Nichtschwimmer und stolz darauf. Während andere sich im versifften Freibad um Handtücher kloppen, erfreut sich der Verweigerer der trockenen Zustände.
Ja, ich bin Nichtschwimmer. Drei mögliche Reaktionen sind mir bis heute bekannt. Die erste Gruppe sagt: »Wie kann man nicht schwimmen?? Warst du nie in der Schule, du Opfer?« Die zweite typische Antwort ist etwas harmloser: »Oh, du armer armer Mensch. Du musst eine ganz furchtbare Kindheit durchlebt haben…?!« Bleibt noch zuletzt das hochmotivierte »Ich bring es dir bei, Kleiner.«
Dabei kam ich bisher wunderbar ohne Schwimmen aus. Noch nie habe ich den festen Boden unter meinen Füßen bereut und nutze keine Gelegenheit, mich in jede Pfütze zu schmeißen, die mir begegnete. Auch in Badewannen konnte ich mich bisher zusammmenreißen. Weder war ich dem Ertrinken nahe, noch wagte ich erste zaghafte Interpretationen des Schwimmstils Schmetterling. Nein, es fehlt mir nicht. Als notorischer Nichtschwimmer habe ich einige bittere Erfahrungen kaum machen müssen.
Als Nichtschwimmer in der Chlorhölle
Ein absolutes Horrorszenario ist ein vollgestopftes Freibad. So viele Bikinis kann es gar nicht geben, dass ich mich damit anfreunden möchte! Halbnackte Menschen stapeln sich auf absurd hässlichen Handtüchern; die einen tragen ihre getunten Körper zur Schau, die anderen fühlen sich wie zu Hause. Wenn sie nicht speckig in der Sonne glänzen, dann springen sie in dieses Becken voller Körpersäfte und können aufgrund der eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten höchstens mit den Armen rudern. Wahrscheinlich würde ich als Nichtschwimmer nicht einmal besonders auffallen, doch da ich mich an die Regeln halte, würde man mich im Nichtschwimmerbecken finden. Spätestens da wäre ich die Lachnummer.
Zugegeben, so macht Schwimmen eh keinen Spaß. Einen Pool müsste man haben. Doch dafür fehlen mir die finanziellen Grundvoraussetzungen. Vielleicht könnte ich dem Blödsinn dann sogar etwas abgewinnen. Mit Schwimmflügeln ausgestattet würde ich mit einer Schwimmwurst dahintreiben – in der einen Hand einen sommerlichen Cocktail, in der anderen einen Rettungsring. Keine Horden, die mein schönes klares Wasser versiffen und keine Lästermäuler, die mein Seepferdchen sehen wollen.
Das Leben kam aus dem Wasser
Selbst Fische hatten irgendwann die Nase voll vom Meer und verließen dank Evolution das feuchte Nass. Aktuell fliegen sogar Haie als Tornado durch die Gegend, weil die auch keinen Bock mehr auf ödes Gewässer haben. Warum soll ich zurück? Ergibt doch keinen Sinn. Aber es gibt Menschen, die mir dennoch das Schwimmen beibringen möchten. Sie ertragen es nicht, dass ein Nichtschwimmer vollkommen ausgeglichen auf Badehosen, Wellen und Chlor verzichten kann. So manchmal reizt mich der Gedanke an solche Lehrstunden dann doch. Wie das wohl ablaufen würde? Man schubst mich ins Wasser und – zack – ich kann schwimmen. Das wäre natürlich nur der Fall, wenn ich nicht ertrinke. Aber dann hätte ich diese Schmach wenigstens hinter mir.
Unter uns: bald erreiche die gewiss die Midlife-Crisis. Während meine Geschlechtsgenossen sich für rote Sportwagen und junge Geisteswissenschaftlerinnen entscheiden, werde ich womöglich einen Schwimmkurs besuchen. Wie kann man besser seiner verlorenen Jugend hinterher trauern, als wenn alte Löcher in der Vita stopft. Den Boden unter den Füßen verlieren und sich wieder freier fühlen. Ja, das hätte was. Oder ich kaufe mir eine Yacht auf Pump und posiere auf dem Deck – mit dem sommerlichen Cocktail und dem Rettungsring.
Letzte Bearbeitung war am 03.08.2017