die Hotline kontaktieren, oder es einfach später noch einmal versuchen.
Google ist dein Freund und hilft dir bei all diesen Problemen. Egal, welches ich dort eingab, auf der Suche nach Hilfe schlugen mir Wellen von Fremdwörtern und Worst-Case-Szenarien entgegen. Diese Hilfe verursacht eher eine Schockstarre, statt konkrete Hilfestellung. Gelähmt, wie ein Reh im Scheinwerferlicht, blicke ich abwechselnd besorgt auf mein derzeitiges Problemkind und die geistigen Ergüsse von anderen im Netz zu diesem Thema. Selbstmord wirkt plötzlich wie die Lösung für alles.
Letzte Nacht träumte ich von einer Welt aus Holz und Frottee, in der alle Bewohner über mein Leid nur lachen konnten. Leider wurde ich vorzeitig geweckt, von meinem neuen Tageslichtwecker, der dachte, dass 2 Uhr eine angemessene Zeit zum Aufstehen sei.
Letzte Bearbeitung war am 03.05.2016