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Wie das Adblock-Verbot entstand Oder: wie Verleger sich den Brexit und Trump erklären

Beitragsbild: Wie das Adblock-Verbot entstand

Derzeit versuchen einige verbündete Zeitungsverleger die beliebten Adblocker zu verbieten. Wieso eigentlich? Ein Erklärungsversuch.

Den Alltag in einer Zeitungsredaktion stelle ich mir ungefähr so vor: Chefredakteur Zinnstein rennt mit hochrotem Kopf die Gänge auf und ab und murmelt vor sich hin. Sein gequälter Gesichtsausdruck lässt auf Verdauungs- oder Eheprobleme schließen. Die Mitarbeiter trauen sich vor Angst kaum ihre Blicke von ihren Bildschirmen abzuwenden. Plötzlich bleibt der Boss stehen und brüllt Richtung Papst: »Scheiss Internet! Diese verfluchten Leute mit ihren verfickten eigenen Meinungen! WIR sind die Meinungsmacher! Sie MÜSSEN diese uns abkaufen!« Es folgt betroffenes Schweigen, es rollt ein Dornenbusch durchs Bild und die Volontärin lädt einen Video-Mitschnitt der Szene mit dem Titel »Fremdschämen« hoch.

Die Adblocker sind schuld

Klatschreporter Wennemann wittert seine Chance und geht selbstbewusst auf Zinnstein zu, legt ihm seine gebräunte Hand auf die Schulter und sagt: »Wir sollten ein Jugendportal machen. Irgendwas mit Yolo und Pokémons. Voll responsive, damit die Blagen auch mal unseren Shit konsumieren, anstatt selbst auf YouTube zu quatschen.« Zinnstein schüttelt die Hand angewidert von seiner Schulter, als ob ihm Ditto drauf gehopst wäre. »Gehts noch, Wennemann? Wir haben erst letzte Woche drei sogenannte YouTube-Stars eingekauft und nun sollen wir uns wieder einschleimen? Es reicht! Die Jugend von heute hat eh kein Geld. Wir müssen diese verdammten Adblocker loswerden!«

Die versammelte Redaktion schaut irritiert aus der Wäsche und einige schließen heimlich und leise ihre Adblocker-Plugins. »Meinen Sie das ernst?« fragt Frau Hubbelfurth, die täglich die »Hier wird geblitzt« Meldungen formuliert. »Natürlich meine ich das ernst! Wenn die Leute schon alles umsonst haben wollen, so werden wir sie mit aufmerksamkeitsgeiler Werbung quälen und um den Verstand bringen, hahah! Jeder Ungläubige soll von hunderten Pop-ups überrollt werden!« Zinnstein wirkte bisher selten so entschlossen. Höchstens einmal, als wir die WM 2006 nach Deutschland holten.

»Aber wie? Wir können doch nicht einfach … oder doch?« fügt Frau Hubbelfurth zweifelnd hinzu. Sie liebt ihren Adblocker und hat keine Ahnung, wie maßlos überschätzt Edeka-Werbung sein kann. »Und ob wir können. Hallo? Wir haben auch Kachelmann ruiniert, dann schaffen wir so ein Internetdings schon lange! Außerdem habe ich schon meine Kollegen von der Konkurrenz angerufen, die sind alle mit an Bord. Bis auf die Spinner aus Berlin« … Herr Zinnstein schaut triumphierend zuerst in die Gesichter seiner Untertanen und macht spontan ein Selfie. »Für Instagram, ihr wisst schon«.

Meinungsmacher in Eigenregie

Chefredakteur Zinnstein hat auch schon den passenden Aufhänger für sein Vorhaben. Er behauptet einfach, dass Adblocker am Brexit und an dem Ausgang der Trump-Wahl schuld seien. Außerdem besteht der Verdacht, dass Adblock-Programme das Klima zerstören, Trinkwasser vergiften, Justin-Bieber-Songs schreiben und Hitler auf dem Mond verstecken. Zinnstein poltert in einem ersten Entwurf: »Früher war alles besser. Es gab Moral, Anstand und auch nur eine Meinung – nämlich unsere. Wir hatten bislang immer fette Auflagen und waren auf andere nicht angewiesen. Und nun? Der Pöbel denkt, dass sie dank der sozialen Medien sich selbst zu jedem Furz äußern dürfen. Sie stellen uns Zeitungsverleger in Frage. Uns! Diejenigen, die seit Jahren einseitig informieren und dank ordentlicher Lobbyarbeit in den vordersten Reihen kämpfen. Denen werden wir es zeigen …

… wir schieben ihnen einfach die Schuld in die Schuhe. Da können sie noch sehr alternative Fakten und so neumodisches Zeug aus Übersee zum Besten geben. Uns egal! Wir wollen weitermachen wie bisher. Deshalb nieder mit den Adblocker, gebt uns unser verdientes Geld. Wenn die unbedingt Schnickschnack installieren wollen, so sollen sie eine Yahoo-Toolbar runterladen.« Boss Zinnstein ist fertig mit seiner Ansage und winkt nochmal schnell die blitzgescheite Hubbelfurth zu sich: »Und Sie schreiben jetzt mal schön was über Titten, ja? Weltfrauentag ist vorbei!«


Letzte Bearbeitung war am 11.03.2017

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