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#hatespeech: Ich bitte um mehr Hass! Wie ich durch den Zeigefinger mehr Aufmerksamkeit erhaschen kann

Beitragsbild: #hatespeech: Ich bitte um mehr Hass!

Satire darf alles. Doch was geschieht, wenn sich etwas als Satire ausgibt, doch in Wirklichkeit nur #hatespeech darstellt? Über freie Meinungsäußerungen, Marketing und angesagten Hass.

Heute schon gehasst? Ich gehe davon aus, dass die meisten Leser dieser Seite »Miesepeters« mit satirischen Texten (überwiegend verfasst in der Fremdsprache »Ironie«) erst kürzlich ein erfüllendes Hassgefühl zelebrieren durften. Sei es der überfüllte Zug (»Scheiß Bahn!«), das verspätete Amazonpaket (»Scheiß Lieferdienst!«) oder der Stau auf der A40 (»Scheiß Feierabendverkehr!«).

Und alle so: #hatespeech

Nun ist das so, dass dieser Blog – seit Ende 2014 online – mittlerweile mehr als 75.000 Seitenaufrufe verbuchen konnte. Nett, aber da geht doch gewiss noch mehr. Als mögliche Marketingstrategie kam mir die Idee, eine saftige Hassrede (Unwort-Kandidat »#hatespeech«) zu verfassen, um diesem Ratgeber für Schwarzmalerei noch mehr Auftrieb zu verschaffen. Ich meine, wenn hier etwas thematisiert werden kann, dann ist das doch Hass per se, laut Wiki die »sehr starke und tiefe Abneigung gegen Menschen oder bestimmte Zustände«.

Die Amadeu Antonio Stiftung macht es mir einfach. Auf deren Webseite wird aufgelistet, wie #hatespeech oder Onlinehetze erkannt werden kann. Unter der URL »Rassistische Hetze gegen Flüchtlinge überhaupt erkennen« wird unter anderem davor gewarnt, dass rassistische Hetze auch als Satire oder Humor getarnt oder »im Nachhinein als Ausrede« benutzt wird, nach dem Motto »es sei ja nur witzig gemeint gewesen«. Selbstredend möchte ich mich und den gesamten Inhalt dieses satirischen Blogs von rassistischer Hetze distanzieren. Aber das Satire ein trojanisches Pferd für fragwürdiges Gedankengut darstellen kann, empfinde ich als übertriebene Verallgemeinerung. Populäre Portale wie »Der Postillon« müssten sich ja dann bei Beiträgen wie »AfD bei 20,8%: Mecklenburg-Vorpommerns Ausländer erwägt wegzuziehen« warm anziehen.

Hass ist sexy

Ich behaupte frei von der Leber weg, dass Onlinehetze und Hassreden sich nicht nur um das Thema Rassismus drehen müssen. Bei einem Kommentar oder Beitrag, der beispielsweise gegen Bevölkerungsgruppen (ein sogenanntes »Hassposting«) gerichtet ist, gehe ich von dem Zweck aus, Aufmerksamkeit zu erlangen. Warum das nicht für billige Publicity nutzen? Ich könnte demzufolge an dieser Stelle diffamierende Beurteilungen gewisser Personen oder Alltäglichkeiten runterleiern, bis mir die Maas’sche Task-Force gegen Hassbotschaften auf den Zahn fühlt.

»Ich habe nicht schlafen können, ich habe die ganze Nacht gehaßt.«
– Otto von Bismarck

Nie war Hass angesagter. Den sozialen Medien sei es verdankt. Postet zum Beispiel ein Kopf der Freundesliste einen Schnappschuss einiger Lackschaden an seinem Auto, so wird es bestimmt nicht mit »Wie geil ist das denn? Ich freue mich jetzt schon auf die Rechnung der Werkstatt!« übertiteln. Facebook und wie sie alle heißen werden schließlich hauptsächlich dazu genutzt, um Meinungen und Erlebnisse persönlicher Art zu teilen. Dass diese zwangsläufig nicht positiv in Form von Abendessen, Urlaub und Katzenbildern auftauchen müssen, dürfte jedem Nutzer mit Realitätsbezug einleuchten. Den Rest besorgen die Medien und deren beliebteste Formate. Sei es Trash-TV, wo es eh nur ums Messen geht (siehe Wettbewerbe wie »Frauentausch« und das »Dschungelcamp«) oder die alltäglichen Talkrunden: hier soll ja nicht gezeigt werden, wie lieb sich alle haben. Sondern um Kontroversen, um Sieger und Verlierer – sonst würden die Formate nicht existieren.

Ob nun direkt von »Hass« die Rede sein kann, wenn negative Äußerungen öffentlich gemacht werden, mag zur Diskussion stehen. Jedoch ist es doch nahezu normal und menschlich, wenn man sich über Menschen und bestimmte Zustände aufregt und starke Abneigungen entwickelt. Politiker und Journalisten machen es ja auch. Man denke da an den Stinkefinger von Sigmar Gabriel.

Like meinen Hass

Nun aber zu meiner Marketingstrategie. Da ich dank der oben genannten Auflistung ziemlich genau einschätzen kann, worauf die Internetwächter achten werden, kann ich den Traffic möglicherweise absurd in die Höhe treiben. Ihr macht Auflagen, Einschaltquoten und Likes? Ich mache nur Spaß. Die weiter oben verlinkte Auflistung der Amadeu Antonio Stiftung soll meine Vorlage sein.

Wir Satiriker und Blogger, freuen uns über die Leser. Ist doch kein Wunder, dass alle Schreiberlinge sich über so viel Resonanz freuen. Schließlich eignet sich Satire großartig dafür, auf gesamtgesellschaftliche Probleme mit Hilfe von gezielten Übertreibungen zu verweisen. Hilfreich zum Zweck des satirischen Kommentars sind abwertende Bezeichnungen, die auch bewusst eingesetzt werden können – wie es die BILD Zeitung gerne mal vormacht. Doch von rassistischen Äußerungen nehmen wir Abstand. Denn »Die passen einfach nicht zu uns«.

Stoppen wir an dieser Stelle. Mir ist bewusst, dass ich am Thema vorbeischieße, da es bei dem Vorhaben der Task Force primär um die Unterbindung von rassistisch motivierten Kommentaren geht und nicht um die allgemeine Äußerung – zumal das angeführte Beispiel nicht einmal hasserfüllt ist. Doch was soll die Unterbindung bringen, wenn auf so ein Verbot nur weiterer Hass folgt? Als ob jemand, der einen Polizisten aufgrund eines Knöllchens als »Wichtelmann« bezeichnet und ca. 1.000 EUR blechen muss, den Hass wegen der Strafe ablegt. Das könnte ein Eigentor geben, wie es schon längst auf verschiedenen Portalen besprochen wird.

Shitstürme noch und nöcher

Es ist ja nur gut gemeint. Gegenüber der teilweise lästigen freien Meinungsäußerung ist nun mal kein Kraut gewachsen. Ich wünsche mir nur, dass allgemein stärker differenziert wird. Es ist nicht okay, wenn sich Rechtspopulisten ironisch aus der Affäre ziehen wollen.

Die sozialen Medien und Blogs zu durchforsten, um #hatespeech anzuklagen ist eine Geschichte. Doch sollte zusätzlich auch vor der eigenen Haustüre gekehrt werden, wenn zum Beispiel (ich weiß, das Beispiel ist etwas an den Haaren herbeigezogen) ein populärer Rapper wie Bushido, der ja bekanntlich mit schwulen- und frauenfeindlichen Texten Karriere machte, den Fernsehpreis der Hubert Burda Media (Bunte, Focus, Super Illu) namens »Bambi« verliehen bekommt … kann ich nicht nachvollziehen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, das ist klar. Aber gebt den Affen keinen Zucker.

Ach ja, da fällt mir noch ein Facebook-Post einer Userin in einer lokalen Gruppe von heute mittag ein, welche auch ein wenig in die Richtung #hatespeech geht. Ich zitiere: »Mal ehrlich Leute! WAS stimmt denn mit Euch nicht??? Wie kann man den See nur soooo vermüllen? Ihr seid widerlich!«
Task Force? Bitte übernehmen Sie.

Bild: Pixabay.de, CC0


Letzte Bearbeitung war am 06.10.2020

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