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Wie mich ein Staubsauger-Roboter aus der Wohnung jagte Die künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch - leise und saugend

Beitragsbild: Wie ein Staubsauger-Roboter mich aus der Wohnung jagte

Schon mal von der Technik Schachmatt gesetzt worden? Ich für meinen Teil bin nun erst einmal bedient. Ein Saugroboter vertrieb mich jüngst aus meiner Bleibe.

Was habe ich jüngst über diese irre Meldung auf golem.de gelacht: »Mann kämpft elf Stunden gegen smarten Wasserkocher« – LOL! Wenige Tage später wurde ich selbst zum Opfer meines frisch erstandenen Staubsauger-Roboters und fand mich gnadenlos besiegt. Doch fangen wir von vorne an.

Am Anfang war Pong

Ich bin Ende der 70er geboren. Das bedeutet, dass ich die ersten zaghaften Entwicklungen von künstlicher Intelligenz mitverfolgen konnte. So saßen wir Schuljungen vor dem C64 und staunten bei Games mit Sprachausgabe Bauklötze. Was die Jahre danach folgte, brauche ich niemanden mehr erzählen. Navigatoren lotsen uns zum Bewerbungsgespräch, Roboter liefern unsere Bestellungen und via Smartphone betreiben wir widerlichen Dirty Talk mit Siri. Im selben Atemzug wird stets die Verwertung unserer Daten genannt. In der letzten Dekade haben mich Themen wie Datenmissbrauch zwar interessiert, aber dennoch nie so stark beunruhigt, dass ich mich endgültig von Facebook und Google trennte. Dafür klebe ich meine Webcam ab. Ihr dürft mein Mittagessen sehen, aber niemals meinen nackten Arsch.

Neben der technischen Entwicklung wurde mir dank Hollywood mehrfach zu verstehen gegeben, wie gefährlich künstliche Intelligenz sein kann. Etliche Filme zeichneten damals ein leicht abgewandeltes Bild der Zukunft; es wurden Hoverboards versprochen und – wie wir heute wissen – zum Beispiel die Tablets aus Kubricks 2001: A Space Odyssey zum festen Bestandteil jeder Sushi-Bestellung. Apropos 2001. Dieser Film aus dem Jahr 1968 zeigt den Oberschurken schlechthin: eine künstliche Intelligenz, bedrohlich rot, mit dem verheißungsvollen Namen HAL 9000. Eindeutig das Vorbild für meinen anfangs erwähnten Staubsauger-Roboter.

»Okay, Robosauger!«

Es war ein sogenannter lazy sunday, als mir die Unordnung in meiner Bude auffiel. Meine unverschämte Faulheit begünstigte die Vermehrung von Wollmäusen, sodass ich am nächsten Tag in den Laden stiefelte, um mir einen topmodernen Saugroboter zu kaufen. Normalerweise hätte ich mir das Ding via Amazon ins Haus liefern lassen, aber die ausgespuckten Suchergebnisse (»Schraub und Saug Twist and Suck – 10,20 EUR«) bremsten meine Motivation. Ein solcher Saugroboter ist der Traum aller faulen Hausmänner und Katzen. Man kann weiterhin Netflix-Serien schauen, während der Roboter die Drecksarbeit macht.

Als ich das Modell mit der lässigen Bezeichnung »chill« auf dem Boden platzierte, wurde mir schon ein wenig anders. Am Vorabend hatte ich den Sci-Fi Thriller Ex Machina gesehen; ein britischer Streifen, in dem eine künstliche Intelligenz mit weiblichen Kurven jeden Menge Ärger verursacht. Zum Glück gleicht der Staubroboter eher einem stylischen Waffeleisen denn einer Cyborg-Blondine. Es soll ja mittlerweile Exemplare geben, die auf Sprachsteuerung reagieren. Dieser Gedanke löst weiterhin Unbehagen aus. Man kann dem Ding zwar Anweisungen wie »Okay, Robosauger! Schlürf mal das Bad sauber!« geben, aber was passiert, wenn es irgendwann (dank lernfähiger künstlicher Intelligenz) Antworten gibt, die mir gar nicht passen? So etwas wie »Schon wieder? Was bist du nur ein Drecksspatz!«. Im schlimmsten Fall stellt das Scheißteil noch einen Video-Anruf zu meiner Mutter her, die sich dank eingebauter Webcam auch nochmal herrlich über meine fehlenden Hygiene aufregen kann.

Zugestaubt in der Matrix

Mein Misstrauen wuchs mit der Sauberkeit. Kein Mensch würde je so gründlich sein! Desto weniger Staub zu sehen war, umso klarer konnte ich den Ernst der Situation erkennen. Diese saugende Waffeleisen stellte nur die Vorhut einer hochintelligenten technischen Revolution dar, die uns Menschen (wie in Terminator) irgendwann mit unerklärlichen Zeitsprüngen und Handlungssträngen (like I said … wie in Terminator) so sehr verwirren wird, dass wir am Ende nur noch eine Matrix vermuten.

Es war anzunehmen, dass in dem harmlos wirkenden Gerät bereits Observationsfunktionen eingebaut waren. Bestimmt belauschte mich das Teil unentwegt und leitete all meine Selbstgespräche direkt an Google und Co. weiter. Die Datenkraken konnte unbehelligt durch alle Zimmer kriechen und diverse Fotos meiner spärlichen Inneneinrichtung einsacken. Zur Sicherkeit klebte ich alle verdächtigen Stellen des Saugroboters mit Klebeband ab und löschte alle angeberischen Selfies, die ich zuvor mit meiner neuen Putze aufnahm. Da ich für eine ordentliche Hose zu faul war (es war lazy tuesday), erschien mir das mehr als angebracht.

Eine neue Bedienungsanleitung

Während das dusslige Saugwaffeleisen weiter seinen Job verrichtete, bemühte ich mich um Ablenkung. Fast hätte das auch funktioniert, wenn der Roboter mir nicht via Bluetooth eine Nachricht auf das Handy geschickt hätte, dass das Schlafzimmer nun fertig sei. Weiter hieß es: »Nächster Raum: Flur. Voraussichtliche Reinigungszeit: 5 Minuten«. Fünf Minuten. Dieser Roboter ist nicht nur bedeutend schneller und engagierter als ich, nein, er kann zusätzlich auch noch in die Zukunft sehen. Zugegeben, der Gedanke mag etwas hysterisch erscheinen; aber da dieses verkabelte Scheusal lernfähig sein soll, machte es die Gesamtsituation für mich nur noch schlimmer. Da half nur noch eins. Ich musste meine Mutter anrufen. Leider hatte sie weder Gebrauch für einen nahezu neuen Saugroboter, noch wollte sie bei mir zeitweise beim Putzen aushelfen. Hmpf.

Der Staubsauger-Roboter hatte den Flur nahezu abgearbeitet, als er sich erneut via Textmessage an mich wandte. »Bitte verlasse das Wohnzimmer, um eine 100% Reinigung zu ermöglichen«. Das war es. Ich wurde von der unsensiblen Technik aus meiner eigenen Wohnung gejagt. Warum ich genau nachgab, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr genau sagen. Hatte ich Angst? War es mir egal? Wollte ich eine saubere Wohnung? Keine Ahnung. Jedenfalls verließ ich ohne Widerrede meine Wohnung und lief ein wenig um den Häuserblock. Die Fitness-App auf meinem Smartphone gab mir ohnehin zu verstehen, dass ich meine vereinbarten Kilometer noch zu bewältigen hatte.


Letzte Bearbeitung war am 14.10.2016

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