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Der Tag, an dem Satire in Deutschland verboten wurde

Beitragsbild: Der Tag, an dem Satire in Deutschland verboten wurde

Lache noch, so lange Du kannst. Was wäre, wenn Deutschland ab sofort konsequent Satire in all seinen Formen verbieten würde? Eine Dystopie.

Es war ein trister Montag in einem Bürogebäude jenseits von Herne. Der Kaffeeautomat streikte, Windows nervte mit einem Update und es lag sogar Arbeit auf dem Tisch. Kollege Heuer kam eine Stunde früher, weil er über das Wochenende kaum Ruhe fand. Er installierte Freitag einen obszönen Bildschirmschoner auf dem Rechner von Kollege Schmettler. Fand Heuer unglaublich lustig, wenn lauter Pimmel über den Monitor huschen, während Schmettler mal wieder mit offenen Augen vorm PC einpennt. Vor einer Woche wäre das alles kein Thema gewesen. Doch ab heute ist Satire in Deutschland verboten.

Es muss auch ohne Möpse gehen

Wobei niemand so richtig kapiert hat, was genau unter dem Begriff »Satire« fällt. Die Regierung gab eine unverständliche Ansage, die mehr Fragen aufwarf, als zu beantworten. Sicher ist nur, dass Gedichte, Karikaturen und Musikstücke mit satirischen Inhalten ab sofort und ohne Ausnahme verboten sind. Darüber hinaus haben die einzelnen Länder zusätzlich eigene Spielregeln erklärt, die das Chaos perfektionieren. So sind in Sachsen-Anhalt noch Witze mit rassistischem Inhalt erlaubt, während in Bayern selbst das Tragen eines Kik-Dirndls als Schmähkritik gewertet wird und eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten nach sich ziehen kann.

Wie konnte es dazu kommen? Die Regierung hat im Zuge von Böhmergate Fracksausen bekommen und vorsorglich sämtliche Formen des Witzes gestrichen. Dies soll in drei Phasen umgesetzt werden. Phase Numero Uno unterbindet den Gebrauch von Satire im Allgemeinen. Das bedeutet, dass satirische Magazine wie »Titanic« und »Focus« ab sofort ohne Humor auskommen müssen. Der Pressesprecher der Regierung argumentierte, dass der »Playboy neuerdings auch ohne Möpse auskommt«. Auch musikalische Titel, die mit humoristisch anmutenden Textpassagen daherkommen, sind ab sofort tabu. Dieses Verbot macht kurzum eine gesamte Dekade Musik schlichtweg illegal – nämlich nahezu jeder Song, der in den 90ern Charts-Erfolge feiern durfte. Bleiben noch Karikaturen und Comics, die ab sofort als unverschämte Realitätsverzerrung gewertet werden. Das schließt auch Graffitti-Zeichnungen mit ein, die fortan mit blickdichten Stoff abgedeckt gehören.

Zurecht: LOL gehört verboten

Phase Zwo verbietet sogenannten Comedians, ihren Beruf auf der bisher bekannten Art und Weise auszuüben. Das schließt auch sämtliche TV-Moderator mit ein, die neuerdings von den Öffentlich-Rechtlichen als Satiriker verkauft wurden. Diese Entscheidung bewirkt, dass auch alle Scripted Reality Shows abgesetzt werden – aufgrund von unzumutbarer Realsatire. Auch Castingformate und C-Promi Sendungen wie das »Dschungelcamp« oder »Let’s Dance« werden gestrichen, weil Schadenfreude auch eine Form von ungewollter Satire darstellen kann. Die Regierung wünscht sich eine Umorientierung von einschlägig bekannten Kabarettisten wie Volker Pispers und dieser einen Pussy-Terror-Trulla. Humoristische TV-Formate wie die »heute-Show« wurden durch eine zusätzliche Ausgabe der Nachrichtensendung »heute« ersetzt.

Das ist nicht die einzige Neuerung in der zweiten Phase. Auch in Sachen Kommunikation werden zu lustige Beiträge verboten. Der Gebrauch von fröhlichen und albernen Smileys ist ebenso untersagt wie die Abkürzung LOL. Der Bundesnachrichtendienst filtert mittels modernster Technik sämtliche über das Netz versandte Nachrichten, um sie durch neutrale Grafiken, wie zum Beispiel Einhörner und Regenbögen, zu ersetzen.

Spaß haben auch ohne Humor

Die letzte Phase soll endlich Missverständnisse aus dem Weg räumen. Um dies zu erreichen, werden Ironie und Sarkasmus in Deutschland verboten. Der willkürliche Gebrauch dieser stilprägenden rhetorischen Mittel führt zur Verwirrung oder bezweckt gar gewollte Irreführung und kann bei anderen Personen Frust und Aggressionen auslösen. Darüber hinaus sollen damit auch die deutschen Botschafter entlastet werden, damit sie nicht immer und überall den Staatschefs die Pointen erklären müssen.

Im Zuge dieser massiven Neuerungen erhofft sich die Regierung mit Angela Merkel ein zeitgemäßes Lebensgefühl, welches unsere Bürger vor den Tücken des ewig lockenden Witzes bewahren soll. Nach dem Motto »Humor ist, wenn man trotzdem lacht« erhofft man sich lachende Bürger, die auch ohne Satire ihren Spaß haben.
Um auch die letzten Skeptiker von dem neuen humorbefreiten Lebenskonzept zu überzeugen, wurden dementsprechende Warnungen auf vermeintlich witziges Material gedruckt, die mit den Hinweisen auf Zigarettenschachteln vergleichbar sind. Slogans wie »Haha, sehr lustig. Über andere lachen ist feige und gemein« und »Ein Witz, dessen Pointe man erklären muss, ist kein Witz« sollen die Bürger wachrütteln.

Deutschlands Bürger reagierten zwiegespalten. Den einen blieb das Lachen im Halse stecken, während die Befürworter eine Gruppierung namens »Patriotische Europäer gegen die Veralberung des Abendlandes«, kurz PEGVDA, gründeten. Diese treffen sich jeden Donnerstag, um auch dem letzten Lachsack den Spaß zu verderben. Wie das gelingen soll, ohne dabei unfreiwillig komisch zu wirken, bleibt abzuwarten.


Letzte Bearbeitung war am 17.04.2016
Kategorie: Senf

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Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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