Vegetarier haben es schwer. Zum Beispiel muss man erst einmal ein griechisches Restaurant finden, in dem man mehr als nur Vorspeisen bestellen kann.
Der Mensch bevorzugt die Nahrungsaufnahme in Gruppen. Dies wird als gesellig und angenehm gefunden. So ging es mir ebenfalls, bis ich Vegetarier wurde.
Auf die Frage, warum ich kein Fleisch auf dem Teller habe, antworte ich wahrheitsgemäß, dass ich seit ca. zwei Jahren auf Fleisch verzichte. »Woran erkennt man einen Vegetarier? Er erzählt es einem!« Wer es nicht hören möchte, kann auch einfach nicht danach fragen, denke ich. Aber das scheint für die omnivore Mehrheit keine Alternative zu sein. »Dich kann man ja auch nicht mehr zum Grillen einladen!« Das klingt fast so, als würde man nicht mit jemanden in die Kneipe gehen, der keinen Alkohol trinkt.
»Dein Tofu macht die Umwelt kaputt«
Dabei empfinde ich mich selbst als ein harmloses Exemplar der Fleischverzichter. Ich gehe niemanden auf den Keks, warum wieso weshalb ich lieber Gemüse esse. Menschen, die Ihre Essgewohnheiten missionieren wollen, waren mir selbst immer unangenehm. Ich kaue still an meinem Salatblatt und lasse die anderen Ihre Schweinshaxe futtern. Doch dies wird irgendwie als stiller Widerstand im Ghandi-Stil missverstanden und plötzlich rechtfertigen sich die Leute, als hätte ich leise angefangen zu weinen, während ich neben ihnen esse. »Dein Tofu macht die Umwelt kaputt, weil dafür Regenwald abgeholzt wird!« Meist schaue ich wegen eines solches Kommentars nur irritiert bis verwirrt und esse einfach weiter. Eine Diskussion endet sowieso im Nichts, da weder der Ankläger meiner Tofuwurst, noch ich selbst handfeste Statistiken zur Hand habe. Wäre auch etwas albern, einen 20-seitigen Durchschlag einer Statistik aus der Handtasche zu ziehen, wenn eine solche Anschuldigung kommt.
Die Veganer reagieren ebenfalls oft aggressiv auf meinen Essenstil. Da ich ja noch Eier und Milchprodukte verzehre, sei ich mir ja hoffentlich bewusst, dass dafür die Tiere ebenso leiden müssen. Außerdem trage ich ja noch Lederkleidung und das Schmiermittel an meinem Auto sei sicher ebenfalls nicht vegan! »Kunstleder und Bahn fahren, kommt wohl für Madame nicht in Frage, wie?« Leider liebe ich Joghurt und Rührei und habe noch keinen adäquaten Ersatz hierfür gefunden. Und, ich bekenne, ich mag hochwertige Schuhe und Handtaschen aus Leder. In den Augen der Hardcore-Veganer, kann ich dann auch gleich wieder täglich Steaks essen – drei mal täglich. Es erscheint in ihren Augen vergleichbar mit einen Hamster, der zu Kirmesmusik Hochsprung versucht und dabei kläglich scheitert. Der Versuch ist ja ganz niedlich und man kann darüber schmunzeln.
»Wie? Du kaufst kein Bio?«
»Wie? Du kaufst kein Bio? Du bist doch Vegetarier!« Ich kaufe schon Bio, aber wenn ich dort nicht finde auf das ich Lust habe, kaufe ich genmanipuliertes, gespritztes Essen, welches nicht Fairtrade ist. Schuldig im Sinne der Anklage.
Man wird also eigentlich von allen diffamiert, außer von einer gleich-essenden Minderheit. In solchen Augenblicken beneide ich die Fleischesser. Ihr Leben wird nicht mit der Lupe zur Unkenntlichkeit seziert auf Kleidung, Bio-Produkte und Lifestyle. Etwas Toleranz würde unserer Gesellschaft hier wirklich gut tun. Die Freiheit des einen hört immer da auf, wo die Freiheit des anderen anfängt. Da ich niemanden Sellerieschnitzel in den Mund zwinge mit den Worten »Und jetzt noch eine Gabel voll, für die Mama!«, erwarte ich im Gegenzug einfach nur Toleranz. Sonst müsst ihr euch nicht wundern, wenn ihr militante Vegetarier züchtet, die einfach nur wegen jahrelangem Veggi-Mobbing sich irgendwann nackt an die nächste Metzgertür ketten. Natürlich mit Kunstblut und Tiermaske auf.
photo: veggies by shawn allen, cc 2.0
Letzte Bearbeitung war am 11.07.2017