Die Demotivationsfrage: Ist es in Ordnung, das Smartphone des Partners zu kontrollieren? Oder handelt es sich um selbsterfüllende Prophezeiung?

Wenn ich den Raum verlasse, lasse ich mein Smartphone ungerne zurück. Warum? Weil meine Freundin auf Privatsphäre pfeift und munter sämtliche Verläufe und Nachrichten überfliegt. Sie ist der Meinung, dass es in einer Beziehung keinerlei Geheimnisse geben sollte und demzufolge auch das Handy kein No-Go darstellt. Anfangs dachte ich mir nichts dabei, weil ich weder ein Doppelleben führe noch irgendwas zu verheimlichen hätte. Doch mittlerweile finde ich es schon unangenehm, wenn sie mitbekommt, welche Suchbegriffe ich eingab. Sie ist eine schlimmere Datenkrake als Google und Co.! Letztens saßen wir am Mittagstisch, verschlangen eine supileckere Pizza, bis sie mich plötzlich fragte, ob ich denn über den Butterstampfer Bescheid wüsste – schließlich googelte ich ja danach.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis meine Freundin irgendeine Nachricht in den falschen Hals bekommt. Denn ich habe ein recht lässiges Verhältnis zu meiner Arbeitskollegin, die mir öfter derbe Fundstücke aus dem Netz auf mein Smartphone schickt oder von ihrem letzten Tinder-Fail berichtet. Da kann es schon mal vorkommen, dass sie eine selten dämliche Nachricht eines x-beliebigen Typen an mich weiterleitet. Ich möchte nicht wissen, was meine Freundin denkt, wenn sie von einem ominösen »Mark, 33« folgende Nachricht liest: »Bin scharf wie Nachbars Lumpi und wackel mit dem Schwanz.«

Sollte ich mal ein ernstes Wort mit meiner Freundin reden? Ist das Smartphone vielleicht doch tabu? Ein bißchen Privatsphäre kann nicht schaden, denn im Badezimmer schließe ich ja auch die Türe. – Martin aus Remscheid

Schlafende Hunde soll man nicht wecken. Das Smartphone des Partners regelmäßig auf Unregelmäßigkeiten zu überprüfen gleicht einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Natürlich möchte Ihre Partnerin nicht, dass sie etwas Unschönes wie ein Genitalfoto bei ihrer Recherche vorfindet. Doch ist Suche bereits von vorneherein mit dem Zweck bedacht, irgendetwas zu finden. Vielleicht befriedigen Sie die Sensationsgier ihrer Freundin mit dem simplen Trick, offensichtliche Hinweise auf dem Smartphone zu hinterlassen, wie zum Beispiel eine Textnachricht der Marke »Und? Schon was gefunden? Smiley.«

Natürlich funktioniert dieses Ablenkmanöver nur geringfügig und wirkt schnell abgenutzt. Sie könnten in Erwägung ziehen, ein Zweithandy anzuschaffen, mit dem Sie all die peinlichen und unangenehmen Dinge erledigen, während Sie in Anwesenheit Ihrer Freundin nur das saubere und moralisch einwandfreie Smartphone zücken.

Doch es hilft ja nichts: Es ist ein klarer Fall eines Mangels an Vertrauen. Ihre Freundin traut Ihnen nicht über den Weg und hat das Gefühl, dass Sie verdorbene Flirtnachrichten austauschen und einen Ashley-Madison-Account pflegen. Wie kommt sie überhaupt auf diese Idee? Sind Sie tatsächlich so ein Schwerenöter? Oder gibt es einen anderen Hintergrund?

Es ist ja nicht selten der Fall, dass die größten Kritiker selbst Dreck am Stecken haben. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf könnten Sie ja mal einen Blick auf das Smartphone Ihrer Freundin werfen. Es ist im Bereich des Möglichen, dass Ihre kontrollsüchtige Freundin in Wirklichkeit nur von ihren eigenen Moralverstößen ablenken möchte. Ich persönlich rate davon ab, da Sie sich sonst durch unzählig sinnfreie Dialoge Ihrer Partnerin und ihren Freundinnen scrollen müssten.

Am Ende bleiben nur die Eifersucht und ein Wunsch nach Kontrolle und Sicherheit, der manchmal mit Liebe verwechselt wird. In dem es gar nicht darum geht, den anderen als Person zu akzeptieren, sondern viel mehr dazu genutzt wird, die Löcher der eigenen unsicheren Persönlichkeit zu stopfen.

Wie gesagt, kaufen Sie sich ein zweites Handy und lassen Sie sich nicht erwischen, wenn Sie Butterstampfer, Vakuumbetten und Co. googeln.

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photo: texting in the rain by Garry Knight, CC 2.0