Egal, ob die schrägsten Schlagzeilen der Regenbogenpresse oder die neuesten Instagram-Ausfälle irgendwelcher C-Promis – Deutschland liebt und feiert seinen Trash. Das muss aufhören.
Am 14. September 1992 wurde im deutschen TV ein neues Zeitalter eingeleitet. Hans Meiser lud zum Nachmittagstalk ein, ein Sendeformat in denen ein halbes Dutzend Menschen eingeladen wurden, um über ein bestimmtes Thema zu reden. Das Format war dermaßen erfolgreich, dass es übertrieben viele Nachahmer gab. Die Fernsehlandschaft war von morgens bis zum frühen Nachmittag vollgestopft mit Bärbel, Arabella, Oliver und Johannes.
Trash-Kultur: Profitabel und länger haltbar als Plastikmüll
Am 29. September 1999 wurde Oliver Pocher im Rahmen der Sendung »Hans macht dich zum VIVA-Star« entdeckt. Ein Jahr später wurde die erste Folge von Big Brother ausgestrahlt. 2002 folgte DSDS und noch einmal zwei Jahre später das Dschungelcamp. Nahezu 20 Jahre Trash. Auch wenn ein Großteil der genannten Formate bei RTL ausgestrahlt wurde, stehen die Konkurrenten in Sachen Schrott-TV mit Wegwerf-Charakteren in keinerlei Hinsicht nach. Viele Formate laufen bis heute noch – erfolgreich.
Nicht nur im TV wurde die Verehrung für Müll geboren. Die Musikbranche in Deutschland florierte und bot seinerzeit holländischen Eurodance gegen zukünftige Kult-Alben wie »Nevermind« und »Enter the Wu-Tang«. 1995 wurde die deutsche Boyband »Bed and Breakfast« gegründet. Sie gilt als die erste und auch erfolgreichste Boygroup Deutschlands. Daniel Aminati, heute noch das Gesicht der TV-Sendung »Galileo«, stieg 1996 aus. Wer heutzutage das Radio einschaltet, wird meist mit einer Mischung aus Nostalgie (Stichwort Eurodance) und deutschsprachigen Hip Hop der Art beglückt, der 2003 durch die Single »Mein Block« auf sich aufmerksam machte und bis heute populär bleibt. Am 9. August 2004 wurde die Single »Arschficksong« veröffentlicht. Als solche erreichte es Platz 63 der deutschen Singlecharts.
Reine Schadenfreude, die als Ironie empfunden wird
Vielen in meinem Umfeld schauen Trash-TV ironisch. Aus Neugier, Langeweile, zur Unterhaltung. Bei manchen Formaten wie dem Bachelor oder GNTM wird sogar via Twitter mitgefiebert und geschimpft, während die gesamte Familie sich über die Eskapaden in »Tropical Island« amüsiert. Klassische Trash-Formate wie »Frauentausch« laufen noch, werden eingeschaltet, wenn man auf Krawall gebürstet ist. Vielleicht wurde zur Einstimmung eine 90er-Playlist bei Spotify rauf und runter gehört.
20 Jahre Trash und kein Ende. Wir füllen unsere Freizeit mit Wegwerfprodukten und feiern Müll. Marrion Farrely ist eine Produzentin von Reality-TV Formaten aus den USA und gab in einem Interview bekannt, dass sie den Teilnehmern der Shows vorab klärende Worte mit auf den Weg gibt; sie nennt es selbst den talk of doom. Darin heißt es u.a.: »Ihr werdet berühmt sein. Zu berühmt für euren Job, aber nicht berühmt genug, um davon leben zu können. Das bedeutet, ihr werdet zwei Jahre lang arbeitslos sein. Bist Du ein Mann? Dann will Dich jeder andere Mann herausfordern. Bist Du eine Frau? Dann will Dich niemand mehr daten. Ohnehin wird sich jeder Ex-Lover melden, um ein vergangenes Techtelmechtel aufzukochen. Du denkst, man wird dich wiedererkennen und lieben, doch man wird mit dem Finger auf Dich zeigen und sagen: Hey, das ist das doch dieser Idiot aus dem TV.«
Solange wir gewisse Medien dafür belohnen, dass sie uns täglich mit Abfall bedienen, wird sich das nicht ändern. Klickt keine schrottigen Schlagzeilen an, teilt keine idiotischen Blamagen, die im Privatfernsehen liefen. Sonst kommen die TV-Sender und Ramschblätter der Regenbogenpresse niemals auf die Idee, dass auch mit anderen Inhalten oder gar Qualität Gewinne erzeugt werden können.
Bild von S. Hermann & F. Richter auf PixabayLetzte Bearbeitung war am 06.10.2020