Das von Joggern oft belächelte Nordic Walking ist mehr als bloßes Gefuchtel mit ein paar Stöcken. Es ist das beste Vorspiel für jedes verdiente Stück Torte. Ein Selbstversuch von Melanie Messinger.
Wenn Nordic Walking schlank macht, warum sind dann alle die es tun so dick? Das fragte ich mich oft und belächelte die Hausfrauen, die fesch in Tchibo-Sportswear durch die Landschaft stöckelten, um sich danach kollektiv der Belohnungstorte hinzugeben. Man hatte ja immerhin Sport gemacht.
Nun ist es leider so, dass ich nie eine sportliche Person war und mir die Waage in den letzten Jahren langsam aber sicher zu verstehen gab, dass man mit Mitte 30 die Größe 36 nicht halten kann, in dem man Witze über Sport reißt, statt einem nachzugehen. Fast zeitgleich zu dieser Erkenntnis bekam ich ein paar Stöcke geschenkt – welch Ironie.
Danach hatte ich Sie nun ein paar Wochen in einer Ecke des Flures stehen und ich behandelte Sie dabei, wie man eigentlich eine perfekte Bootsfahrt vollführen sollte: Das Wasser bzw. die Stöcke ignorieren und zugleich auf eine elegante Art und Weise wahrnehmen.
Nordic Walking – Da lachen ja die Eichhörnchen
Heute sollte es also soweit sein, dass ich den stoischen Blicken der Stöcke nicht mehr Stand halten konnte und Sie in den Wald ausführte. Im Vorfeld hatte ich mir eine Anleitung bei YouTube angesehen, um nicht unbeholfen zu starten. Man möchte ja kein Gelächter bei den Eichhörnchen provozieren. Was dort so klar und logisch aussah, führte bei meiner tatsächlichen Ausführung zu einem unkoordinierten Herumgestocher. Peinlicherweise auf dem Asphalt, inmitten eines Wohngebietes. Wer also nicht zufällig gerade aus dem Fenster sah und sich fragte, was diese Frau mit den Stöcken dort überhaupt will, der hörte das unrhythmische Klacken meiner ersten Gehversuche und musste sich spätestens dann ein Bild machen. Ich spürte geradezu die mitleidigen Blicke und erwartete jede Sekunde einen Zuruf, ich solle mir doch bitte nicht wehtun, bei dem was ich da gerade tue. Auf dem kurzen Weg zum Wald eignete ich mir tatsächlich so eine Art Rhythmus an, der mich meine Oberarme spüren ließ. Ich hoffte einfach darauf, dass es ein gutes Zeichen war und stakste, nun mit etwas mehr Selbstbewusstsein, in den Wald. Dabei sammelte ich so viel Laub, dass man mich mit der städtischen Reinigung hätte verwechseln können. Einmal verkeilte sich ein Stock zwischen zwei Planken einer kleinen Brücke, sodass ich schon fürchtete einzubrechen. All diesen Widrigkeiten zum Trotz, umrundete ich den kleinen See.
Liebe auf den ersten Tritt?
Dabei traf ich auf den natürlichen Feind eines Nordic Walkers – den Jogger. Statt eines freundlichen guten Morgens, erntete ich nur abschätzige Blicke. Einige wechselten sogar die Straßenseite, nur um keinen ungewollten Blickkontakt herzustellen, der eine Reaktion provozierte. Ich hörte Sie in Gedanken rufen, dass es eine Frechheit sei, ihre Trainingsstrecke zu blockieren mit meinem Stock-Gefuchtel. Hey ich trainiere hier ebenfalls! Kann man genau daran erkennen, dass ich sogar ein bisschen schwitze.
Mein Fazit beinhaltet etwas gemischte Gefühle. Natürlich gibt es keine Endorphin Ausschüttung, wie man sie bei einem Marathon kennt (zumindest vom Hörensagen), aber ich kann mir vorstellen mit etwas Übung bewegt man sich immerhin stressfrei an der frischen Luft und nimmt sicher mehr von seiner Umwelt wahr, als meine Freunde die Scheuklappen-Jogger. Schonender für die Gelenke soll es ebenfalls sein. Ob es nur eine kurze Romanze war, oder ob die Stöcke und ich Freunde fürs Leben werden, muß ich mir nochmal durch den Kopf gehen lassen – am besten bei einem Stück Torte.
Letzte Bearbeitung war am 10.03.2016