Es brauchte erst das Dirndl vom KiK Discounter, bis die Mädels zur Vernunft kamen: Dirndl waren schon immer so sexy wie ein Musikantenstadl auf Viagra.
Die Bayern überzeugten mich noch nie mit deren seltsamen Gehabe. Zum einen verscherbeln sie überteuertes Bier zum Oktoberfest und zum anderen tragen sie voller Stolz ihre spießige Tracht. Diese Allgegenwärtigkeit von Lederhosen und Dirndl erinnern mich sehr stark an diverse Horrorabende meiner Kindheit, als meine Eltern vor dem TV zum Musikantenstadl schunkelten. Nun kam es in der vergangenen Dekade zur unerklärlichen Popularität des Dirndls außerhalb Bayerns; bis tief in den Westen schickte sich die traditionelle Tracht an, die dortigen Schützenfeste und Dorfdiscotheken zu entwerten. Nicht, dass ich den als »Schützenvereinen« getarnten Sauf- und Ballerclubs etwas abgewinnen könnte, aber Dirndl mussten es nun wirklich nicht sein.
Fesche Dirndl aus Pakistan
Diese Zeiten scheinen vorüber. Seit selbst im KiK Discounter Dirndl für schlappe 50 Euro zu ergattern waren und sich diverse Lederhosen auf den Wühltischen im Aldi breit machten, ist es sogar den Bayern zu peinlich. Natürlich sind die superteuren Trachten noch immer unverständlicherweise heiß begehrt, doch gerade die mittellosere jüngere Generation trägt kompromissbereit wieder Jeans. Insgeheim dürfte die Abkehr einige Bayern freuen, denn zuletzt tauchten allerhand sinnfreie Variationen der Tracht auf. Mini-Dirndl, Lack- und Lederdirndl, Leopardendirndl und Auschnitt-bis-zum-Bauchnabel-Dirndl. Anscheinend ist jedes Mittel recht, um sich passend zum Oktoberfest und seinen Varianten außerhalb Bayerns optisch zu ruinieren.
Viele Köche verderben den Brei. Dies trifft auch auf die Marketingsstrategie zum Oktoberfest zu. Nur weil sich die Bayern ständig Waiswuàschd, Brezn und Waisbià reinpfeifen, bedeutet das nicht, dass der Rest der Welt da mitmischen muss. Wir Ausländer können durchaus auf die »O‘ zapft is zum Oktoberfest«-Woche im Discounter der Wahl verzichten. Erst recht bei so einer musikalischen Untermalung.
Lass die Puppen tanzen
Während meiner Recherche in den Weiten des Internets stieß ich auf viele befürwortende Meinungen zum Dirndl. Vorrangig wurde argumentiert, dass kaum ein Kleidungsstück mehr die weibliche Note unterstreichen würde. Ist dem wirklich so? Wenn ich an Feminität bzw. Weiblichkeit denke, kommt mir gewiss keine Tracht in den Sinn. Dirndl, klassisch und nicht auf Trends setzend, erinnern mich viel mehr an Porzellanpuppen, Stefanie Hertel und Akkordeons. Keine Spur vom Sexappeal einer Femme Fatale.
Außerhalb Bayerns ist die Kritik deutlich größer. Dort las ich einiges in der Richtung »Ein Dirndl macht nicht automatisch sexy«. Das wäre ja auch noch abstruser. Funktioniert mit keinem Kleidungsstück der Welt, weder mit Morphsuit noch mit Hello-Kitty-Tanga. Keine Klamotte garantiert Attraktivität und sichert somit Sympathien und Herzen. Auf die Trägerin kommt es an – oder gar auf die Promille. Denn dieser gesamte Hype um die Tracht hat einen hopfigen Beigeschmack. Erschreckend, aber naheliegend: Das Bier auf dem Oktoberfest ist anscheinend immer noch viel zu günstig.
photo: IMG_6058 by Avarty Photos, CC 2.0
Letzte Bearbeitung war am 17.01.2019