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Mein Vorschlag für ein »Taxi Driver« Remake

Beitragsbild: Mein Vorschlag für ein »Taxi Driver« Remake

Zum Glück ist nicht jeder Film für ein Remake geeignet. Kommt es aber irgendwann doch zu einer Neuverfilmung von Taxi Driver, wäre das hier mein gewagter Vorschlag.

Saxofonsound, versiffte Rückbänke und seltsame Frisuren sind womöglich nicht jedermanns Sache. Ich für meinen Teil aber liebe »Taxi Driver«, ein Film ganz nach meinem Geschmack. Sei es die depressive Grundstimmung oder das verhunzte Date im Pornokino, kaum ein Streifen spricht den Misanthropen in mir so treffend an wie der Klassiker von Regisseur Martin Scorsese. Ich sollte dankbar dafür sein, dass Hollywood bislang nicht ernsthaft in Erwägung zog, ein Remake zu drehen. Oder gar eine Serie über Travis Bickles Tage in Vietnam (»Buckkle up, Bickle!«) auf die Beine zu stellen. Schlimmer wäre nur noch ein YouTube-Channel mit dem Namen »You talking to me?«, auf dem New Yorker Taxifahrer zum Friseur geschickt werden.

Irgendwas mit Medien

Sollte die Vernunft eines Tages am Ende und wider Erwarten ein Neuauflage gefragt sein, möchte ich jedoch ein paar meiner Ideen beisteuern. Obwohl bei meinen Überlegungen kein kompletter Entwurf eines Drehbuchs zustande kam, habe ich dennoch zahlreiche Einfälle, um den Plot an die heutige Zeit anzupassen. Um einen Vergleich zur originalen Handlung zu vereinfachen, orientierte ich mich an dem Wikipedia-Eintrag zum Film »Taxi Driver«. Der vielleicht gewagteste Vorschlag meinerseits ist ein neuer Titel für eine Remake: »Irgendwas mit Medien«. Denn welcher unserer bequemen Studenten will heutzutage noch am Steuer eines Taxis sitzen? Statt dem jazzigen Soundtrack wäre ich für einen futuristischen Jammertalsoundtrack, eingespielt von Andy Stott, Tim Hecker oder Forest Swords.

Fangen wir mit den Basics an. Meine Vision vom neuen Taxi Driver spielt in Berlin im Jahr 2018. Der unter ADHS leidende 29-jährige Finn Friedmann übernimmt einen Job als Mobile Marketing Manager (MMM) in einer typischen Agentur. Beim Bewerbungsgespräch gibt er an, in jedem noch so absurden sozialen Netzwerk (z.B. Ello, MySpace, StudiVZ) angemeldet und sogar mal für 15 Minuten Influencer gewesen zu sein. Er ist bereit, jederzeit unbezahlte Überstunden einzulegen und bei Bedarf sogar die Obstschale im Büro zu füllen. Aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung postet er vorwiegend aufdringliche Werbekampagnen und Banner, die beim Surfen im Web den letzten Nerv rauben. Nachts bastelt Finn zwielichtige Kampagnen, die auf externe Shops führen und löscht undankbare »Danke, Merkel« Kommentare bei FB. Die Gesamtsituation fuckt ihn ab. Er ist der Ansicht, dass sich im Netz zu viele Hipster, Hater und übertrieben viele Katzenfotos befinden, die beseitigt gehören. Um sich abzulenken, besucht er in seiner Freizeit ein Fitness-Studio oder macht Fotos von seinem Essen. Im Grunde ist er einsam; zwar ist er Mitglied in sieben WhatsApp-Gruppen, aber schreibt so gut wie nie was.

Zu viele Hipster, Hater und Katzenfotos

Nun ist es im originalen Taxi Driver Film so, dass er sich unsterblich in eine Wahlkampfhelferin namens Betsy verguckt. In meiner Fassung hat sie immer noch keinen richtigen Job, aber sie heißt Ann-Sophie und unterstützt ausgerechnet die FDP. Nichtsdestotrotz mag er ihre Grübchen, sodass er sie auf die Venus einlädt. Sie willigt ein, doch ist sie spätestens an der Kasse extrem empört, weil sie zwar liberal eingestellt ist, aber halt nicht SO liberal. Finn verharmlost die Porno-Messe und verspricht, dass »alle Paare irgendwann auf der Venus landen«. Ann-Sophie gibt nach und folgt Finn an Dildos und Liebesschaukeln vorbei in das Getümmel, doch bekommt Panikattacken, als sie an einem Stand namens »Gloryhole« ankommen. Sie löscht Finn kommentarlos von ihrer Freundesliste und sucht das Weite. Finn Friedmann geht ebenfalls gefrustet heim und schickt ihr zu später Stunde ein paar verstörende Sprachnachrichten, die ihm bereits nach wenigen Minuten peinlich sind. Auf zwei blaue Häkchen wartet er vergebens.

Wenn alle Stricke reißen: Flashmob

Abgefuckt vom Alltag und seiner nerdigen Wohnung vollgestopft mit Star-Wars-Kram sucht er Halt und Hoffnung im Deep Web. Leider findet er nur Drogen, Furry-Porn und Waffen. Die meisten Knarren kennt er durch Ego-Shooter seiner Playstation, doch im Herzen ist er Pazifist. Stattdessen besucht er auf Ann-Sophie hoffend einige Veranstaltungen der FDP und kommt sogar mit Christian Lindner ins Gespräch. Friedmann behauptet, dass er die letzte Wahlkampagne super fand, um Lindners Sympathie zu ergaunern. Dieser ist mäßig begeistert und fragt Finn aus Verlegenheit bzw. Langeweile, was sich in der Politik ändern müsse. »Zu viele Katzenfotos« ist seine Antwort.

Nächste Szene: Finn Friedmann sieht ein junges Mädchen, welches für Instagram aufreizende Posen macht. Ein Typ, der ein Handy halten kann und sich somit für einen Fotografen hält, schießt von dem Möchtegernmodel ein Foto nach dem anderen. Finn spricht die junge Dame an, ihr Name ist Leonie. Gerade als er ihr seine Fotos vom letzten Mittagessen zeigen möchte, mischt sich der Fotoheini ein. »Wenn du kein Sponsor bist, kannste direkt ’ne Biege machen, du Pfeife«, schimpft er. Das nervt Friedmann so kolossal, dass er Rache-Flashmob in Erwägung zieht, um alle zukünftigen Fotosessions des Typen zu sabotieren.

»Sprichst du mit mir?«

Wie es der Zufall so will, läuft ihm kurz darauf Leonie erneut über den Weg, weil sie zufällig im selben Fitness-Studio angemeldet sind. Finns Beschützerinstinkt erwacht und er redet auf sie ein, dass sie doch erst einmal eine Ausbildung machen sollte, anstatt sich halbnackt mit Hashtags zu zeigen. Leonie winkt ab: »Nein, ich liebe meine Follower! Aber du kannst mir eine Freundschaftsanfrage schicken!« Finn Friedmann lässt sie kommentarlos stehen und muss sich eingestehen, dass in seinem Leben eine unüberwindbare Leere herrscht, die der er nicht mit Werbebannern, sozialen Medien und Proteinshakes füllen kann. Verzweifelt greift er nach seinem Smartphone um mechanisch nach Impulsen zu scrollen. Überall nur Hipster, Hatespeech und hässliche Katzen. Als er gerade aufgeben will, erblickt er jedoch eine neue Meldung über die aktuellste Absurdität des US-Präsidenten Trump. Da wittert Finn Friedmanns seine Chance.

Er packt all seinen Mut und legt sich einen finalen Plan zurecht. Finn will den perfekten Tweet verfassen, auf den sogar Trump reagieren würde. Er würde ihn so richtig vorführen, von der Frisur an bis zur lächerlichen orangen Hauttönung. Die Welt soll Friedmanns Namen feiern, der Mann, der Trump mundtot gemacht hat. Hashtags wie #FriedmanFTW und #TrumpWho? sollen in aller Munde sein. Ann-Sophie gründet eine Finn-Partei und Leonie sponsort diese. Um sich vorzubereiten, stellt er sich vor einen Spiegel und versucht sich an einem bedrohlichen Blick. Finster sagt er: »Sprichst du mit mir? SPRICHST DU MIT MIR?« »Ich verstehe leider nicht, was du meinst. Möchtest du deine Frage wiederholen?« antwortet Siri. Ende.

Photo credit: esquizoide on VisualHunt.com / CC BY


Letzte Bearbeitung war am 06.10.2020
Kategorie: Senf

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Notorischer Schwarzmaler und Weltmeister im »Böse gucken«. Geboren am Niederrhein, verdorben durch den Rest der Welt. Mag Pandas, verabscheut Pendeln. Kontakt: Facebook, Twitter oder Email.

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