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Wir haben alles, aber können nichts Warum weniger Möglichkeiten mehr Kreativität bedeuten können

Beitragsbild: Wir haben alles, aber können nichts

Durch viele Möglichkeiten entsteht große Kreativität? Mitnichten. Mit dem Fokus auf die Bequemlichkeit waren wir nie untätiger oder sogar unfähiger als heute.

Zu Beginn direkt ein Spoiler: spätestens mit der Einführung einer Taste für Kreativität sind wir verloren. Sämtliche Mitmenschen würden mit sofortiger Wirkung all ihre Ideen aufgeben und ihre Mühe nur noch darauf verwenden, z.B. eine unterhaltsame Serie für den Abend auszusuchen. Technische Errungenschaften wie der ominöse Thermomix werben mit erheblichen Zeitersparnissen und schaffen erstaunliche Ergebnisse selbst bei denen, die mit sonst Wasser kochen überfordert sind. Die Alternativen wären aufwendig und anstrengend. Wozu ins Zeug legen, wenn es doch weitaus leichtere Varianten gibt? Für jede Anforderung gibt es einen Knopf, eine Suchmaschine oder eine App.

Filter und Remakes statt Kreativität

Vor einigen Tagen lauschte ich eine Episode des Psycho-Talk Podcasts mit dem Titel »Die Macht der Bilder«, in der nebenbei eine Bemerkung geäußert wurde, die mich nachhaltig beschäftigte. Die Ausgabe behandelte das Thema der Fotografie und die Wirkung von Bildern; es wurde vermutet, dass weniger Möglichkeiten kreative Denkprozesse fördern würden. Das sprach mich direkt an, dem konnte ich ohne Weiteres zustimmen. Besonders im Bereich der Fotografie wird der Gedanke dahinter deutlich: während aktuell die Funktionen am Smartphone (Stichwort Filter, automatischer Weißabgleich usw.) die Qualität einer Aufnahme sichern, würde eine analoge Kamera so manchen selbsternannten Fotografen maßgeblich überfordern.

Nehmen wir das Beispiel des anfangs erwähnten Thermomixers hinzu, zeichnet sich eine für die Kreativität im Allgemeinen gefährliche Bequemlichkeit ab, die unsere Gesellschaft auf leisen Pfoten verändert hat. Es wird weniger auf Einfallsreichtum gesetzt, sondern man strengt sich an, beim Konsumenten die richtigen Knöpfe zu drücken. Diese würden die Label »Faulheit«, »Zeitmangel« und »Angst« tragen.

Warum Angst? Weil ein Erfolgsrezept gerne aufgekocht wird. Anstatt etwas zu riskieren, wird aus Angst vor einer Blamage oder des Scheiterns eine bereits bewährte Universallösung vorgezogen. Diesen Schritt kann man besonders in der Unterhaltungsbranche beobachten. Anstatt neuartige Werke und Konzepte zu produzieren, wird uns der xte Aufguss einer erfolgreichen Filmreihe vorgesetzt. Lieber gut aufgewärmt, als den Geschmack nicht zu treffen. Dass diese Art und Weise wenig Platz für innovative Ideen und Kreativität bietet, erklärt sich von selbst.

Weniger ist mehr

Vielleicht wären Einschränkungen in den Möglichkeiten eine Lösung. Dabei denke ich an meine ersten zagen Gehversuche im Internet zurück. Da gab es keine vernetzten Datenkraken und nicht unzählige Video-Tutorials, die mir erklären, wie ich meine Schnürsenkel zubinden kann. Stattdessen diente mir das Netz als Quelle der Inspiration – Inhalte musste ich selber schaffen. Keine Spur von Knöpfen, die mir die Kopfarbeit abnahmen. Schreiben statt teilen, Stöbern statt Ein-Klick-Bestellungen.

Mit Hilfe präziser Technik und ausgefeilter Programmierung übernimmt ein Staubsaugroboter lästige Hausarbeit und diverse Apps listen meine Termine und Freizeitplanungen auf. Nachrichten werden auf eine Schlagzeile reduziert, damit ich nicht mehr den gesamten Artikel lesen muss. Alles zur Entlastung meines Kopfes? Hoch lebe die Bequemlichkeit? Die Vermutung liegt nahe, dass sich dort eh allerhand Unnötiges tummelt, wie zum Beispiel »Ob mein Akku das durchhält?« oder »Ob ich noch ein Hashtag mehr benutzen sollte?«.

Natürlich möchte ich damit nicht zur Verschrottung all unserer Alltagshilfen aufrufen. Aber womöglich würde beispielsweise die bewusste Wahl zur analogen Fotokamera nicht nur das Erlebnis und die Ergebnisse verbessern, sondern auch etwas Leben in die Bude bringen. Wir haben verlernt, Entscheidungen zu treffen.


Letzte Bearbeitung war am 08.02.2017

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