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Warten auf die Midlife-Crisis

Titel: Warten auf die Midlife-Crisis

Ist die Midlife-Crisis bereits da oder kommt sie noch? Auch wenn böse Zungen sagen, sie wäre bereits da, hocke ich wartend auf der Bank.

Es fällt mir schwer, mehr als fünf Minuten auf die S-Bahn zu warten. Dass ich bereits geschlagene 40 Jahre auf die lang angekündigte Midlife-Crisis warte, gleicht somit einer bodenlosen Frechheit. Bereits seit zwei Dekaden versuchen mir gehässige Zeitgenossen den Lebensmut zu rauben, indem sie mir die Nachteile des Älterwerdens aufzählen. Depressionen, Haarausfall, noch mehr Wampe, roter Sportwagen als Penisersatz, Sehnsucht nach Laura Müller und ein verstörender Zwang, zur Schlager-Musik im Takt zu klatschen.

Ab 40 mit einem Bein im Altersheim

Die magische 40 stärkte scheinbar den Wunsch für Beleidigungen. Streng genommen fing es bereits mit 30 an, als ich »auf die 40 zuging«. Die geballten Klischees holten mich ein, Widerstand zwecklos. Sobald meine müden Knochen beim Aufstehen knackten, wurden noch müdere Witze gerissen. »Habe Dir bereits ein Bett im Altersheim gesichert, höhö« und ähnliche Schenkelklopfer, die bei jeder Büttenrede für tobendes Gelächter auslösen würden.

Es wird einem leicht gemacht, sich alt zu fühlen. Man braucht nur eine halbe Stunde Radio hören, um festzustellen, dass die Veröffentlichung des einen oder anderen Lieblingssongs bereits 20 (!) Jahre her sein kann. Everyboooooooody. Rock. Your. Body. right. Da fällt mir ein: ich sollte vielleicht ICQ deinstallieren. Das benutzt doch wirklich niemand mehr, oder?

Die Midlife-Crisis als Markt

Was ist, wenn ich die Midlife-Crisis verpasst habe? Oder noch schlimmer: wenn ich sie bereits hinter mir habe? Stecke ich bereits in der Endlife-Crisis? The Walking Dead? Dabei kann ich keinerlei Endzeitstimmung bezüglich meiner Person feststellen – abgesehen von dem Knick-Knack-Soundtrack meiner Knochen. Vielleicht kommt sie auch nie? Warten auf Godot, warten auf die große Krise.

Das Bild des kaputten Mannes im mittleren Alter ist kein Klischee mehr, sondern eine gefühlte Wahrheit. Längst gibt es für Männer über 40 einen Markt, damit die Ausweglosigkeit und Tristresse mit Shopping bewältigt werden kann. Sollte der bekannte rote Sportwagen nicht ausreichen, so könnte eventuell ein Kochbuch für Männer in der Krise helfen. Oder Viagra.

Lass knacken, Alter

Manchmal wirken die böse Worte nach. Dann frage ich mich: »Bin ich nicht zu alt dafür?« Ein Blick auf meinen Bauch (»Dadbod«) könnte diese Annahme bestätigen. Doch möchte ich weiterhin verneinen. Sicherlich gab und gibt es Krisen, doch sind diese altersunabhängig. Ich blicke zurück auf schwierige Zeiten und auf Glücksmomente, warum soll das nicht auch für morgen gelten? Selbst wenn alle Stricke reißen, kann ich jede Krise kontern: mit dem Best-of meiner knackenden Knochen-Sounds. Everybooooody.

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Letzte Bearbeitung war am 28.09.2020

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