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Ja, 2016 war einfach nur miserabel Das Jahr 2016 im Rückblick: Selten so viele schlimme Nachrichten mitbekommen

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Der Sekt ist kalt gestellt, das Jahr 2016 neigt sich dem Ende – zum Glück. Ein persönlicher Rückblick mit einer extra Portion Kartoffelsalat.

In diesem Jahr gab es Heiligabend eine Premiere. Anstatt mir noch eine weitere Kelle Kartoffelsalat zu gönnen, sagte ich zu meiner Familie, dass wir pausieren und die Nachrichten schauen sollten. Normalerweise hören wir an diesem Abend Weihnachtslieder von Elvis, doch es hat sich etwas verändert. Statt über die Marotten von Haustieren und Nachbarn zu philosophieren, redeten wir über Angst. Die Angst, die uns schleichend und leise infiziert hat – wie ein fieser Virus.

Nachrichten lehren das Fürchten

Ein sehr geschätzter Autor von mir, der Amerikaner Douglas Rushkoff, schrieb ein Buch mit dem Titel »Media Virus«. Es wurde im Jahr 1995 veröffentlicht und ist aktuell denn je. Rushkoff schreibt, dass die Medien uns verändern, sie versetzen uns von der Rolle des Zuschauers in die des Betroffenen, der Beteiligten. Damals war O.J. Simpson der Medienhype, der selbst heute noch beschäftigt. Heute sind es Themen wie Rechtspopulismus und Flüchtlinge, die uns eine Meinung abverlangen und unsere Denk- und Handlungsweise beeinflussen. Im Zuge der Nachrichtensendung begann meine Mutter, uns ihre Einschätzung zu erläutern. Meine Schwester stieg drauf ein und – was soll ich sagen? – ich fand mich selbst in der Diskussion wieder.

Es war ein Jahr vieler Tragödien in Deutschland, welches kurz vor Weihnachten mit dem LKW-Attentat einen Tiefpunkt fand. Zum ersten Mal wies mich Facebook darauf hin, dass Freunde im entfernten Berlin nicht mehr in Gefahr schwebten. Die 12 Opfer und die vielen Verletzten hatten das Glück leider nicht. Als die neuesten Erkenntnisse über den Anschlag gesendet wurden, reagierte meine Schwester abgeklärt, als ob es sie kaum überraschen würde. Sie haute sogar ein paar Zusatzinformationen raus, die sie wohl in den sozialen Medien aufgeschnappt hatte. Waren es sogenannte »Fake-News«, die seit Trump zur geflügelten Bezeichnung (warum sagt eigentlich keiner mehr Ente?) wurden? Oder spiegelte es ihre Meinung wieder?

Nie hätte ich gedacht, dass (soziale) Medien meinen Alltag so stark beeinflussen werden. Es schwirrt mir der Gedanke durch den Kopf, ob mir Informationsflut, an der ich mich jederzeit bedienen kann, das Leben nur noch schwerer und komplizierter macht. Oder ist das Gegenteil der Fall? Schützt mich das viele Wissen vor drohenden Gefahren? In diesem Moment kann ich es nicht abschätzen, aber in diesem Jahr hat nicht nur der Virus meine Zuversicht stark erschüttert.

Helden sind nicht unsterblich

2016 war auch das Jahr, in dem viele Persönlichkeiten von uns gingen. Es scheint, als waren es besonders viele prominente Namen, die zum Teil überraschend verstarben. David Bowie, Prince, Peter Lustig, Bud Spencer, Guido Westerwelle, Roger Willemsen, Muhammed Ali, Carrie Fisher, Roger Cicero, Manfred Krug, Fidel Castro und George Michael. Aber auch viele meiner persönlichen Helden, wie Götz George und Leonard Cohen.

Cohen verlieh meiner Jugend einen Soundtrack, der unter Umständen meine Schwarzmalerei beeinflusste. Ausgelassen und happy wie ein Song der damals populären Eurodance-Welle waren seine Lieder garantiert nicht. Und sie sind es immer noch nicht, auch wenn sie mit den Jahren versöhnlicher wurden. Vielleicht sind Cohens neuere Lieder sogar reifer geworden, das bringt das Altern im positiven Falle mit sich. Ich bin mir sicher, dass viele der zuvor genannten Namen bei dem einen oder anderem Leser ähnliche Erinnerung wachrufen. Leider wird es keine weiteren Kapitel in unseren gemeinsamen Geschichten mehr geben.

Blick über den Tellerrand

Nach der Nachrichtensendung dauerte es noch eine Weile, bis Elvis endlich »Winter Wonderland« trällern durfte. Wie das so ist, kommt man in Diskussionen schnell vom Höckschen aufs Stöckchen – und so ging es bald nicht mehr nur um innenpolitische Themen, sondern um Trump, Erdogan und den Brexit. Mich überraschte, dass meine Mutter zu jedem Thema eine Meinung hatte. Solch einen Enthusiasmus bin sonst nur gewohnt, wenn ich mit ihr über Preiserhöhungen im Supermarkt rede. Nicht, dass mich diese Angelegenheiten nicht interessieren würde, aber es beunruhigte mich. Im Allgemeinen verfolgen solche Gesprächsrunden ja das Ziel, dass einer am Ende das letzte Wort behält, beziehungsweise »recht hat«. Jedoch hatte ich den Eindruck, als ob wir uns nur gegenseitig Angst machen wollten.

Ich packte eine Kelle Kartoffelsalat auf meinen Teller und dachte daran, wie viele Weihnachtsfeste mir im Kreis meiner Familie bleiben. 2016 war auch schon ohne Nachrichten schwer genug; es gab gesundheitliche Probleme und Veränderungen der negativen Art, die aber kein Thema für einen ironisch-pessimistischen Satire-Blog mit Lichtblicken zwischen den Zeilen sind. Dass es jedoch nicht unbedingt besser wird, ahnen wir alle. Auch das bringt das Alter neben Falten und Wampe mit sich. Aber möchte ich mit aller Macht über die Schlechtigkeit der Welt debattieren, während Mr. Presley im Hintergrund »We’re happy tonight« singt? Nein! Jedoch befürchte ich, dass gegen das Virus derzeit kein Gegenmittel gewappnet ist.

Oh, Leonard Cohen. Ich nehme es Dir echt übel, dass du nicht mehr Weihnachtslieder aufgenommen hast. Vielleicht wäre dies das Gegenmittel für diesen Abend, für dieses Jahr 2016, gewesen. »There ain’t no cure for love« hast Du uns damals versichert. Hoffentlich hast du recht.


Letzte Bearbeitung war am 28.12.2016

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