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Titel: Solange ich nicht im Koma liege, brauche ich keinen Krankenschein

Solange ich nicht im Koma liege, brauche ich keinen Krankenschein

Wenn man sich trotz Rotznase sich ins Büro schleppt, ist man scheinbar in bester Gesellschaft. Denn nur Versager nehmen einen Krankenschein.

Schaffe, schaffe, Häusle baue. Nicht nur im Schwabenland gilt die Maloche als das wichtigste Statussymbol. Nur wer arbeitet, hat ein Mitspracherecht und wird von der hiesigen Gesellschaft respektiert. Die Tätigkeit selbst spielt dabei eine entscheidende Rolle. Ärzte und Anwälte gelten als Halbgötter, Beamte als faul und verwöhnt. Einen noch schlechteren Eindruck vermitteln Arbeitslose. Generell gilt: Gutverdiener umgeben sich nicht gerne mit »Hartzis«, wer nicht arbeitet, fällt durch. Wer sich erlaubt, einen Krankenschein bzw. eine AU zu nehmen, muss sich Hohn und Spott gefallen lassen.

Krankenschein? Nur über meine Leiche

Verrückt, oder? Selbst bei der hartnäckigsten Grippe erscheint der brave deutsche Arbeitnehmer erwartungsgemäß und pünktlich am Arbeitsplatz. Erkranken gilt als uncool und man hustet sich lieber die Lunge aus dem Leib, als sich die Blöße zu geben, einfach daheim zu bleiben. Was sollen nur die Nachbarn, die Arbeitskollegen und der/die Vorgesetzte denken?

Es fängt bei der verstopften Nase an, die man morgens nach dem Aufstehen bemerkt. »Liegt bestimmt am Herbstwetter« – wer es glaubt. Im Laufe des Badezimmer-Rituals macht sich ein zugedröhnter Schädel bemerkbar, muss halt der Wein vor Vorabend sein. Krank? Auf gar keinen Fall. Spätestens auf dem Parkplatz vor dem Arbeitsplatz wird einem bewusst, dass wahrscheinlich das letzte Stündchen geschlagen hat, aber na ja. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Schnief, rotz, hust – aber immer kollegial

»Deutsche arbeiten mehr als blau zu machen« schrieb die Welt über die strenge Arbeitsmoral unserer Angestellten. Der Fachbegriff dieses Zustands soll laut des Artikels »Präsentismus« lauten. Sprich, wenn man zur Arbeit geht, obwohl man sich wie ausgekotzt fühlt. Das Gegenteil vom Präsentismus ist der Absentismus. Mit anderen Worten »Krankfeiern«. Freunde dieser

Alles andere wäre peinlich. Ernsthaft? Wer denkt denn so seltsam? Nach dem Motto »Nur Schwächlinge melden sich krank« röchelnd und triefend zur Mittagspause abrackern? Leider kennen wir alle solche Beispiele aus unserem Arbeitsalltag. Geht einfach mal rüber ins benachbarte Büro, oder meinetwegen den Flur runter. Irgendwo sitzt er, der einsame Streiter der Arbeitsmoral.

Mein Mitleid bekommen diese vertrottelten Maschinen keineswegs, mein Lob schon gar nicht. Denn sie beweisen mit ihrem Durchhaltevermögen nur eins: das Menschlichkeit am Arbeitsplatz noch weniger erwünscht ist als hartes Maiskorn in der Popkorntüte.

Beitragsbild: Hört auf, mich mit Kuchen zu quälen!

Hört auf, mich mit Kuchen zu quälen!

Egal, wie sehr man seine Kollegen verabscheut. Mit Essen kriegt man sie scheinbar alle. Auch du willst Deinen Kollegen mit einem selbstgebackenen Kuchen den Tag versüßen? Bitte überleg es Dir zweimal.

Überstunden, Video-Konferenz, Papierstau … all diese Dinge treiben meine Kollegenschaft schnell und zuverlässig in den Wahnsinn. Meine Augenbraue hingegen zuckt erst nervös, wenn es krümelt. Meine ausgewachsene Aversion konzentriert sich besonders gegen Selbstgebackenes, besonders in der Form eines Kuchens. Der Umstand hat sich zwar schon ordentlich herumgesprochen, aber hat scheinbar sind gewisse Backfeen auf diesem Ohr taub. Anders kann ich mir nicht die Frechheit erklären, die sich letztens erst zugetragen hat. Da wurde in meiner Abwesenheit frech ein Teller mit einem Stück Käsekuchen auf meinem Schreibtisch platziert. Einfach so! Krümelte da dreist vor sich hin. Ich tat das einzig Vernünftige: Ich kündigte.

Unhöflich müsste man sein

Okay, ich kündigte nicht wirklich. Aber ich war kurz davor! Ein aufgezwungener Kuchen stellt meiner Meinung nach ein gutes und einleuchtendes Argument dar. Nicht, dass ich Käsekuchen zum Würgen fände, aber es geht mir um das Prinzip. Ein höfliches »Nein, danke. Ich verzichte« wird in den meisten Fällen lächelnd übergangen. Nur meine aus der Not heraus erdachte spontane Diabetes Erkrankung konnte mich vor der gebackenen Nötigung bewahren. Doch diese Blicke. Vorwurfsvoll von der Seite, pure Verachtung. Die nackte Enttäuschung ebenfalls auf dem Gesicht der unnachgiebigen Kuchenfee, Tränen statt Schlagsahne. In dieser Flut an negativen Gefühlsausbrüchen möchte niemand untergehen, bleibt also nur Mund auf und durch. Das Stück Kuchen wird gemampft, damit der Haussegen nicht in eine Schieflage gerät.

Freiflug für das ungeliebte Stück Kuchen

Dabei soll es nicht wenige Kollegen geben, die sich höchst kreativ der ungewollten Kuchenstücke entledigen. Verstecken Sie in ihrer Hosentasche, um sie bei Gelegenheit aus dem Fenster oder ins Klo zu werfen. Andere bringen ihren Bürohund mit, um am Ende blankgeleckte Teller zu präsentieren. Einmal hörte ich gar von einem Kollegen, der ein ungewolltes Stück Kuchen in einen Umschlag steckte und an eine zufällige Adresse schickte, Hauptsache weit weg. Kann man ein solches Verhalten verurteilen? Ich denke nicht. Wenn das höfliche Nein ungehört bleibt, letztendlich die Argumente fehlen und man nicht gebrandmarkt gelte möchte, hilft in Extremsituationen nur der schnelle Wurf des Tellers, als ob es eine Frisbee-Scheibe wäre.

Eine Lösung für das Krümeldilemma lässt sich kaum finden. Das Aufschreiben meiner Kuchenwut hilft wenigstens ein Stück. Vielleicht wird das NEIN DANKE doch irgendwann gehört und ich bleibe verschont. Zumindest bis zu dem Tag, an dem ich ein matschiges Stück Kuchen in meinem Briefkasten finde.

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Beitragsbild: Früher war mehr Lametta

Früher war mehr Lametta

Lametta wtf? Was geht auf diesem Blog? Oder heißt es in diesem Blog? Keine Ahnung! Hier ist ein kurzes Lebenszeichen und ein Stand der Dinge.

Nein, verdammt! Früher war nicht alles besser. Nur irgendwie anders. Bunter? Näh. Weniger pessimistisch? Ich bestimmt nicht. Aber selbst ein Möchtegern-Miesmacher wie ich musste angesichts der letzten Monate seinen Hut nehmen und sich zurückziehen. Zu gewaltig war die negativ-toxische Bullshit-Welle, der wir kaum entfliehen konnten. Egal, welches Medium ich anwarf, überflutete mich ein Sammelsurium an Meldungen, die meinen Tag ruinierten.

Zu viel Schatten, zu wenig Licht

Fällt mir direkt ein alter Gag von Bill Hicks ein, den ich unverblümt an dieser Stelle im Original zitiere: »Watch CNN headline news for an hour, its the most depressing fucking thing: war, famine, death, AIDS, homeless, recession, depression… And you look out your window… Where’s all this shit happening?!« … ersetze halt CNN mit n-tv oder was auch immer.

Jedenfalls verspürte ich den vergangenen Monaten wenig Lust dazu, hier meine ironischen Texte abzuliefern. Die Realität war härter. Eine Pandemie hält die Welt immer noch im Atem, aber wenigstens gibt es Hoffnung. So langsam habe ich wieder Bock, einen Dad-Joke zu reißen und ein paar Zeilen unter die Interessenten zu bringen. Schwarzmalerei ist immer noch meine Passion, nur ich wollte es zuletzt niemanden sonst zumuten.

Letzte Ausfahrt Lametta

Die Kunst der Schwarzmalerei ist, auch in den tiefsten Abgründen etwas Licht zu finden. Ein blinkendes Ausfahrt-Schild, etwas Bling-Bling, ein Hoffnungsschimmer, ein Silberstreif am Horizont, ein Exit-Symbol oder wenigstens ein bissel Lametta. Die Bestände sind etwas dürftig geworden, aber noch bin ich nicht auf Grund gelaufen.

Zwar tappe ich noch etwas im Dunkeln, was das regelmäßige Schreiben hier angeht, aber solange mir noch so schlechte Wortspiele wie jetzt gerade einfallen, bin ich ich guter Dinge. Wir lesen uns bald wieder häufiger. Mehr Licht!

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Das haben Aluhüte mit Winnie Puuh gemeinsam

Aluhut-Freaks, Impfgegner und Flacherdler … und Winnie Puh? Hat er nun auch einen eigenen Telegram-Kanal? Wie passt das zusammen? Neuer Stoff für Verschwörungstheoretiker.

Beim Namen Huxley dachte ich bislang an die »Schöne neue Welt«, dem Klassiker für Pessimisten. Aldous Huxley schrieb den wahrscheinlich bekanntesten Dystopie-Roman, veröffentlicht 1932. Dass nur ein paar Jahre früher, nämlich 1926, sein Bruder Julian Huxley die berühmt berüchtigten Aluhüte ins Spiel brachte, war mir nicht bekannt. In der Erzählung »Der Gewebekulturen-König« (OT: The Tissue King, aber die deutsche Übersetzung amüsiert mich) ist zum ersten Mal überhaupt von dem Symbol der Verschwörungsschwurbler die Rede.

Aluhüte und Honig

Kurz zum Inhalt der Story: ein Forscher reist in ein fortschrittliches afrikanisches Land (wahrscheinlich Wakanda), welches von einem König regiert wird, der mittels Telepathie sein Völkchen fest im Griff hat. Die Erzählung stellt eine Art Warnung für den Missbrauch fortschrittlicher Erkenntnisse dar, sozusagen ein Hinweis auf die Schattenseiten moderner Forschung. Statt die Erkenntnisse für gute Zwecke einzusetzen, wird das Fußvolk via Telepathie kontrolliert und eingeschränkt. Der britische Forscher hat aber einen Geistesblitz und bastelt sich den ersten offiziellen Aluhut, der ihm eine Immunität gegen die Ansagen des Königs sichert. Der Protagonist bricht aus, Happy End.

Okay, aber was haben Aluhüte mit Winnie Puuh zu tun? Wie geschrieben, »The Tissue King« wurde 1926 veröffentlicht. Ebenfalls in diesem Jahr wurde auch das bekannte Kinderbuch »Pu der Bär« von A. A. Milne raus gebracht. Winnie Puuh erlebt in diesem Buch ein wagemutiges Abenteuer mit seinem Bro »Ferkel« (OT: Piglet). Beide sind im dritten Kapitel auf der Suche nach einem »Wiesel« (OT: Woozle) und folgen irrtümlich nur ihren eigenen Fußspuren, die sie im wahrsten Sinne des Wortes auf eine falsche Fährte locken.

Woozle Effekt: Irgendwas muss dran sein

In den USA wäre in so einem Fall von einem sogenannten »Woozle Effect« die Rede. In einfachen Worten: wenn man sich auf unzuverlässige oder gar unseriöse Quellen beruft und diese als Wahrheit verkauft. Kommt bekannt vor? Ja! Es handelt sich um den ultimativen Treibstoff für Verschwörungstheorien und Urban Myths. Winne Puuh lieferte den Woozle Effect, während Julian Huxley im selben Jahr den dazu passenden Aluhut lieferte. Verrückter Zufall – ODER ABSICHT?

Der Woozle Effect ist in der heutigen Medienlandschaft allgegenwärtig, allen voran natürlich Social Media. Wenn etwas total Durchgeknalltes dementsprechend regelmäßig und mit Nachdruck präsentiert wird, könnte dies bei einem anfälligen Zuhörer Erfolg haben, frei nach dem Motto: »Es wird ständig und überall gesagt, also MUSS doch was dran sein.« Nach diesem Prinzip funktionieren Fake-News und »Alternativer Schwurbelschwachsinn«. Mit Absicht werden soziale Medien bevorzugt, wobei der Oberwoozleking zweifelsohne Trump sein dürfte.

Aluhüte werden eher mit Spinnern und fragwürdigen Ideologien in Verbindungen gebracht. Nicht umsonst wird regelmäßig der »Goldene Aluhut« verliehen, um besonders auffällige Verschwörungstheorien auszuzeichnen. Und wisst ihr, was ebenfalls goldfarben ist? Honig! WACHT AUF, LEUTE!!!!11111

Photo credit: lucasgburgos on Visualhunt / CC BY-SA

Beitragsbild: Woran du erkennst, ob dein Yoga-Lehrer ein Sadist ist

Woran du erkennst, ob dein Yoga-Lehrer ein Sadist ist

Du liebst Yoga? Dann musst Du Dich selbst zu großen Teilen hassen. Aber keine Sorge, Dein Yoga-Lehrer sieht es genauso.

Man stelle sich vor, der cholerische Drill-Sergeant aus dem Filmklassiker »Full Metal Jacket« wäre Yoga-Lehrer. »Auf den Boden, Du Hund! Arsch hoch, damit ich Dein Gesicht nicht mehr sehen muss!« Artig hält jeder die Luft an starrt in seiner Position auf den Boden. Langsam würde der Kursleiter durch das Minenfeld der Yoga-Matten schreiten und kritisch die Haltungen der Teilnehmer bewerten. »Schmidt! Was ist das für eine Mickey-Maus-Scheiße!? Das soll ein Krieger sein?? Zeig mir Dein Yoga-Gesicht!« Full Metal Yoga.

Nur für ganz Hartgesottene: Bikram-Yoga

Klingt übertreiben? Mitnichten! Wahrscheinlich treibt nahezu jeden Yoga-Fan eine ordentliche Portion Sadismus an; die Motivation, die persönliche Grenze zu überdehnen, scheint eine Grundvoraussetzung zu sein. Wem der allseits bekannte Yoga-Kram zu öde ist, der ist vielleicht Feuer und Flamme für Bikram-Yoga. Diese Variante ist auch als »Hot Yoga« bekannt und findet in einem Raum statt, der um ca. 35–40 Grad Celsius beheizt wird. Mit Sicherheit etwas für Personen, die sich etwas mehr Stress und Schmerz im Leben wünschen.

Yoga ist eine der Aktivitäten, die oft einen Lehrer erfordert. Natürlich können Interessierte auf einen Kurs verzichten und auf Social Media, YouTube-Clips u.ä. zurückgreifen, um sich in Eigenregie etwas zu verrenken. Es besteht sogar die Möglichkeit, sich Yoga im Zuge eines Events zu geben, zum Beispiel in der verführerischen Variante »Bier Yoga«. Jedoch werden die meisten einen Lehrer bevorzugen. Jemanden, der oder die einem zeigt, wie und wo der Hammer hängt.

Yoga-Lehrer schauen auf dich herab

Doch woran ist zu erkennen, ob dem oder der Yoga-Lehrkraft das Schnaufen und Schwitzen der leidenden Klasse etwas zu viel Freude bereitet? Ich behaupte, es geht gar nicht anders. Ein/e gute/r Yoga-LehrerIn hat den menschlichen Wunsch nach Selbstzerstörung erkannt und schafft es, die Qual und Schmach letztlich in was vermeintlich Positives zu verwandeln. Früher rauchte und soff sich die Jugend kaputt, heute verrecken sie auf der Yoga-Matte. Im Gegensatz zu damals lässt sich das heute als gesundheitsfördernd preisen.

Eine/n LeiterIn eines Yoga-Kurses stelle ich mir persönlich sehr ausgeglichen vor. Sie befehlen ihren zahlenden Knechten, wie sie sich zu verknoten haben und stolzieren prüfend durch die Wackelpudding-Meute, die um Erbarmen winselt. Irgendwoher müssen die (Ver)Spannungen ja her kommen.

Foto von Polina Tankilevitch von Pexels

Beitragsbild: Vergiss Smalltalk! Zeige dein Bücherregal

Vergiss Smalltalk! Zeige dein Bücherregal

Ein idealer Eisbrecher für schwer in Gang kommende Konversationen kann das eigene Bücherregal sein. Seite für Seite ein Blick in die Seele.

Deine Reisen, dein Job, dein Liebesleben – wen interessiert es? All die Worte, mit denen Du Dich beschreibst. Humorvoll, tolerant, ausgeglichen, kreativ, bescheiden, hilfsbereit, empathisch, am Arsch. Wie wir uns selbst beschreiben, ist oft nur Wunschdenken. Kaum etwas entspricht der Wahrheit, es ist viel mehr der Wunsch, wie wir von Anderen wahrgenommen werden sollen. Mehr Aufschluss über Deine Persönlichkeit und somit viel interessanter ist ein Blick in Dein Bücherregal.

Zeig mir Dein Bücherregal und ich sag Dir, wer Du bist

Ein gut sortiertes Bücherregal zeigt die Vergangenheit und vielleicht sogar die Zukunft, all die Themen und Charaktere, welche den Leser prägen. Bücherregale sind in der Regel einzigartig (abgesehen von Leuten, die NUR die Harry Potter und Herr der Ringe Sammlungen besitzen), ihre Vielfältigkeit basiert auf den Entscheidungen des Lesers. Neben den gelesenen Titeln haben auch die ungelesenen Bücher eine Aussagekraft. Welcher Inhalt war für den Käufer so interessant, um sich dieses bestimmte Buch zuzulegen? Warum genügte der Kauf, während die Blätter ungelesen bleiben?

Die meisten von uns haben ein mehr oder weniger vollgestopftes Bücherregal. Selbst Büchermuffel werden zumindest ein, zwei Bücher aus ihrer Schulzeit oder Geschenke besitzen. Ich selbst habe mehrere überfüllte Regale, in denen ich Bücher stapele. Sollte ich erstmalig von einer Person Besuch bekommen, so wird in der Regel zuerst mein Bücherregal studiert. Titel, die man selbst besitzt oder wenigstens zuordnen kann, werden freudig angesprochen. Je intellektueller ein Werk wirkt, desto besser der Eindruck. Das sollte sicherlich nicht die Motivation dahinter sein, aber es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass »Oink! Die lustigsten Tierbilder« gegen Kafka erbärmlich wirkt.

Ich lese, also bin ich

Ein Bücherregal kann einen intimen Blick in das Innerste einer Person gewähren. Vergleichbar mit einer Trophäensammlung, in der jede einzelne Aussagekraft haben kann. Bücher, die noch ungelesen sind, verdeutlichen Deinen Anspruch. Deine persönliche Entwicklung und Fertigkeiten werden durch Sachbücher demonstriert. Warum Du besonders gut in Deinem Job bist, könnten die Fachbücher aufzeigen. All die Fluchtmomente, Inseln, Guilty Pleasures, Ziele, Interessen und Inspirationen in den unterschiedlichsten Formen wie Reise- und Kochbücher, Sci-Fi-Romane und DIY Wälzern. Das bist Du.

Wie in vielen anderen Bereichen auch geht es nicht immer nur um Inhalte, sondern auch um die Optik bzw. Erscheinung. Bei Bücherregalen wird mit Sicherheit um eine gewisse Ordnung gebeten. Goethe zu Schiller, Asiatisch kochen zu Pfannkuchen-Rezepte und die Graphic Novels allesamt in einer Reihe. Ein gelungenes Ordnungssystem kann die Leselust inspirieren und für Dritte bietet das Konzept Raum für Interpretation frei nach dem Motto: »Wer Bücher nach dem Alphabet ordnet, schläft auch mit Socken im Bett« – oder so. Solche wilde Vermutungen eignen sich wunderbar für das nächste Gespräch, es gibt demzufolge vielleicht wirklich kaum bessere Gesprächsthemen als das eigene Bücherregal.

Beitragsbild: Wie man auf »Wie geht's Dir?« antwortet, wenn man kein Leben hat

Wie man auf »Wie geht’s Dir?« antwortet, wenn man kein Leben hat

Wie aus der Pistole geschossen wird in jedem Smalltalk gefragt: Wie geht’s Dir. Doch was soll man antworten, wenn man nichts zu erzählen hat?

Da ist sie wieder, deine unsichtbare Grenze, die niemand überschreiten sollte. Doch die Leute da draußen verraffen es immer wieder, fangen Smalltalk an und stellen unangenehme Fragen, bevorzugt den einfallslosen Klassiker »Wie geht’s Dir?«. Alter! Nur weil wir uns jahrelang erfolgreich aus dem Weg gegangen sind, muss bei einem Aufeinandertreffen niemand Interesse am Gegenüber heucheln. Erst recht, wenn nur positive Antworten erwartet werden und nicht die schonungslose Wahrheit: das sich eigentlich nichts seit der letzten Begegnung verändert hat.

Simpel, aber funktioniert: »Danke, gut!«

Wie beim High Noon Duell profitiert derjenige, der zuerst »Wie geht’s Dir?“ fragt. Bist Du zu langsam, musst Du in den sauren Apfel beißen und überlegen, was Positives in den Wochen (oder gar Monaten?) passiert ist. Verwechsle nicht die aufregenden und dramatischen Situationen, die in Deinen Lieblingsserien passierten mit Deinem eigenen recht faden Leben, sondern konzentriere Dich auf Deine eigenen Erlebnisse. Schnell wirst Du merken, dass Dein persönliches Highlight das Gelingen einer vegetarischen Bolognese-Sauce war.

Begehe nicht den größten Fehler, an dieser Stelle den Ball zurück zu passen. Niemand zwingt Dich, auf diese bitterböse Frage nach Deiner tristen Existenz mit einer Gegenfrage (»…und selbst??«) zu antworten. Außerdem bist Du nicht so gemein wie Dein Gegenüber, weil Du Dir vollkommen bewusst bist, dass wir alle nichts Besonderes in unserem Alltag machen, aber gerne das Gegenteil darstellen – siehe Insta und so. Stelle einfach eine vollkommen andere Frage zu einem Thema, welches Dich sogar interessiert. Oder sprecht über das Wetter, das geht immer.

Stelle Dich taub und mach einen auf Seinfeld

Unhöflich und dreist, aber muss man wirklich auf alle Fragen eine Antwort wissen? Du kannst die Frage »Wie geht’s Dir?« einfach übergehen, indem Du sie einfach übergehst und so tust, als ob du sie überhört hättest. Starre das Gegenüber so lange an, bis eine alternative Frage gestellt wird. Sollte die stille Überbrückung zum angenehmeren Thema zu lange dauern, bringe noch einmal Deine geniale vegetarische Bolognese Sauce ins Spiel.

Richtig fies sind Gesprächspartner, die treffsicher ins Unangenehme zielen, indem sie nicht nach Befinden fragen, sondern dabei noch konkret werden. »Was macht der Job?« oder »Wie läuft das Liebesleben?« Um Dich vor der Blamage zu bewahren, dass sich auch in diesem Bereich nichts, aber auch gar nichts getan hat, erfinde einfach Halbwahrheiten, die auf die Geschehnissen Deiner Lieblingsserien basieren. Achte nur darauf, dass Du keine Drachen, Wrestler oder Zombies einbaust, bleib lieber auf dem Teppich und nimm ’ne Sitcom.

Smalltalk und blöde Fragen

Sollte gar nichts fruchten, bleiben wohl nur noch zwei Alternativen: entweder die Flucht oder Du sprichst verdammt noch mal über Deine Bolognese Sauce. Dein Gegenüber hat es ja so gewollt! Stellte immerzu blöde Fragen, die Antwort darauf muss sie halt auch aushalten können!

Auch wenn die letzten 90 Tage keinerlei Highlights boten, kannst Du Dich wenigstens über das Gelingen Deiner vegetarischen Bolognese-Sacue erfreuen. Man wird nicht jederzeit eine Weltreise starten oder ein neues Musikinstrument lernen. Dazu müsste eine maßgebliche Änderung im Alltag stattfinden, wie ein Jobwechsel oder eine neue Beziehung. Bis dahin ist und bleibt alles wie gehabt und Du wirst keine brauchbare Antwort auf »Wie geht es Dir?« parat haben. Lüge, flüchte, überhöre die Frage oder denk besser an Dein Kochtalent.

Beitragsbild: Lasst uns aufhören, Trash zu feiern

Lasst uns aufhören, Trash zu feiern

Egal, ob die schrägsten Schlagzeilen der Regenbogenpresse oder die neuesten Instagram-Ausfälle irgendwelcher C-Promis – Deutschland liebt und feiert seinen Trash. Das muss aufhören.

Am 14. September 1992 wurde im deutschen TV ein neues Zeitalter eingeleitet. Hans Meiser lud zum Nachmittagstalk ein, ein Sendeformat in denen ein halbes Dutzend Menschen eingeladen wurden, um über ein bestimmtes Thema zu reden. Das Format war dermaßen erfolgreich, dass es übertrieben viele Nachahmer gab. Die Fernsehlandschaft war von morgens bis zum frühen Nachmittag vollgestopft mit Bärbel, Arabella, Oliver und Johannes.

Trash-Kultur: Profitabel und länger haltbar als Plastikmüll

Am 29. September 1999 wurde Oliver Pocher im Rahmen der Sendung »Hans macht dich zum VIVA-Star« entdeckt. Ein Jahr später wurde die erste Folge von Big Brother ausgestrahlt. 2002 folgte DSDS und noch einmal zwei Jahre später das Dschungelcamp. Nahezu 20 Jahre Trash. Auch wenn ein Großteil der genannten Formate bei RTL ausgestrahlt wurde, stehen die Konkurrenten in Sachen Schrott-TV mit Wegwerf-Charakteren in keinerlei Hinsicht nach. Viele Formate laufen bis heute noch – erfolgreich.

Nicht nur im TV wurde die Verehrung für Müll geboren. Die Musikbranche in Deutschland florierte und bot seinerzeit holländischen Eurodance gegen zukünftige Kult-Alben wie »Nevermind« und »Enter the Wu-Tang«. 1995 wurde die deutsche Boyband »Bed and Breakfast« gegründet. Sie gilt als die erste und auch erfolgreichste Boygroup Deutschlands. Daniel Aminati, heute noch das Gesicht der TV-Sendung »Galileo«, stieg 1996 aus. Wer heutzutage das Radio einschaltet, wird meist mit einer Mischung aus Nostalgie (Stichwort Eurodance) und deutschsprachigen Hip Hop der Art beglückt, der 2003 durch die Single »Mein Block« auf sich aufmerksam machte und bis heute populär bleibt. Am 9. August 2004 wurde die Single »Arschficksong« veröffentlicht. Als solche erreichte es Platz 63 der deutschen Singlecharts.

Reine Schadenfreude, die als Ironie empfunden wird

Vielen in meinem Umfeld schauen Trash-TV ironisch. Aus Neugier, Langeweile, zur Unterhaltung. Bei manchen Formaten wie dem Bachelor oder GNTM wird sogar via Twitter mitgefiebert und geschimpft, während die gesamte Familie sich über die Eskapaden in »Tropical Island« amüsiert. Klassische Trash-Formate wie »Frauentausch« laufen noch, werden eingeschaltet, wenn man auf Krawall gebürstet ist. Vielleicht wurde zur Einstimmung eine 90er-Playlist bei Spotify rauf und runter gehört.

20 Jahre Trash und kein Ende. Wir füllen unsere Freizeit mit Wegwerfprodukten und feiern Müll. Marrion Farrely ist eine Produzentin von Reality-TV Formaten aus den USA und gab in einem Interview bekannt, dass sie den Teilnehmern der Shows vorab klärende Worte mit auf den Weg gibt; sie nennt es selbst den talk of doom. Darin heißt es u.a.: »Ihr werdet berühmt sein. Zu berühmt für euren Job, aber nicht berühmt genug, um davon leben zu können. Das bedeutet, ihr werdet zwei Jahre lang arbeitslos sein. Bist Du ein Mann? Dann will Dich jeder andere Mann herausfordern. Bist Du eine Frau? Dann will Dich niemand mehr daten. Ohnehin wird sich jeder Ex-Lover melden, um ein vergangenes Techtelmechtel aufzukochen. Du denkst, man wird dich wiedererkennen und lieben, doch man wird mit dem Finger auf Dich zeigen und sagen: Hey, das ist das doch dieser Idiot aus dem TV.«

Solange wir gewisse Medien dafür belohnen, dass sie uns täglich mit Abfall bedienen, wird sich das nicht ändern. Klickt keine schrottigen Schlagzeilen an, teilt keine idiotischen Blamagen, die im Privatfernsehen liefen. Sonst kommen die TV-Sender und Ramschblätter der Regenbogenpresse niemals auf die Idee, dass auch mit anderen Inhalten oder gar Qualität Gewinne erzeugt werden können.

Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay
Beitragsbild: Action 52: Büroklammern zum Abballern

Action 52: Büroklammern zum Abballern

52 Spiele (?) auf einmal. Die berüchtigte Spielsammlung Action 52 ist Trash in Reinkultur. Vielleicht ist diese Obskurität dem einen oder anderen Gamer ein Begriff, aber die dazugehörige Entstehungsgeschichte hat es auch in sich. Eine Legende! Für Zocker, denen Daikatana zu qualitativ und für Trash-Fans, denen »Troll 2« zu mainstream ist.

Will man einen gelungenen Abend mit Freunden verbringen, so hat man die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Entweder legt man den guten alten Scheiß von damals auf, oder schaut kultigen Trash zum Ablachen. Richtig schlechte Filme, die so unerträglich mies sind, dass sie geradezu genial wirken. Aber es müssen nicht immer Filme sein, besonders PC- und Videospiele können schlecht, frustrierend und nervig sein. So grauenvoll, dass sie wieder Kult sind.

Angeheitert gibt es kaum ein schöneres Vergnügen, als mit einem Pixelklotz in alter Atari-Konsolen-Manier über andere absurde Pixeldinger zu hüpfen, diese webzuballern oder zu umfliegen. Ich bin mit Spielen dieser Art groß geworden, doch stieß ich erst vor kurzem auf die wahnwitzige Spielesammlung namens »Action 52« und die dazugehörige Geschichte. Das Drumherum, wie dieses Projekt entstand, faszinierte mich so arg, dass ich das an dieser Stelle teilen möchte.

Action 52: Eine Vision, 52 Spiele

Vinnie Perri staunte nicht schlecht, als er seinen Sohn beim Zocken beobachtete. Die Games, die er spielte, waren illegal! Versammelt auf einer Multicart (Cartridge, Spielmodul) waren zig Spiele, ein verbotener Import aus Taiwan. Normalerweise bot der Handel nur ein Spiel pro »Modul«, wie es in meiner Jugend hieß. Perri hatte daraufhin eine Vision. Er wollte selbst Video- und Computerspiele investieren, mindestens 40 Games auf eine einzelne Cartridge packen und diese dann Nintendo anbieten. Ein Geniestreich! Schließlich zockt sein Sohn am liebsten illegale Games, die Kids in der Nachbarschaft erst recht. Also sammelte Perri 5 Millionen US-Dollar von Investoren in Europa und Saudi-Arabien, um damit die Active Enterprises Limited zu gründen. Wie man das eben in seiner Freizeit so macht.

Das Büro der Active Enterprises Limited wurde mit irgendeinem Aufnahmestudio geteilt. Perri konnte seine Begeisterung für seine Idee kaum verbergen; jeder, der sich nicht wehren konnte, erfuhr vom Traum der Multicart. Die besten Spiele, alle auf einer einzelnen Cartridge! Wow! Das hörten auch die drei Studenten Mario Gonzales, Albert Hernandez und Javier Perez, die nebenbei im Aufnahmestudio arbeiteten. Sie boten Perri ihre Dienste den kleines Geld an, und kurze Zeit war der Deal geschlossen. Gemeinsam mit einem vierten Entwickler, der bis heute als unbekannt gilt (man nennt ihn nur mysteriös »The 4th developer«) schafften sie das Unmögliche: 52 Spiele auf einer Multicart für das populäre NES. Sie nannten ihr Baby »Action 52«.

Beware of the Cheetahmen!

Die Spiele auf Action 52 zeichnen sich vor allem durch eins aus: miserable Qualität. Vielleicht lag es am Unvermögen der Ersteller, vielleicht am Zeitmangel oder an der Schwierigkeit, sich mal eben 52 komplett unterschiedliche Spiele auszudenken. Ein Großteil der Games ist furchtbar hässlich, es gibt viele Fehler im Spiel, einige starten erst gar nicht!

Besonders berüchtigt ist unter anderem der Titel »Ooze« auf Action 52, zu dem es einen eigenen Wettbewerb gab. Jeder Spieler, der alle fünf Level des Spiels erfolgreich absolvierte, sollte an einer Verlosung (Preisgelds 104.000 US-Dollar) teilnehmen. Der Gag daran: durch einen Programmierfehler kam man nur bis Level 2, lol. Dringend hervorzuheben ist auch das Spiel »The Cheetahmen«. Perri wollte mit diesem Game einen Abklatsch der seinerzeit wahnsinnigen erfolgreichen Teenage Mutant Ninja Turtles ins Spiel bringen. Geparden mit Ninja-Fähigkeiten. Die Pläne waren groß: Comics, eine Zeichentrick-Serie und Action-Figuren. Na ja, viel passierte nicht, aber hey, es gab wenigstens diesen abgefahrenen Werbespot.

Trash mit Sammlerwert

An dieser Stelle möchte ich ein paar Zahlen nennen, um den Wahnsinn der Entwicklung von Action 52 zu unterstreichen. Die vier Studenten hatten nur insgesamt drei Monate Zeit, um 52 komplett fertige Games zu erstellen. Wahrscheinlich ist der Zeitmangel auch der Grund, warum sich viele der Spiele arg ähneln. Das fertige Produkt wurde am Ende für 199 US-Dollar verkauft. Wer alt genug ist, wird sich erinnern, dass Spiele früher deutlich teurer waren, aber 199 US-Dollar war schon … hui. Natürlich war der Flop vorprogrammiert. Mit der Ablehnung durch Nintendo war das Ende besiegelt, auch wenn Vince Perri noch versuchte, das Projekt weiter zu treiben. Er hatte sogar teilweise Erfolg, denn Action 52 wurde auch für das Sega Mega Drive (Genesis) umgesetzt – aber von anderen Programmierern.

Heutzutage hat Action 52 extremen Sammlerwert. Auf eBay und Co zahlt man derzeit durchschnittlich um die 450 US-Dollar. Es wurden aber auch Exemplare für 1.500 US-Dollar gesichtet. Die Story um die Entstehung der Spiele auf Action 52 ist mittlerweile Kult, es gibt sogar einen Blog vom mysteriösen vierten Programmierer, der noch einmal die Dinge aus seiner Sicht erzählt. Ich selbst habe alle 52 Games via Emulator im Browser gespielt und kann nur sagen: was für ein genialer Scheiß. Alles ruckelt, alles flackert, man fliegt in dem einen Game mit verpixelten Ameisen und ballert auf Büroklammern und in dem anderen springt eine Jump-N-Rum Nase umher, um sich gegen Föns zu wehren. Was ein Trip! Wer sich ein Bild machen möchte, kann beim Angry Video Nerd miterleben, wie er sich durch die vielen Kandidaten der schlechtesten Spiele aller Zeiten quält.

Ich für meinen Teil widme mich gleich erneut dem auf Action 52 enthaltenden Spiel »Micro Mike«. Instant-Death nach nicht einmal einer Sekunde Spielzeit! Trashiger und unterhaltsamer kann man kaum scheitern.

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Skeptiker!

Lassen Sie mich durch, ich bin Skeptiker!

Skeptiker genießen zum Glück keine Ansehen wie Ärzte, Pfaffer oder Anwälte – auch wenn sie es gerne so hätten.

Das Internet hat neben der Suche nach Informationen und Pornos eine besonders effektive Befriedigung unserer Bedürfnisse parat: Besserwisserei in sämtlichen Bereichen. Egal, ob es um die Themen Politik, Fußball, Epidemien, Nahrung, Religion, Promis oder weiß der Geier geht, im digitalen Netz kann jeder seine Meinung kundtun und so lange in den sozialen Medien debattieren, bis es passt. Das Wichtigste: Egal, wie absurd die eigenen Argumente auch sein mögen … man hat gefühlt im jeden Fall recht.

Skeptische Grüße aus Absurdistan

Ein besonders rechthaberische Schlag von Zeitgenossen sind die selbst ernannten Skeptiker. Die aus reiner Lust an der Freude Widerworte geben und auf alternativen Sichtweisen herum reiten. Oder die Fakten weglächeln und abstruse Statistiken irgendwelcher Forscher aus Absurdistan aus dem Hut zaubern, um sich als besser informiert darzustellen. Durch die vielen Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung, die das heutige Internet bieten kann, fühlen sich Skeptiker herausgefordert, über Blogs, Kommentare, YouTube etc. der Welt zu präsentieren, was ihnen durch den Kopf geht.

Letztlich geht es um das recht haben, oder nicht? Warum sonst die Mühe machen und stundenlang nach Argumenten für den Weltuntergang, den Deep State oder der Existenz (ich hätte fast Echsistenz geschrieben, lol) von Echsenmenschen suchen, wenn der Skeptiker nicht das Gefühl hat: ich habe recht, meine Worte überzeugen mich. Warum sonst in zufälligen Gesprächen in der Bahn, auf dem Arbeitsplatz oder im Freundeskreis auf die angeblich einleuchtenden Begründungen einer Verschwörungstheorie beharren? Obwohl man mit größter Wahrscheinlichkeit vollkommen daneben liegen wird? Das will ich nicht kapieren. Ich weigere mich auch, mit Menschen zu diskutieren, die mir ihre Flache-Erde-Theorie mit ihrem Smoothie verkaufen wollen.

Gut gebrüllt, Skeptiker

Wahrscheinlich geht es schon gar nicht mehr um das recht haben, sondern mehr um das gehört werden. Die Debatte mit einem Skeptiker zu führen, ist zweifelsohne anstrengend, aber seine Befriedigung zieht er nicht mehr aus seinem mehr oder weniger überzeugenden Worten, sondern aus meiner Aufmerksamkeit. Ich schenke seiner Argumentation Gehör, also wird es doch vielleicht gar nicht so hirnrissig sein, oder? Es kann eine Basis haben.

Recht bekommen und recht haben können in der Regel zwei verschiedene Dinge sein. Nur wünsche ich mir persönlich in zukünftigen Debatten einen Riegel vor hanebüchen Bullshit zu schieben. Nur weil ich meine Sichtweise begründen kann, muss diese nicht als Fakt gelten. Es ist und bleibt eine persönliche Meinung. Die darf jeder haben, aber eine eigene Meinung formulieren zu können, gleicht keinem Ritterschlag. Nur weil ich provoziere, muss dem keine Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es scheint mir, als mutieren Skeptiker in ihrem Wahn zu einer lebendigen BILD-Zeitung. Aufmerksamkeit um jeden Preis, am lautesten schreien, ohne Rücksicht auf Verluste.

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