Heute schon dem Herzblatt eine Whatsapp Message geschickt? Dieser und noch weitere Wege, wie man über das Internet Beziehungen ruiniert.
Kurz nach dem Aufwachen erfolgt automatisch der Griff zum Smartphone. Ohne die alltägliche Kontrolle kannst Du nicht in den Tag starten. Jahrelang genügten Kaffee und Nutella, doch nun liegt das Handy vorne. Du gehst Deinen Tagesplan durch; all die Erledigungen, Meetings und Deadlines vor Augen. Doch natürlich schreibst Du auch Deinem Herzblatt. Auf dem Weg ins Badezimmer tippst und wischst Du hastig ein »Guten Morgen Hasi! Hab einen wunderschönen Tag!«. Du weißt zu dem Zeitpunkt, dass diese Nachricht erst in ca. 30 Minuten gelesen wird, da euch eure Tagesabläufe jeweils bekannt sind. Und Du weißt, was Du mit Deinem Gruß signalisieren wolltest. Der oder die Partner/in ist die absolute Priorität. Du denkst zuerst an ihn oder sie, egal wie stressig der Tag werden wird. Eine schöne Vorstellung, aber leider keine Realität. In Wirklichkeit hat das Internet Deine Beziehung schon längst ruiniert.
Beziehungskiller Facebook: Schlimmer als Fremdgehen
Die morgentliche Routine auf dem Weg zum Job oder Amt ist gespickt mit weiteren Zwangshandlungen, die online abgearbeitet werden müssen. Dutzende Einträge auf Facebook müssen gelesen, etliche Fotos bei Instagram begutachtet und haufenweise Nachrichten auf Whatsapp müssen beantwortet werden. Dabei ist die Partnerschaft natürlich nicht mehr im Fokus – das wäre auf der Arbeit auch nicht der Fall. Die Erwartung wäre auch etwas zu hoch gesteckt, wenn man immer (!) an Hasi denken müsste. Egal, welchen Job man ausführt. Bestatter, Psychologin, Frauenarzt.
Es geht nicht darum, dass man der Versuchung unterliegt, über das Internet zu flirten oder gar heimlich bei Tinder zu wischen. Vielmehr ist der schleichende Prozess gemeint, wie das Netz den Umgang innerhalb von Beziehungen negativ beeinflusst. Der Tag beginnt bereits mit völlig unrealistischem Gesülze – wie in diesem Fall »Guten Morgen Hasi! Hab einen wunderschönen Tag!« – welches eventuell völlig emotionslos und automatisch beim morgendlichen Stuhlgang abgehandelt wird, anstatt die kitschige Vorstellung des »ersten Gedanken am Morgen« zu erfüllen. Kurz nach dem Aufstehen herrscht bei Kerlen eh nur die Morgenlatte, deshalb sollte die Damenwelt Textereien von Männern eh nur mit Vorsicht genießen.
Beziehungen fehlt es heutzutage an Konsistenz, an einem gemeinsamen Ziel. Man datet, man textet, man schickt Fotos, Küsschen Küsschen. Die wenigen Male, an denen sich verabredet wird, redet man über den Job und Kram, den man im Internet gesehen hat. Dabei liegt das Smartphone stets griffbereit. Und das Beste daran: Beide haben es schon lange als Normalzustand so akzeptiert.
Beziehungen halten besser durch Stromausfall
Wenn man an den anderen Beziehungskiller schlechthin denkt, das Fremdgehen, erscheint dieser schleichende Prozess auf den ersten Blick vielleicht harmlos. Dieser oft ultimative Vertrauensbruch, mit einer anderen Person intim zu werden, wirkt viel schmerzhafter und zeigt eindeutiger, dass es um die Liebe nicht so gut bestellt ist. Die Frage ist nun, ob diese Distanz, die das Internet in Beziehungen schafft, nicht einen ähnlichen Effekte hat. Natürlich liebst Du Hasi, doch Du verschickst Fotos und Texte, um Bestätigung und Aufmerksamkeit zu erhalten. In diesem an ein Selbstgespräch erinnernden Dialog mit dem Smartphone gibst Du zwar etwas von Dir, doch es geschieht automatisch, völlig ohne Herz. Genauso, wie Du jedes Profilbild von Hasi mit »Gefällt mir« markiert hast. Das muss Liebe sein – im Jahre 2015.
Keine Leidenschaft, keine Aufmerksamkeit, keine Intimität und vor allem keine Kommunikation. Über das Handy zu fragen, wie der Tag war, ist keine Kommunikation. Das ist das genaue Gegenteil von Kommunikation – es sind bedeutungslose Phrasen, die einen anderen Zweck erfüllen, als wahres Interesse am Gegenüber zu signalisieren. Da kann man ja direkt Bilder vom Mittagessen oder halbleeren Gläsern schicken.
»Sei um 18.30 fertig, Hasi. Dann hole ich Dich ab. Wir machen uns einen schönen Abend.« – aber so eine Nachricht wird Hasi nie erhalten. Stattdessen landet nur das übliche Gejammer über das Wetter, die Kollegen und den nächsten Tag auf dem Display. Beide schauen ihre jeweilige Lieblingsserie und fallen zufrieden ins Bett. Natürlich nicht ohne zuvor Facebook zu checken. Beide fühlen sich glücklich in ihrer Beziehung. Zumindest so lange, bis der Strom ausfällt oder beide gemeinsam in den Urlaub fahren und Zeit miteinander verbringen müssen.
Letzte Bearbeitung war am 31.05.2017