Benutzt du gerne den Filter Inkwell? Einige Wissenschaftler fanden heraus, dass depressive Menschen mit Vorliebe düstere Motive bei Instagram teilen.
Findige Wissenschaftler des Captain-Obvious-Institus (Amazons Mechanical-Turk) haben in einer aktuellen Studie festhalten können, dass depressive Menschen gerne Trauerweiden, nebelige Straßen und leere Teller bei Instagram teilen. Hauptgrund sollen jene düsteren Farbtöne sein, die nur durch die Verwendung des Lieblingsfilters aller Lebensmüden »Inkwell« übertroffen wird. Um solche Beobachtungen analysieren zu können, wurde ein dementsprechender Algorithmus entwickelt. Dieser soll eine Depression im Frühstadium erkennen und hat laut dem Institut eine Erfolgsquote von rund 70 Prozent. Der Rest verstellt sich.
Keine Farbe, keine Freude, keine Follower
Es ist nicht ganz ersichtlich, ob mit dieser Meldung ein Sommerloch gestopft werden sollte. Jedenfalls amüsierte mich die Schlagzeile »Instagram: Algorithmus erkennt Depressionen« dermaßen, dass ich dem Thema ein paar Zeilen widme. So soll mit Hilfe eines ausgeklügelten Algorithmus eine Depression erkennbar sein, wenn ein Instagram-User bevorzugt düstere Bilder in Blau und Grau postet. Wow. Dass jemand, der derzeit eine üble Phase durchsteht, keine hohlen »Inspirational-Quotes« kopiert, ist scheinbar eine herbe Überraschung. Aber nur weil jemand keine bunten Cocktails und – insbesondere jetzt im Sommer-Urlaubs-Loch – keine Schnappschüsse von Sonnenuntergängen postet, sehe ich da keinen Grund, direkt eine Familienpackung Antidepressiva zu verschreiben.
Angeblich depressive Instagrammer sollen bevorzugt Gesichter teilen und hauptsächlich den S/W Filter »Inkwell« einsetzen, um ihre Bilder zu entfärben. Im Gegensatz zu den Usern, die den farbenfrohen »Valencia« Filter nutzen, erhalten die Depris deutlich weniger Likes – was die vorgeworfene Grundstimmung nicht aufmuntern dürfte.
Zeig mir deine Timeline und ich sage dir, wer du bist
Dabei zeigt eine Depression im Internet oft ein vollkommen anderes Gesicht. Im World Wide Web ist es üblich, gewisse »Masken« zu tragen und die eigene Person in ein entsprechendes Licht zu rücken. Wozu sonst all die Selfies, Quotes und GPS-Daten, mit denen angegeben wird? Zig Freunde drängen sich auf das neue Profilbild, geschossen auf Sylt, und die Sonnenbrille samt Peace-Geste sollen auch die letzten Zweifler verstummen lassen. Hier geht die Party ab, hier blüht das volle Leben. Es geht darum, sich bestmöglich darzustellen, wobei das Hauptaugenmerk wenig überraschend auf die Reaktion des Umfelds liegt. Diese Theorie passt irgendwie besser als die neue Studie in Sachen Instagram. Narzissmus und ein verzerrtes Weltbild, anstatt Rückschlüsse auf einige S/W Fotographie zu ziehen. Außerdem könnte der User einfach gerne Heavy-Metal hören oder farbenblind sein.
Ich frage mich, was die Forscher mit diesen Ergebnissen bezwecken wollen. Mit den Ergebnissen sollen Betroffene frühzeitig erkannt werden, um sie dementsprechend … ja, was eigentlich? Erhalten diese dann direkt von der Krankenkasse eine Rechnung für Behandlung und Medikamente? Erhält der Boss zukünftig die AU des Mitarbeiters direkt durch Instagram? Oder möchte Amazon bloß die Käuferzielgruppe noch genauer durchleuchten können? Sollte dem so sein, so werde ich Zukunft nur noch schwarz-weiße Sonnenuntergänge teilen – mit dem Inkwell-Filter und dem Hashtag #sadbuttrue.
Letzte Bearbeitung war am 31.05.2017