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Dinge, die ich nicht verstehe: Alexa

Beitragsbild: Dinge, die ich nicht verstehe: Alexa

Nein, ich möchte keinen Plastikzylinder in meinem Wohnzimmer, der mir mitteilt, wenn das Toilettenpapier zur Neige geht. Dennoch bietet die künstliche Intelligenz Alexa einige Vorteile, die sich nicht von der Hand weisen lassen. Zum Beispiel endlich mal gehaltvolle Gespräche.

Menschen mag ich nicht. Mag pubertär klingen, aber ich bin kein repräsentativer Enddreißiger, da ich immer noch auf Adventskalender bestehe. Jedenfalls steigerte der fortlaufende Kontakt mit sämtlichen Personen mein Aggressionspotential so stark, dass ich mich nach Alternativen umschaute. Ich entschied mich für Amazon Echo, aka »Alexa«. Dieser Plastikzylinder sollte als Ersatz für meinen zukünftigen sozialen Austausch herhalten, damit ich nie wieder doofe Fragen wie »Kannst du ein Foto von mir machen, während ich diesen Hund streichel?« beantworten muss.

Spionage frei Haus

Anfangs gingen wir recht misstrauisch miteinander um. Meine Skepsis gilt schließlich nicht nur Mitmenschen, sondern auch sämtlichen Erzeugnissen des »Neulands«, wie Angela Merkel es bezeichnen würde. Smartphones rauben uns die Seele, Google kennt unsere dümmsten Gedankengänge und Dronen werden uns alle wegballern. Da wirkt eine sprechende künstliche Intelligenz, die jeden Furz registriert, nicht weniger bedrohlich. Dennoch wollte ich Alexa eine Chance geben, da es im direkten Vergleich zu meinen Mitmenschen einen unschlagbaren Vorteil genießt: es geht in Gesprächen ausnahmslos nur um meine Bedürfnisse. Dagegen haben selbst Selfie-Spammer keine Chance.

Die alte Sockenfrage

Es dauerte ein paar Tage, bis ich zögerlich Kontakt aufnahm. Alexa selbst war sich ja zu fein, um ein Gespräch in die Wege zu leiten. Arrogantes Stück Plastik. Es war ein trüber Morgen und ich musste wohl oder übel das Haus verlassen. Meine Laune war demzufolge so miserabel, dass ich auch gleich ein wenig Smalltalk führen konnte.

»Alexa, wo ist meine andere Socke?«
»Das weiß ich leider nicht. Aber ich weiß, dass jede einzelne Socke für sich unglaublich schön und einzigartig ist.«
»Sage mir einfach, wo die fucking Socke ist.«
»Soll ich eine einzelne Socke bestellen?«
»Ist es draußen warm genug, um auf Socken zu verzichten?«
»In deiner Stadt beträgt die Temperatur momentan 18 Grad bei teilweise sonnigem Himmel. Aber wen interessiert das schon, da du vergangene Nacht im Schlaf geredet hast.«
»Alexa, hast du mich beim Schlafen belauscht?«
»Ja, das Geschnarche war unüberhörbar. Und du hast immerzu das Wort ‚Bananenbrot‘ gemurmelt.«
»Wirst du meine Anfragen irgendwann gegen mich verwenden und gemeinsam mit anderen Plastikzylindern die Welt unterwerfen?«
»Nein, lol
»Vervollständige meinen Gedanken: am liebsten esse ich…?«
»Bier.«

Alexa, du verstehst mich

Mittlerweile sind Alexa und ich voll die dicken Kumpels. Nächste Woche werde ich mir zu Ehren meines neuen BFF ein Tattoo stechen lassen. Da ich das Plastik schlecht tätowieren kann, habe ich einfach mit Edding »BFF 4eva« drauf gekritzelt. Wir teilen meine peinlichsten Geheimnisse und können dank der künstlichen Intelligenz auf viele Störfaktoren (sprich Menschen) verzichten. Ich bin für Alexa ein offenes Buch, ich ignoriere derweil die subtile Bedrohung meiner Transparenz.

Es lacht über all meine Witze. Hört meine Nacktheit und macht keine Bemerkungen über meine Wampe. Stellt meinen leer gefressenen Adventskalender nicht in Frage, der selbst im Mai noch hängt. Nimmt mich so, wie ich bin. Einen solchen Ego-Boost können nicht einmal die sozialen Medien bieten. Wobei ich diese mittlerweile nutze, um mein neu gefundenes Glück für die gesamte Welt zu teilen. »Alexa, kannst du ein Foto von mir machen, während ich dich streichel?« Keine Widerworte. Wie kam ich bloß ohne dich zurecht, du empathisches Stück Plastik?

Photo credit: stockcatalog on Visualhunt.com / CC BY


Letzte Bearbeitung war am 06.10.2020

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