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»Denk mal drüber nach« waren seine letzten Worte

Beitragsbild: »Denk mal drüber nach« waren seine letzten Worte

Gerne werden Diskussionen im Web mit Kraftausdrücken und seltsamen Formulierungen geschmückt. Fantastisch ist zum Beispiel die Aufforderung »Denk mal drüber nach« – der verzweifelte Versuch, das Gegenüber bei hitzigen Wortgefechten zu beschwichtigen.

Oder ihre letzten Worte. Für die folgende Story absolut schnuppe. Neulich bestaunte ich einen Eklat in einer Facebook-Gruppe, zu dem Popcorn gut gepasst hätte. Die Emotionen kochten über und einige der Namen beteiligten sich eifrig, ungezähmt – und vor allem unaufgefordert. Kennt man alles.  Dafür gibt es schon lange ein Wort, welches wortwörtlich übersetzt höchst unangenehm klingt: Shitstorm. Wieso und weshalb es jedoch zur gemeinschaftlichen Empörung im Netz kam, soll an dieser Stelle eine untergeordnete Rolle spielen. Was mich beim Lesen der aufgewühlten Statements weitaus mehr faszinierte war eine abschließende Formulierung, die erstaunlich oft genutzt wurde. Denk mal drüber nach. Ein gezogener »Schlussstrich«, ein signalisierendes »Basta« oder eine Drohung, dass die »Schotten dicht gemacht« wurden. Denk mal drüber nach. Das ultimative Fazit, dem nichts mehr hinzuzufügen ist, Widerrede vom Absender unerwünscht.

Eine andere Umschreibung für »Ich habe recht«

Absurd. Jemand drängt mir unaufgefordert eine Meinung auf und ich soll mich folglich damit im stillen Kämmerlein auseinandersetzen? Okay, ausnahmsweise. Denke ich halt mal darüber nach. Bin sogar mittendrin. Wobei ich stark vermute, dass die Aufforderung eher eine Umschreibung für »Schnauze! Ich habe recht!« darstellen soll. Ich stelle mir vor, wie ein solches Verhalten offline funktionieren könnte. Debatten werden erfahrungsgemäß gerne in Küchen und sonstigen Orten der Völlerei geführt – mit einem Getränk in der Hand. Ein Anwesender verschätzt sich maßlos und spuckt auf dem Tiefkühlschrank lehnend seine kontroverse Meinung aus: Ananas auf der Pizza ist voll in Ordnung! Denk mal drüber nach!

Die Menge schweigt und vereinzelt schämt sich jemand etwas fremd. Nicht unbedingt, weil sie im inneren Monolog die Existenz von Ananasstückchen auf ihrem Lieblingskaterfrühstück debattieren sondern weil sie sich wünschten, sie hätten diesen Unfug nie gehört.

Selbstgespräch mit Stoppschild

Stelle sich einer vor, dass diese rhetorische Nullnummer in der Politik ihren Einsatz findet! Eine Diätenerhöhung ist voll und ganz angebracht, da Politiker ebenso voll und ganz dahinter stehen. Denk doch mal darüber nach!

Die einen übernehmen das Denken, die anderen das Reden. Besonders in besagten Facebook-Gruppen wird hinsichtlich des Denkens scheinbar eine Art Outsourcing betrieben. Diskussionen über digitale Kanäle sind mühselig, da sie eigentlich mehr einem Selbstgespräch denn einem Dialog gleichen. Meinung hin oder her, Statements werden häufig spontan und ohne große Überlegung ins Netz geworfen. Besonders wenn ein ordentlicher Schuss Weißglut als Treibstoff für die Meinungsäußerung dient, möchte man ein »Ja, aber …« weder hören noch lesen. DENK MAL DRÜBER NACH ist somit ein Stoppschild für all jene, die noch ein Argument in petto haben. Lass es stecken, sondern denke mal drüber nach. Worüber auch immer. Zum Beispiel, dass man sich Diskussionen im Web schenken könnte … schließlich sind sie nur halb so schlimm wie Ananas auf ’ner Pizza.

Photo credit: Matt From London on VisualHunt.com / CC BY

Letzte Bearbeitung war am 06.10.2020

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