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Lasst uns aufhören, Trash zu feiern

Egal, ob die schrägsten Schlagzeilen der Regenbogenpresse oder die neuesten Instagram-Ausfälle irgendwelcher C-Promis – Deutschland liebt und feiert seinen Trash. Das muss aufhören.

Am 14. September 1992 wurde im deutschen TV ein neues Zeitalter eingeleitet. Hans Meiser lud zum Nachmittagstalk ein, ein Sendeformat in denen ein halbes Dutzend Menschen eingeladen wurden, um über ein bestimmtes Thema zu reden. Das Format war dermaßen erfolgreich, dass es übertrieben viele Nachahmer gab. Die Fernsehlandschaft war von morgens bis zum frühen Nachmittag vollgestopft mit Bärbel, Arabella, Oliver und Johannes.

Trash-Kultur: Profitabel und länger haltbar als Plastikmüll

Am 29. September 1999 wurde Oliver Pocher im Rahmen der Sendung »Hans macht dich zum VIVA-Star« entdeckt. Ein Jahr später wurde die erste Folge von Big Brother ausgestrahlt. 2002 folgte DSDS und noch einmal zwei Jahre später das Dschungelcamp. Nahezu 20 Jahre Trash. Auch wenn ein Großteil der genannten Formate bei RTL ausgestrahlt wurde, stehen die Konkurrenten in Sachen Schrott-TV mit Wegwerf-Charakteren in keinerlei Hinsicht nach. Viele Formate laufen bis heute noch – erfolgreich.

Nicht nur im TV wurde die Verehrung für Müll geboren. Die Musikbranche in Deutschland florierte und bot seinerzeit holländischen Eurodance gegen zukünftige Kult-Alben wie »Nevermind« und »Enter the Wu-Tang«. 1995 wurde die deutsche Boyband »Bed and Breakfast« gegründet. Sie gilt als die erste und auch erfolgreichste Boygroup Deutschlands. Daniel Aminati, heute noch das Gesicht der TV-Sendung »Galileo«, stieg 1996 aus. Wer heutzutage das Radio einschaltet, wird meist mit einer Mischung aus Nostalgie (Stichwort Eurodance) und deutschsprachigen Hip Hop der Art beglückt, der 2003 durch die Single »Mein Block« auf sich aufmerksam machte und bis heute populär bleibt. Am 9. August 2004 wurde die Single »Arschficksong« veröffentlicht. Als solche erreichte es Platz 63 der deutschen Singlecharts.

Reine Schadenfreude, die als Ironie empfunden wird

Vielen in meinem Umfeld schauen Trash-TV ironisch. Aus Neugier, Langeweile, zur Unterhaltung. Bei manchen Formaten wie dem Bachelor oder GNTM wird sogar via Twitter mitgefiebert und geschimpft, während die gesamte Familie sich über die Eskapaden in »Tropical Island« amüsiert. Klassische Trash-Formate wie »Frauentausch« laufen noch, werden eingeschaltet, wenn man auf Krawall gebürstet ist. Vielleicht wurde zur Einstimmung eine 90er-Playlist bei Spotify rauf und runter gehört.

20 Jahre Trash und kein Ende. Wir füllen unsere Freizeit mit Wegwerfprodukten und feiern Müll. Marrion Farrely ist eine Produzentin von Reality-TV Formaten aus den USA und gab in einem Interview bekannt, dass sie den Teilnehmern der Shows vorab klärende Worte mit auf den Weg gibt; sie nennt es selbst den talk of doom. Darin heißt es u.a.: »Ihr werdet berühmt sein. Zu berühmt für euren Job, aber nicht berühmt genug, um davon leben zu können. Das bedeutet, ihr werdet zwei Jahre lang arbeitslos sein. Bist Du ein Mann? Dann will Dich jeder andere Mann herausfordern. Bist Du eine Frau? Dann will Dich niemand mehr daten. Ohnehin wird sich jeder Ex-Lover melden, um ein vergangenes Techtelmechtel aufzukochen. Du denkst, man wird dich wiedererkennen und lieben, doch man wird mit dem Finger auf Dich zeigen und sagen: Hey, das ist das doch dieser Idiot aus dem TV.«

Solange wir gewisse Medien dafür belohnen, dass sie uns täglich mit Abfall bedienen, wird sich das nicht ändern. Klickt keine schrottigen Schlagzeilen an, teilt keine idiotischen Blamagen, die im Privatfernsehen liefen. Sonst kommen die TV-Sender und Ramschblätter der Regenbogenpresse niemals auf die Idee, dass auch mit anderen Inhalten oder gar Qualität Gewinne erzeugt werden können.

Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay
Beitragsbild: Action 52: Büroklammern zum Abballern

Action 52: Büroklammern zum Abballern

52 Spiele (?) auf einmal. Die berüchtigte Spielsammlung Action 52 ist Trash in Reinkultur. Vielleicht ist diese Obskurität dem einen oder anderen Gamer ein Begriff, aber die dazugehörige Entstehungsgeschichte hat es auch in sich. Eine Legende! Für Zocker, denen Daikatana zu qualitativ und für Trash-Fans, denen »Troll 2« zu mainstream ist.

Will man einen gelungenen Abend mit Freunden verbringen, so hat man die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Entweder legt man den guten alten Scheiß von damals auf, oder schaut kultigen Trash zum Ablachen. Richtig schlechte Filme, die so unerträglich mies sind, dass sie geradezu genial wirken. Aber es müssen nicht immer Filme sein, besonders PC- und Videospiele können schlecht, frustrierend und nervig sein. So grauenvoll, dass sie wieder Kult sind.

Angeheitert gibt es kaum ein schöneres Vergnügen, als mit einem Pixelklotz in alter Atari-Konsolen-Manier über andere absurde Pixeldinger zu hüpfen, diese webzuballern oder zu umfliegen. Ich bin mit Spielen dieser Art groß geworden, doch stieß ich erst vor kurzem auf die wahnwitzige Spielesammlung namens »Action 52« und die dazugehörige Geschichte. Das Drumherum, wie dieses Projekt entstand, faszinierte mich so arg, dass ich das an dieser Stelle teilen möchte.

Action 52: Eine Vision, 52 Spiele

Vinnie Perri staunte nicht schlecht, als er seinen Sohn beim Zocken beobachtete. Die Games, die er spielte, waren illegal! Versammelt auf einer Multicart (Cartridge, Spielmodul) waren zig Spiele, ein verbotener Import aus Taiwan. Normalerweise bot der Handel nur ein Spiel pro »Modul«, wie es in meiner Jugend hieß. Perri hatte daraufhin eine Vision. Er wollte selbst Video- und Computerspiele investieren, mindestens 40 Games auf eine einzelne Cartridge packen und diese dann Nintendo anbieten. Ein Geniestreich! Schließlich zockt sein Sohn am liebsten illegale Games, die Kids in der Nachbarschaft erst recht. Also sammelte Perri 5 Millionen US-Dollar von Investoren in Europa und Saudi-Arabien, um damit die Active Enterprises Limited zu gründen. Wie man das eben in seiner Freizeit so macht.

Das Büro der Active Enterprises Limited wurde mit irgendeinem Aufnahmestudio geteilt. Perri konnte seine Begeisterung für seine Idee kaum verbergen; jeder, der sich nicht wehren konnte, erfuhr vom Traum der Multicart. Die besten Spiele, alle auf einer einzelnen Cartridge! Wow! Das hörten auch die drei Studenten Mario Gonzales, Albert Hernandez und Javier Perez, die nebenbei im Aufnahmestudio arbeiteten. Sie boten Perri ihre Dienste den kleines Geld an, und kurze Zeit war der Deal geschlossen. Gemeinsam mit einem vierten Entwickler, der bis heute als unbekannt gilt (man nennt ihn nur mysteriös »The 4th developer«) schafften sie das Unmögliche: 52 Spiele auf einer Multicart für das populäre NES. Sie nannten ihr Baby »Action 52«.

Beware of the Cheetahmen!

Die Spiele auf Action 52 zeichnen sich vor allem durch eins aus: miserable Qualität. Vielleicht lag es am Unvermögen der Ersteller, vielleicht am Zeitmangel oder an der Schwierigkeit, sich mal eben 52 komplett unterschiedliche Spiele auszudenken. Ein Großteil der Games ist furchtbar hässlich, es gibt viele Fehler im Spiel, einige starten erst gar nicht!

Besonders berüchtigt ist unter anderem der Titel »Ooze« auf Action 52, zu dem es einen eigenen Wettbewerb gab. Jeder Spieler, der alle fünf Level des Spiels erfolgreich absolvierte, sollte an einer Verlosung (Preisgelds 104.000 US-Dollar) teilnehmen. Der Gag daran: durch einen Programmierfehler kam man nur bis Level 2, lol. Dringend hervorzuheben ist auch das Spiel »The Cheetahmen«. Perri wollte mit diesem Game einen Abklatsch der seinerzeit wahnsinnigen erfolgreichen Teenage Mutant Ninja Turtles ins Spiel bringen. Geparden mit Ninja-Fähigkeiten. Die Pläne waren groß: Comics, eine Zeichentrick-Serie und Action-Figuren. Na ja, viel passierte nicht, aber hey, es gab wenigstens diesen abgefahrenen Werbespot.

Trash mit Sammlerwert

An dieser Stelle möchte ich ein paar Zahlen nennen, um den Wahnsinn der Entwicklung von Action 52 zu unterstreichen. Die vier Studenten hatten nur insgesamt drei Monate Zeit, um 52 komplett fertige Games zu erstellen. Wahrscheinlich ist der Zeitmangel auch der Grund, warum sich viele der Spiele arg ähneln. Das fertige Produkt wurde am Ende für 199 US-Dollar verkauft. Wer alt genug ist, wird sich erinnern, dass Spiele früher deutlich teurer waren, aber 199 US-Dollar war schon … hui. Natürlich war der Flop vorprogrammiert. Mit der Ablehnung durch Nintendo war das Ende besiegelt, auch wenn Vince Perri noch versuchte, das Projekt weiter zu treiben. Er hatte sogar teilweise Erfolg, denn Action 52 wurde auch für das Sega Mega Drive (Genesis) umgesetzt – aber von anderen Programmierern.

Heutzutage hat Action 52 extremen Sammlerwert. Auf eBay und Co zahlt man derzeit durchschnittlich um die 450 US-Dollar. Es wurden aber auch Exemplare für 1.500 US-Dollar gesichtet. Die Story um die Entstehung der Spiele auf Action 52 ist mittlerweile Kult, es gibt sogar einen Blog vom mysteriösen vierten Programmierer, der noch einmal die Dinge aus seiner Sicht erzählt. Ich selbst habe alle 52 Games via Emulator im Browser gespielt und kann nur sagen: was für ein genialer Scheiß. Alles ruckelt, alles flackert, man fliegt in dem einen Game mit verpixelten Ameisen und ballert auf Büroklammern und in dem anderen springt eine Jump-N-Rum Nase umher, um sich gegen Föns zu wehren. Was ein Trip! Wer sich ein Bild machen möchte, kann beim Angry Video Nerd miterleben, wie er sich durch die vielen Kandidaten der schlechtesten Spiele aller Zeiten quält.

Ich für meinen Teil widme mich gleich erneut dem auf Action 52 enthaltenden Spiel »Micro Mike«. Instant-Death nach nicht einmal einer Sekunde Spielzeit! Trashiger und unterhaltsamer kann man kaum scheitern.

Titel: Lassen Sie mich durch, ich bin Skeptiker!

Lassen Sie mich durch, ich bin Skeptiker!

Skeptiker genießen zum Glück keine Ansehen wie Ärzte, Pfaffer oder Anwälte – auch wenn sie es gerne so hätten.

Das Internet hat neben der Suche nach Informationen und Pornos eine besonders effektive Befriedigung unserer Bedürfnisse parat: Besserwisserei in sämtlichen Bereichen. Egal, ob es um die Themen Politik, Fußball, Epidemien, Nahrung, Religion, Promis oder weiß der Geier geht, im digitalen Netz kann jeder seine Meinung kundtun und so lange in den sozialen Medien debattieren, bis es passt. Das Wichtigste: Egal, wie absurd die eigenen Argumente auch sein mögen … man hat gefühlt im jeden Fall recht.

Skeptische Grüße aus Absurdistan

Ein besonders rechthaberische Schlag von Zeitgenossen sind die selbst ernannten Skeptiker. Die aus reiner Lust an der Freude Widerworte geben und auf alternativen Sichtweisen herum reiten. Oder die Fakten weglächeln und abstruse Statistiken irgendwelcher Forscher aus Absurdistan aus dem Hut zaubern, um sich als besser informiert darzustellen. Durch die vielen Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung, die das heutige Internet bieten kann, fühlen sich Skeptiker herausgefordert, über Blogs, Kommentare, YouTube etc. der Welt zu präsentieren, was ihnen durch den Kopf geht.

Letztlich geht es um das recht haben, oder nicht? Warum sonst die Mühe machen und stundenlang nach Argumenten für den Weltuntergang, den Deep State oder der Existenz (ich hätte fast Echsistenz geschrieben, lol) von Echsenmenschen suchen, wenn der Skeptiker nicht das Gefühl hat: ich habe recht, meine Worte überzeugen mich. Warum sonst in zufälligen Gesprächen in der Bahn, auf dem Arbeitsplatz oder im Freundeskreis auf die angeblich einleuchtenden Begründungen einer Verschwörungstheorie beharren? Obwohl man mit größter Wahrscheinlichkeit vollkommen daneben liegen wird? Das will ich nicht kapieren. Ich weigere mich auch, mit Menschen zu diskutieren, die mir ihre Flache-Erde-Theorie mit ihrem Smoothie verkaufen wollen.

Gut gebrüllt, Skeptiker

Wahrscheinlich geht es schon gar nicht mehr um das recht haben, sondern mehr um das gehört werden. Die Debatte mit einem Skeptiker zu führen, ist zweifelsohne anstrengend, aber seine Befriedigung zieht er nicht mehr aus seinem mehr oder weniger überzeugenden Worten, sondern aus meiner Aufmerksamkeit. Ich schenke seiner Argumentation Gehör, also wird es doch vielleicht gar nicht so hirnrissig sein, oder? Es kann eine Basis haben.

Recht bekommen und recht haben können in der Regel zwei verschiedene Dinge sein. Nur wünsche ich mir persönlich in zukünftigen Debatten einen Riegel vor hanebüchen Bullshit zu schieben. Nur weil ich meine Sichtweise begründen kann, muss diese nicht als Fakt gelten. Es ist und bleibt eine persönliche Meinung. Die darf jeder haben, aber eine eigene Meinung formulieren zu können, gleicht keinem Ritterschlag. Nur weil ich provoziere, muss dem keine Aufmerksamkeit geschenkt werden. Es scheint mir, als mutieren Skeptiker in ihrem Wahn zu einer lebendigen BILD-Zeitung. Aufmerksamkeit um jeden Preis, am lautesten schreien, ohne Rücksicht auf Verluste.

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Titel: Warten auf die Midlife-Crisis

Warten auf die Midlife-Crisis

Ist die Midlife-Crisis bereits da oder kommt sie noch? Auch wenn böse Zungen sagen, sie wäre bereits da, hocke ich wartend auf der Bank.

Es fällt mir schwer, mehr als fünf Minuten auf die S-Bahn zu warten. Dass ich bereits geschlagene 40 Jahre auf die lang angekündigte Midlife-Crisis warte, gleicht somit einer bodenlosen Frechheit. Bereits seit zwei Dekaden versuchen mir gehässige Zeitgenossen den Lebensmut zu rauben, indem sie mir die Nachteile des Älterwerdens aufzählen. Depressionen, Haarausfall, noch mehr Wampe, roter Sportwagen als Penisersatz, Sehnsucht nach Laura Müller und ein verstörender Zwang, zur Schlager-Musik im Takt zu klatschen.

Ab 40 mit einem Bein im Altersheim

Die magische 40 stärkte scheinbar den Wunsch für Beleidigungen. Streng genommen fing es bereits mit 30 an, als ich »auf die 40 zuging«. Die geballten Klischees holten mich ein, Widerstand zwecklos. Sobald meine müden Knochen beim Aufstehen knackten, wurden noch müdere Witze gerissen. »Habe Dir bereits ein Bett im Altersheim gesichert, höhö« und ähnliche Schenkelklopfer, die bei jeder Büttenrede für tobendes Gelächter auslösen würden.

Es wird einem leicht gemacht, sich alt zu fühlen. Man braucht nur eine halbe Stunde Radio hören, um festzustellen, dass die Veröffentlichung des einen oder anderen Lieblingssongs bereits 20 (!) Jahre her sein kann. Everyboooooooody. Rock. Your. Body. right. Da fällt mir ein: ich sollte vielleicht ICQ deinstallieren. Das benutzt doch wirklich niemand mehr, oder?

Die Midlife-Crisis als Markt

Was ist, wenn ich die Midlife-Crisis verpasst habe? Oder noch schlimmer: wenn ich sie bereits hinter mir habe? Stecke ich bereits in der Endlife-Crisis? The Walking Dead? Dabei kann ich keinerlei Endzeitstimmung bezüglich meiner Person feststellen – abgesehen von dem Knick-Knack-Soundtrack meiner Knochen. Vielleicht kommt sie auch nie? Warten auf Godot, warten auf die große Krise.

Das Bild des kaputten Mannes im mittleren Alter ist kein Klischee mehr, sondern eine gefühlte Wahrheit. Längst gibt es für Männer über 40 einen Markt, damit die Ausweglosigkeit und Tristresse mit Shopping bewältigt werden kann. Sollte der bekannte rote Sportwagen nicht ausreichen, so könnte eventuell ein Kochbuch für Männer in der Krise helfen. Oder Viagra.

Lass knacken, Alter

Manchmal wirken die böse Worte nach. Dann frage ich mich: »Bin ich nicht zu alt dafür?« Ein Blick auf meinen Bauch (»Dadbod«) könnte diese Annahme bestätigen. Doch möchte ich weiterhin verneinen. Sicherlich gab und gibt es Krisen, doch sind diese altersunabhängig. Ich blicke zurück auf schwierige Zeiten und auf Glücksmomente, warum soll das nicht auch für morgen gelten? Selbst wenn alle Stricke reißen, kann ich jede Krise kontern: mit dem Best-of meiner knackenden Knochen-Sounds. Everybooooody.

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Beitragsbild: Love Interest - wenn das Herz in Sparflammen steht

Love Interest – wenn das Herz in Sparflammen steht

Was versteht man unter dem Audruck Love Interest? Handelt es sich um eine klassische Romanze oder steckt mehr dahinter?

Eine Freundin hat eine Schwäche für Christian Lindner. Ein Kollege schwärmt dagegen immer noch von Lara Croft. Die unerreichte Liebe, der Flirt nebenbei, die Fantasie, die einem den Kopf verdreht. Das im englischen Sprachgebrauch genutzte Wort hierfür lautet Love Interest. Natürlich finden sich in Film und Literatur viele Beispiele für Konstellationen dieser Art, in denen ein Charakter ein ausgeprägtes Interesse an einer anderen Person entwickelt, diese aber unerreichbar bleibt – manchmal sogar beabsichtigt.

Love Interest – Disney ist schuld

Unsere heutige Kultur ist vollgestopft mit Beispielen für diverse Love Interest Szenarien, allen voran die Werke aus dem Hause Disney. Mir persönlich fällt kaum ein Animationsfilm ein, in denen kein typisches Gespann gezeigt wird, die sich zwar offensichtlich sehr mögen, aber aus denen im romantischen Sinn nichts wird. Egal ob Shrek oder jede Inkarnation eines Prince Charming, sie alle spielen mit dem Bild einer romantisch geprägten Beziehung zwischen Mann und Frau, doch sind damit selbstredend meilenweit von der Realität entfernt.

All die Aspekte, die eine Partnerschaft nach unserem Verständnis ausmachen (unter anderem Sexualität, gemeinsam etwas aufbauen, Aufteilung der Hausarbeit, Nachwuchs) bleiben außen vor und spielen keine Rolle. Warum auch? Es sind Animationsfilme, die rein gar nichts mit der Realität zu tun haben müssen. Und jeder, der sich eine Beziehung mit Lara Croft gewünscht hat, mag begeistert über die weitere Entwicklung dieser Figur wachen und den Tag herbei sehnen, in denen VR unser täglich Brot wird, aber na ja. Solche Beziehungen werden gewiss eine neue Bezeichnung finden.

Mehr als ein Schwarm

Ich stellte mir die Frage, ob ein Love Interest im Sinne von Schwärmerei steht. Doch beschreibt das Schwärmen eher die Begeisterung für eine Person, einen Ort oder eine Sache. Romantisch liest sich diese Beschreibung nicht, wobei ich irgendwo von einer Frau gehört habe, die eine Ehe mit dem Eiffelturm geschlossen haben soll. Verrückt. Wobei nicht vergessen werden sollte, dass Romantik keine Grundvoraussetzung für eine Heirat sein muss.

Könnte somit ein Love Interest den (nicht selten) unerfüllten Wunsch nach einer Liebe bedeuten, wie sie besonders in Literatur und Film dargestellt werden? Keine realistische Beziehung mit all ihren Komplikationen wie Alltagsstress, Impotenz, Entfremdung, Erziehung der Kinder und das Klauen der gemeinsamen Bettdecke. Eine Partnerschaft, die niemals Sodbrennen verursacht, obwohl beide Schmetterlinge im Bauch haben. Diesen Wunsch nach romantischer Nähe stillen Filme, Bücher und Lara Croft. Und das macht diese Werke liebenswert bzw. stärkt meinen Wunsch, das Schaffen an sich zu begehren.

Beitragsbild: Vacation Shaming fällt dieses Jahr aus

Vacation Shaming fällt dieses Jahr aus

Dank der Pandemie keine Chance: Vacation Shaming fällt ins Wasser, da viel zu wenig Personen verreisen – sind sie sogar zu faul für den Urlaub?

Wähkeyschn-was? Vacation Shaming! Wenn du braungebrannt das Büro betrittst und statt Lob für deinen neuen Strohhut nur böse Blicke und abwertende Kommentare erntest. Deine Kollegen, diese neidischen Malocher, dissen dich wegen deines Reiseziels, der genommenen Urlaubstage und weil du gewagt hast, während des Urlaubs nicht zu arbeiten. Eine bodenlose Frechheit. Da hilft auch dein Sonnenbrand nichts.

Sich für den Eiffelturm schämen

Doch woher kommt dieser Neid und der Drang, Urlaubern übelste Schuldgefühle einzureden? Vielleicht liegt es am Siegeszug von Instagram und der Unendlichkeit postkartenartiger Strandbilder, auf denen sich die Urlauber fröhlich unter Palmen wälzen. Nicht jeder kommt mit dieser Flut an Happiness zurecht und gönnt die zusätzliche Freizeit ohehin niemanden. Wird es etwa nicht gerne gesehen, wenn die Kollegen ein Leben außerhalb der Arbeit führen?

Dank Vacation Shaming soll es sogar Personen geben, die gänzlich auf ihren wahrscheinlich verdienten Urlaub verzichten. Frei nach dem Motto »Dann gehe ich lieber arbeiten, bevor mir der Eiffelturm zum Problem wird«. Verrückte Zeiten. Persönlich muss ich sagen, dass Reisen an sich bereits so viel Stress verursacht, dass ich erst wenn es fast vorbei ist wahres Urlaubsfeeling spüre. Reisevorbereitungen und die Erlebnisse an Flughäfen (oder gar im Zug) wachsen schnell zum krassen Gegenteil heran – nämlicher blinder Wut. Und dafür sollte ich mich vor den Kollegen schämen? Absurd.

Home-Office führt zu Vacation Shaming

Im Jahr 2020 dürfte Vacation Shaming aber eh nicht das große Thema sein. Die Pandemie verhinderte das Sammeln weiterer Flugmeilen, wobei Mallorca just wieder belagert wird. Anstatt das Reiseziel zu bereuen, geht angesichts der Umstände vielleicht mehr die Angst um sich, überhaupt Urlaub einzureichen. Viele haben Schiss, dass eine wütende Reaktion a lá »Sie wollen Urlaub vom Home-Office? Wie faul und versoffen kann man sein?« folgt.

Noch eine beliebte Frage lautet »Und wann arbeitest Du?« Diese wird gerne von den werten Kollegen gestellt, meist kurz nachdem man den Jahresurlaub eingereicht hat. Deshalb zum Abschluss ein kleiner Vorschlag meinerseits zur Rettung der Arbeitsmoral: Warum nicht einfach einen verlängerten Firmenausflug planen? Muss ja nicht weit weg sein, schont das 17. Bundesland. Im gemeinsamen Urlaub auf dem nahe gelegenen Bauernhof müsst ihr nicht warten, bis jemand die Beweisfotos via Insta hochgeladen habt, sondern könnt aufkommenden Hass bereits währenddessen auskosten.

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Titel: Guilty Pleasures: Einladung zum Fremdschämen

Guilty Pleasures: Einladung zum Fremdschämen

Gilti-was? Guilty Pleasures? Was soll das sein? Wer gerne Frauentausch und Co. schaut und sich eigentlich dafür schämt, hat endlich die passende Bezeichnung.

Dialoge waren gestern, wir feiern Monologe. Lade deine Haustiere in die Gallerie, poste den bösen Kommentar zu Andreas Scheuer und spacke auf TikTok ab. Wir haben so wenig Bock auf ein Miteinander, dass wir lieber Podcasts hören, als selbst ein Gespräch anzufangen. Wenn man permanent im Selbstgespräch ist, gibt man eventuell leichter die eine oder andere Schwäche zu: Guilty Pleasures. Was das sein soll? Ein heimliches Vergnügen oder Laster, welches meist zu peinlich ist, um es zuzugeben.

Das gar nicht mal so heimliche Laster

Das Wort habe ich bezeichnend beim Hören eines Podcasts über Duisburg aufgeschnappt. »Trash TV ist ja mein Guilty Pleasure, muss ich gestehen« oder so war die Beichte. Gillti Pläschah. Bei meinen Recherchen fand ich schnell heraus, dass sich besonders trashige Formate aus der geläufigen Pop-Kultur für diese Bezeichnung, diese Einladung zum Fremdschämen, eignen. So schlecht, bis es beinahe wieder gut ist. Fast! Es muss schon eine Sendung auf RTL II sein, eine Begeisterung für Guido-Knopp-Dokus wäre weiterhin auffallend scheiße.

Wobei es etwas langweilig erscheint, ausgerechnet die gängigen Trash-Formate wie »Der Bachelor« oder »Schwiegertochter gesucht« als Guilty Pleasure zu bezeichnen. Es sind ziemlich erfolgreiche Formate, also werden es scheinbar genug Leute glotzen, ohne sich auch nur eine Sekunde dafür zu schämen. Vielleicht hängt dies aber mit dem Selbstbild zusammen, weil niemand gerne mit solcher TV-Unterhaltung in Verbindung gebracht werden möchte. Schließlich schauen wir in der Regel nur Arte-Dokus, nicht wahr?

Meine Guilty Pleasures prügeln sich unter Palmen

Ich für meinen Teil gebe an dieser Stelle gerne meine persönlichen Guilty Pleasures zu, bin ja quasi just im Monolog. A) Ich mag Synthwave-Musik. Ja, diese kitischige Pseudo-80er Mucke in Neonfarben mit VHS-Störungen. B) Begeistert verfolge ich das TV-Format »Let’s Dance«, weil ich selbst gerne Standard und Latein tanze. C) Bei Games liebe ich 2D-Prügel Games wie »Street Figher« oder die ganzen NEO-GEO Teile. Ein perfekter Tag wäre demzufolge eine Fahrt Cabrio in den neonfarbenen Sonnenuntergang, vor dem sich Silhouetten mit Palmen tanzen und prügeln, dazu Sonnenbrille, Schulterpads und Saxophon.

Zugegeben: das tat jetzt schon gut. Einfach zugeben, was man mag, ohne Rücksicht auf Verluste. Und wenn für diesen sonst möglicherweise unangenehmen Seelenstrip eine Umschreibung in Mode gekommen ist – warum nicht? Doch bitte beachten: ich habe gelesen, dass nicht nur Filme, Musik und Bussi-Wassereis in die Schublade Guilty Pleasures fallen können, sondern auch gewisse Fetische. Dann doch lieber »Schwiegertochter gesucht« statt »Schwiegertochter gebucht«.

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Beitragsbild: Der Lockdown hat mich zum Alkoholiker werden lassen

Der Lockdown hat mich zum Alkoholiker werden lassen

Wird man direkt zum Alkoholiker, nur weil man aufgrund des Lockdowns aus seiner alltäglichen Routine gerissen wird? Die schlichte Antwort lautet: Ja.

Es fing alles harmlos an. Homeoffice, check. Playlist zusammengestellt, check. Toilettenrollen nachgezählt, check. Doch irgendwas fehlte. Lustlos schlurfte ich in die Küche, um Tag X in diesem Lockdown aufzuwerten. Vielleicht etwas Schokolade? Näää. Was zum Knabbern? Ach, lass ma. Auch beim Öffnen des Kühlschranks packte mich keine Begeisterung, bis auf die kleine unschuldige Flasche Pils, die ich im Augenwinkel wahrnahm. Verlockend, musste ich zugeben. »Kein Bier vor Vier!« sagte ich weise und verließ die Küche wieder.  

Wieder vor dem PC angekommen, klickte ich demotiviert lästige Emails weg und konnte nicht einmal meiner sonst heftig groovende Playlist etwas abgewinnen. Stattdessen schnaufte ich lautstark, ließ mich hängen und gestand mir ein: ich bin ein schwacher Mensch. Bewegungslos verblieb ich so für ein, zwei Augenblicke. Ich könnte das Bier ja auf dem Weg von der Küche ins Arbeitszimmer trinken, dann wäre es praktisch ein Wegbier und nicht existent. Oder ich warte.

Montag? Mittwoch? Egal

Keine Ahnung, ob man die folgenden Momente nachempfinden kann: im Lockdown kam es zu diesen besonderen Momenten der vollkommenen Orientierungslosigkeit. Zeit und Raum spielten keine Rolle mehr; ebenso wenig, wann zuletzt geduscht wurde. War das Brot trotz Schimmel essbar? War das mein Atem? Und wo war meine Hose? All diese Dinge verloren an Bedeutung. So auch die Uhrzeit. Somit fand ich mich in der Küche wieder. Gebrochen, aber durstig.

»Gegen ein einziges Bier wird ja wohl niemand was sagen«, versicherte ich mir. Wer denn auch? Ist ja niemand hier, außer meiner Wenigkeit. Das Bier und ich. Wir wurden innerhalb weniger Sekunden beste Freunde. Der erste Schluck füllte die innere Leere, die sich im Lockdown in mir breit gemacht hatte. Was ein Gefühl! Unbeschreiblich. Ich fühlte mich, als ob es kein Morgen geben würde. Und wenn, dann wüsste ich eh nicht, welcher Wochentag das wäre.

Was Sinnvolles? Oder noch ein Bier

Vier Flaschen später. Auf dem Display meines Smartphones stapeln sich die Neuigkeiten und Fragen, wo ich denn stecke. Keine Lust auf Quatschen. Ich könnte mir was Essbares suchen. Oder ich trinke einfach noch ein Bier. Hatte ich heute etwas vor? Was Wichtiges? War da nicht eine TelKo am späten Nachmittag? Hmm. Hatte schon ewig keinen Cuba Libre mehr. Cocktails bereiten immer gute Laune – auch ohne Schirmchen.

Mittlerweile sind gewiss schon einige Tage vergangen. Aufgrund meiner spärlichen Kontakte wie bei meinen Bestellungen beim Lieferanten des Getränkebringdienstes beschränkte sich mein Vokabular auf »Prost« und »Danke«. Mein Weg zur vollkommenen Verwahrlosung war bezeichnend simpel. Der Lockdown wird früher oder später enden, das war mir damals schon klar. Doch ein anderes Problem machte sich in meinem Leben breit: wie werde ich all die leeren Schnapsflaschen los?

Beitragsbild: Im Büro gibt es nichts zu lachen

Im Büro gibt es nichts zu lachen

Dieser eine Fremdschäm-Moment, wenn der Chef einen furchtbaren Witz reißt und dennoch alle mitlachen. Humor im Büro? Fehlanzeige. Gelacht wird aber dennoch – und das vor allem laut.

Bei Reddit gibt es das Sub »Ichbin40undlustig«, ein Sammelsurium von schlechten Witzen in Bildern. Ein Fest für all die verlorenen Seelen, die selbst im Jahr 2020 noch über »Eine schrecklich nette Familie« und Tom Gerhardt lachen können. Mittlerweile habe auch ich die verrufenen 40 Lebensjahre überschritten und bekomme bekomme schnell Schnappatmung, wenn zum Beispiel im Büro die berühmt-berüchtigten lustigen fünf Minuten angebrochen sind.

Diese kurze, aber schmerzhafte Zeitraum ist gefüllt mit lautstarkem Gelächter und Pointen, die sich in ihrer Kreativität stets aufs Neue unterbieten. Der typische Arbeitsplatz-Scherz ist nicht selten sexistisch, rassistisch oder auf eine andere unangenehme Art und Weise diskriminierend. Lausche ich wehrlos auf dem Weg zwischen Kaffeemaschine und Kopierer dieser Büttenrede aus der Hölle, so fühle ich mich in eine Kindheit voller Blondinenwitze und Kalauer über Leprakranke zurückversetzt. Let’s fetz.

Zweideutigkeit für beklopfte Schenkel

Woran liegt das? Es gibt in der Regel »diesen-einen-Kollegen«, der besonders bescheuerte Bilder in die WhatsApp-Gruppe schickt und der zu jeder (un)passenden Gelegenheit die (für ihn) zutreffende Redewendung wie aus der Pistole geschossen aufsagt. Anstrengend. Begleitet wird dies meist von gekünstelt lautem Gelächter, welches sogar einige Kollegen ansteckt. Da gackert das halbe Büro, weil jemand einen eindeutig zweideutigen Spruch brachte – und ich möchte am liebsten aus dem Fenster springen.

Auf meinen wenig amüsierten Gesichtsausdruck hin werde ich gar angesprochen: »Hach ja, schlechte Laune? Lachen Sie doch mal!« … während ich bereits mit einem Bein auf der Fensterbank stehe. Ist das der Durchschnitt? Die Messlatte unseres Humors? Anspruchsloser Humor, der sich nicht totkriegen lässt und in einigen Kreisen hochansteckend wirkt? Oder ist es nur ein Phänomen des Arbeitsalltag, da die wild durcheinander gewürfelten Persönlichkeiten der Mitarbeiter irgendwo zwischen Pispers-Zitaten und Frauentausch-Anekdoten ihre Mitte finden müssen?

Mit »Dad-Jokes« beim Chef beliebt machen

Um noch einmal auf das Alter zurückzukommen: ab einem gewissen Punkt machen Typen scheinbar nur noch sogenannte »Dad-Jokes«, die so schlecht sein sollen, dass sie beinahe (!) wieder lustig sind. Witze aus einem Land vor unserer Zeit. Bei meinen Recherchen suchte ich nach dem Pendant »Mom-Jokes«. Diese gibt es zwar auch, aber werden von den typischen »Deine Mutter« Sprüchen überschattet.

Zurück zum Fremdschämen während der Arbeit. Wie soll man nun mit solchen Pausenclowns umgehen? Mitlachen? Weggehen? Mein Tipp: Über die Witze des/der Vorgesetzten immer schenkelklopfend mitgröhlen oder wenigstens glaubwürdig lächeln. Bei den Kollegen wird es kniffliger: Natürlich alle TeilnehmerInnen der WhatsApp Gruppe stumm schalten, im WC verstecken und hoffen, dass »dieser-eine-Kollege« keine dämlichen Toilettensprüche irgendwo hingeschmiert hat.

Bild: Haben Verschwörungstheorien meine Freunde ruiniert?

»Haben Verschwörungstheorien meine Freunde ruiniert?«

Die Demotivationsfrage: Was ist nur mit meinen Kontakten in den sozialen Medien los? Hat sie der Verschwörungstheorien-Virus gepackt?

Demotivationsfragen: Rhetorische Fragen, deren Antworten entmutigen aber zeitgleich erheitern können. Regelmäßig auf Miesepeters.

Plötzlich ist der Kindergartenfreund Impfgegner

Der Gang zu meinem alten Arbeitsplatz überzeugte durch aberwitzige Graffitis, die mich regelmäßig aufmunterten. Besonders die Sprüche hatten es mir angetan: „All you need is beer“, „Verhaltet euch ruhig!“ oder „Bettina, ich habe die Faxen dicke“. Einer der zahlreichen Kalauer wirkt heutzutage total überholt: »9/11 was an inside job!« – womit wir auch beim Thema wären. Damals war der Spruch in Mode oder möglicherweise ironisch gemeint, aber dennoch ein gefährliches Spiel mit dem Feuer namens Verschwörungstheorie. Nahm eh keiner ernst, allerhöchstens die Chemtrail-Beobachter und Aluhut-Träger. Heute? Niemand ist mehr vor diesen Schwurblern sicher.

Meine zuvor unauffällige Kontaktliste bei Facebook scheint voll mit redseligen Wahnsinnigen, die dank der gut geschmierten Verschwörungsindustrie plötzlich das Bedürfnis verspüren, mich mehrfach am Tag mit Bullshit zu belästigen. Anfangs stoppte ich nur die Abos der besonders verhaltensauffälligen Rabauken, doch langsam aber sicher muss ich einsehen, dass es nicht immer die beste Idee ist, sich aus Höflichkeit oder Nostalgie mit alten Mitschülern von der Realschule via Social Media zu verbinden. Nur weil man ebenso oft als Letzter für die Volleyball-Gruppe rekrutiert wurde, bedeutet das nicht, dass einem im Alter Schwachsinn wie »Pizza-Gate« verbindet. Von daher meine Frage: Wie werde ich diese ganzen Vollhirnis los? Muss ich alle aus meinem Account werfen oder ist ein Ende des Wahnsinns absehbar? – Heiko F. aus Krefeld

Vermissen Sie schon die Klimakatastrophe?

Erinnern Sie sich noch an Ihre jüngsten Jahre? Möglicherweise riefen Sie mitten in der Nacht panisch nach Ihren Erziehungsberechtigten, weil Sie zu 100% ein Monster unter dem Bett vermuteten. In Ihrer Vorstellungskraft hatte sich Cthulhu höchstpersönlich unter Ihrem Lattenrost eingerichtet, um sich auf die Weltübernahme vorzubereiten, bis ein kleine Bettnässer im He-Man-Schlafanzug ihn überführte. Die Wahrheit war ernüchtend, natürlich war bis auf ein paar eindrucksvolle Wollmäuse nichts zu sehen.

Nun möchte den Schwurblern nicht unbedingt das Denkvermögen eines Kindes unterstellen. Könnte trotzige Reaktionen hervorrufen! Erst letztens las ich anderswo den klugen Ratschlag, die derzeit populären Verschwörungstheorien nicht öffentlich zu veralbern. Viele reagieren mit Ironie und Sarkasmus auf die üblichen Postings der Schwurbelgang, um den fragwürdigen Aussagen wenigstens etwas entgegen zu setzen. Nachteil dieser Taktik: die Theorie verbreitet sich dennoch. Ironie versteht letztlich nicht jeder, wahrscheinlich noch viel weniger als Humor.

Bleibt Ihnen deshalb nur der Rückzug aus den sozialen Medien? Ja. Aber grämen Sie sich nicht: es werden andere Zeiten kommen. Erinnern Sie sich noch an die Flüchtlingsdebatte? Brexit? Greta? Es herrscht ein rauer Wind in der Medienlandschaft, brandheiße Schlagzeilen braucht das Land. Oder halt Anheizer. Bis das Thema »Verschwörungstheorien« vom Nachfolger (Möglich: Berliner Flughafen wird erst 2030 fertig, Amthor wird Kanzlerkandidat, Cthulhu krabbelt unterm Bett hervor) überholt wird, empfehle ich stattdessen die guten alten »Fun Facts«.

Allen voran ist das »Kuriositätenkabinett« von Wikipedia zu nennen. Dort sind lustige Artikel wie zum Beispiel über »Allgemeiner Unsinn« zu finden, ein (sic!) durchaus ernstzunehmendes Forschungsfeld in der Mathematik. Fakten, Fakten, Fakten. Und das alles sogar mit Quellenangaben noch und nöcher. Wenn das mal kein gefundenes Fressen für alle Verschwörungstheoretiker ist. Wacht auf, Leute!

Weitere Demotivationsfragen.