Wenn diese Leseratten und Bücherwürmer denken, dass sie mit ihren Schmökern gesünder leben, liegen sie falsch. Der Buchnacken, das Volksleiden von morgen.
Mit überschäumender Arroganz und viel Tamtam zückt die selbst ernannte Elite ihre Bücher aus ihren Handtaschen, Rucksäcken und Men’s Bags. Sie haben nur verachtende Blicke für die Leute übrig, die anstatt zu blättern lieber wischen. Im Zuge der Hysterie um das medientaugliche Phänomen »Handynacken« fanden Bücherwürmer weitere Argumente, um einen übertriebenen Umgang mit Smartphones und Tablets zu verteufeln. Dumm nur, dass die Haltung beim Bücherlesen ebenso fehlerhaft ist. Don’t believe the hype – fürchtet stattdessen den Buchnacken.
Handynacken – Liest Du noch oder kommst Du nicht mehr hoch?
Man kennt das ja. Da kommt ein neues Produkt auf den Markt und wenige Tage später wird in den Medien verkündet, dass die Nutzung nicht nur dumm und mürbe macht, sondern auch schwanger und/oder impotent. Mit derlei selbsterfüllenden Prophezeiungen konnte man beim Smartphone jedoch kaum punkten. Egal, ob es Dir gesundheitsschädliche Strahlen um die Ohren haut, Deine Beziehung ruiniert oder zehn Mal versiffter als Dein Badezimmer ist – Dein Handy bleibt unverzichtbar. Nur eine Meldung hielt sich überraschend wacker in der Presse. Der ominöse Handynacken, der den Krankenkassen mittlerweile die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Erst die Raucher, dann die Rentner – und nun das?! Volkskrankheit Smartphonebandscheibenvorfall.
Nun ist unsere Gesellschaft im Jahre 2015 alles andere als risikofreudig. Demzufolge werden schlechte Emotionen einfach hinfort gejoggt und gepumpt oder einfach nicht in den sozialen Netzwerken hochgeladen. Und da ist auch schon der Knackpunkt: Wellness, Gesundheit und Happiness hat ja ganz viel mit Selbstdarstellung zu tun. Und da niemand in der Öffentlichkeit als plumper Handynacken verschrien sein möchte, greifen neuerdings zahlreiche Leute auf ihre Bücher zurück. Echtes Papier! Raschelndes Umblättern! Verlorene Lesezeichen und Eselsohren! Das hat Stil und ist strahlt vor allem aus, dass man auf seine Gesundheit achtet. Wäre da nicht der fiese Buchnacken.
Buchnacken – Denn Dein Buch ist schwerer als Dein Handy
Bei einer Neigung von ungefähr 45 Grad muss die Halswirbelsäule bis zu 25 Kilogramm stemmen. Jeder, der einmal einen kurzweiligen Roman der Marke Tommy Jaud gelesen hat, wird somit zu einem Kyphose-Kandidaten. Das Argument, dass man auf sein Handy viel länger und intensiver starrt, ist natürlich ausgemachter Unfug. Schließlich schaut man nur auf sein Handy, damit man nicht von anderen Personen angesprochen wird und nicht, weil die Geschehen auf dem Bildschirm so spannend ist – ganz im Gegenteil zu einem Buch. Man erinnere sich doch nur zurück an den Wirbel um Harry Potter und Fifty Shades Of Grey. Da sprach niemand von Buckeln oder sonstigen Gefahren, wie sich zum Beispiel kritisch am Papier zu schneiden.
Ohnehin überzeugt das Handy im direkten Vergleich in vielerlei Hinsicht. Bücher muss man schleppen, Smartphones versammeln Deine Bücher, Songs und Nacktfotos auf einer kleinen Speicherkarte. Ein weiterer Pluspunkt für das Smartphone: man kann damit tatsächlich auch telefonieren. Somit ändert sich die Haltung selbstredend, während man ein Buch noch nie konsumieren konnte, indem man es an sein Ohr hält.
Achtet bei der nächsten Gelegenheit auf dieses lesende Pack. Diese Papierfetischisten, die in ihrer Freizeit wohl liebend gerne abstauben, leben kein Stück gesünder als ihr, meine lieben Smartphone-Junkies. Falls euch dann doch mal euer Nacken plagt: Einfach mehr Selfies machen.
photo: reading by mrhayata, CC 2.0
Letzte Bearbeitung war am 09.03.2016