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#VeraFake – Deutschland und die Schadenfreude

Beitragsbild: #VeraFake - Deutschland und die Schadenfreude

Schadenfreude ist die schönste Freude. Das kann man nicht nur bei »Schwiegertochter Gesucht« beobachten, sondern auch am »neuesten Coup« von Böhmermann.

Deutsche lieben Trash. Sie jubeln es in die Höhe, um es dementsprechend fallen zu lassen. An kaum einem anderen Format lässt sich der deutsche Unterhaltungsgeschmack so sehr beobachten wie bei den derzeit typischen TV-Sendungen aus dem Hause RTL. Sei es das ‚Dschungelcamp‘ oder ‚Schwiegertochter gesucht‘ – hier werden aus C-Promis und Muttersöhnchen schillernde Medienstars, über die sich die Meute herrlich das Maul zerreißen kann. Nichts Neues, oder? Weiß eigentlich jeder. Das ZDF Neo Format ‚Neo Magazin Royal‘ mit dem gegenwärtigen Vorzeige-Rebellen Böhmermann war dennoch der Meinung, dass man diese Offensichtlichkeit ruhig noch einmal durchkauen sollte:

»Falls ihr das nach 10 Jahren immer noch nicht verstanden habt: die Kandidaten bei ‚Schwiegertochter gesucht‘ wissen nicht, worauf sie sich da einlassen und verstehen auch nicht, was RTL aus ihnen machen möchte. Nämlich Witzfiguren, auf deren Kosten man sich schön abends als ironischer Asi-Fernsehzuschauer amüsieren kann, um sein eigenes mickriges Selbstwertgefühl etwas aufzupolieren. Es geht nicht um Liebe bei ‚Schwiegertochter gesucht‘ – es geht um’s Geschäft.« Das waren die Worte von Jan Böhmermann bezüglich des eingeschleusten Kandidaten bei dem RTL-Format »Schwiegertochter gesucht«.

Für eine geile Story, geile Quote und geil viel Cash

Als ich diese Meldung und das dazugehörige Echo der Böhmermann-Jünger in den sozialen Medien sah, wunderte ich mich. Seit wann ist das denn etwas Neues, dass die Macher von RTL Personen vor die Kamera zerren, um sie wegen Quote und ertragreicher Werbeminuten bis auf die Knochen zu blamieren? Waren nicht bereits in den 90ern reihenweise Talkshows von morgens bis zum späten Nachmittag zu sehen, in denen genau diese Schadenfreude gepaart mit Voyeurismus zelebriert wurde? Liebe ZDF Neo Redaktion, bzw. lieber Böhmermann, diese Feststellung bringt mich zum Gähnen. Es ist mir zu einfach, zu offensichtlich und eigentlich auch nicht weiter der Rede wert. Wäre da nicht die beunruhigende Reaktion der aufgestachelten Böhmermann-Fans, die nach dem Erdogan-Eklat nun eh jede Regung ihres derzeitigen Helden frenetisch feiern. Dabei hätte seine Ansage auch wie folgt lauten können:
»Falls ihr Zuschauer es nach mehr als 10 Jahren immer noch nicht verstanden habt: ihr wisst nicht, worauf ihr euch da einlässt und versteht auch nicht, was wir Medien aus euch machen möchten. Nämlich Marionetten, auf deren Kosten wir uns schön den ganzen Tag amüsieren können, um unseren Kontostand etwas aufzupolieren. Es geht nicht um Aufklärung, Politik oder gar Satire bei unserem Format – es geht um’s Geschäft.«

Hashtag, wechsle Dich

Dass unter Umständen die gleichen Personen, die seit Jahren ihre Meinung mit dem Hashtag #SchwiegertochterGesucht kundtun nun einfach unter #VeraFake twittern, spielt bei dem »neuesten Coup«, wie manche Medien die Aktion betiteln, wohl keine Rolle. Die Öffentlich-rechtlichen freuen sich, dass sie den schwarzen Peter an RTL weitergeben können. Ein leichtes Opfer, da der Privatsender die furchtbare deutsche Fernsehlandschaft mit Casting-, Dating-, und Dschungelshows maßgeblich geprägt hat. Erfolgreich machte diese Formate nicht der Sender selbst, sondern die Zuschauer. Selber schuld! Deutschland liebt es, sich über andere zu erheben, mit den Zeigefinger auf jemanden zu zeigen. Frei nach dem Motto »WAS MACHST DU DENN DA? WIE PEINLICH! DU BIST EIN VOLLIDIOT UND VERSAGER« formen die einzelnen Sender und ihre Formate unsere Moral- und Wertvorstellungen. Um bei den Shows von RTL zu bleiben, geben diese Sendungen seit Jahren den Ton an, was nun als »asi« gilt. Dauerbrenner wie das Dschungelcamp dominieren schon lange die Schlagzeilen, die am nächsten Morgen zu lesen sind – und auch häufig unsere Gespräche. Es vergeht kaum eine Staffel eines typischen RTL-Formats, welches nicht am nächsten Tag im Büro oder sonstwo angesprochen wird. Ich stelle mir die Frage, ob es nun genau die gleichen Leute sind, die jetzt Böhmermann feiern und zitieren, obwohl sie jahrelang schadenfroh vor dem TV saßen, um Beate scheitern zu sehen.

Schadenfreude: Trashige Trittbrettfahrer

Das Wort »Schadenfreude« gibt es in der englischen Sprache nicht – und wurde wie »Kindergarten« einfach übernommen. Vielleicht ist das ein typisch deutsches Phänomen, sich über andere zu erheben und über diejenigen zu lachen, die Schaden nehmen. Facebook und Co. machen es einfach als je zuvor. Wie gesagt, Deutschland liebt Trash. Anders kann ich mir den Erfolg diverser TV-Formate und Verkaufsschlager wie »Schnappi, das kleine Krokodil« nicht erklären. Wenn ein Deutscher etwas richtig scheiße findet, so kauft und feiert er das anscheinend dennoch. Natürlich immer mit einer ordentlichen Portion Ironie bzw. Sarkasmus, um das – wie war das? – eigene mickrige Selbstwertgefühl etwas aufzupolieren. So verkehrt war diese Ansage bei Neo Magazin Royal gar nicht. Nur geht es dabei nicht nur um die berühmt-berüchtigten Sendungen, sondern eher um die gesamte deutsche Unterhaltungsbranche. Dazu gehören auch Böhmermann und Co. Mit einer ironischen Einstellung kann man sich schützen und gleichzeitig andere abwerten. Wenn RTL ihre Quotenbringer offensichtlich jahrelang verarscht und das ZDF nun den angeblichen Verursacher reinlegt, so ist den Leidtragenden auch nicht geholfen. Im Gegenteil. Das ist pure Trittbrettfahrerei, das sichert nicht nur Beate bzw. Böhmermann die Quote, sondern nährt auch die typisch deutsche Schadenfreude.


Letzte Bearbeitung war am 07.07.2017

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