Hüte sind völlig out. Man ruiniert sich im schlimmsten Fall die Frisur, wenn man einen trägt. Im Mittelalter bis in die frühe Neuzeit – ja, da waren Hüte angebracht. Wenn man auf Reisen ging und bei Wind und Wetter auf dem Kutschbock saß, gab es nichts Besseres als einen Hut. Aber heute? Es gibt kaum Gründe überhaupt vor die Tür zu gehen. Und wozu sollte man einen Hut tragen, wenn man Zuhause sitzt und im Internet surft …
Trotzdem ist heute der Tag des Hutes. So wie der Muttertag durch die Floristenverbände etabliert wurde, ist auch der Tag des Hutes eine Ausgeburt des Einzelhandels. In diesem Fall ist der Initiator die GDH, die Gemeinschaft Deutscher Hutfachgeschäfte.
Wahrscheinlich hatten sich die Hutverkäufer gedacht, dass heute Millionen von Menschen in ihre Geschäfte strömen und ihnen die alten Hüte wegkaufen. Klappt aber nicht. Damit die alten Knacker wenigstens ein paar ihrer ollen Deckel loswerden, sind hier nochmal die besten Anregungen, falls jemand aus Mitleid doch noch einen Hut kaufen möchte:
1. Der Cowboyhut
Wer sich als harter Kerl à la Marlboro-Mann zeigen will, für den ist der Cowboyhut ein unverzichtbares Accessoire. Die Zigaretten sind heutzutage übrigens nicht mehr zeitgemäß. Ein richtiger Cowboy nimmt lieber eine Flasche Whisky und ein Lasso mit. Mit diesem Outfit wird man nicht angepöbelt, die Leute haben einfach viel zu viel Angst vor einer Schlägerei. Außerdem findet man mit dem Outfit vielleicht auch ein passendes Cowgirl oder einen Boy, je nach Geschmack.
2. Der Zylinder
Exzentrischer Milliardär oder verschrobener Schornsteinfeger, keiner kommt daran vorbei. Die Blicke in der Fußgängerzone und der Neid der Menschen, denen man mit diesem Hut von oben auf dem Kopf spucken kann, ohne dafür zu Rechenschaft gezogen zu werden, sind es einfach wert. Unverzichtbar für alle, die eher als Milliardär wahrgenommen werden wollen: das Monokel.
3. Der Eimer
Unglaublich schnell zur Hand (nur bitte kurz überprüfen, ob es sich um einen leeren Eimer handelt), unglaublich selten getragen. Wer es schafft einen Eimer elegant auf dem Kopf spazieren zu führen und dabei gut auszusehen, muss wirklich unglaublich gut aussehen.
4. Kippa/Pileolus/Takke
Mit diesen Mützchen sieht man aus wie ein Jude, Papst oder Muselmann. Für nicht eingeweihte Menschen sehen diese Kopfbedeckungen allerdings alle gleich aus. Deshalb macht es für einen Agnostiker keinen Unterschied, welche er trägt.
5. Der Damenhut
Viele, die eine richtige Dame sein wollen, haben einen oder mehrere Damenhüte. Es gibt jedoch nie eine Gelegenheit sie zu tragen, auch wenn sie auf den Köpfen der Models in Katalogen wirklich hervorragend aussehen. In der Realität ist es entweder zu heiß, zu kalt oder zu windig oder man hat nichts Passendes dazu anzuziehen.
Vergiss »Hygge«, hier kommt Kalsarikannit. Das Gefühl, welches ein perfektes Wochenende beschreibt. In Unterhose, ohne Pläne, aber dafür mit Alkohol.
Die Finnen haben ein schönes Wort für Verwahrlosung: Kalsarikannit. Kalsariwas? Kann man das essen? Mitnichten! Eine Website namens »This is Finland« erläutert die Bedeutung des Wort für uns Unwissende. Das Gefühl, wenn man sich allein zu Hause, nur mit Unterwäsche bekleidet, betrinkt – ohne jegliche Absicht, noch auszugehen. Hey, Moment. Ist das nicht genau das, was ich suchte? Ein Wort, welches meinen unappetitlichen Gammelzustand an Wochenenden ins rechte Licht rückt? Anstatt mich peinlich herauszureden und aberwitzige Geschichten zu erfinden, kann ich auf die Frage »Hey, was machste am WE?!« entspannt und gleichzeitig stolz verkünden, dass Kalsarikannit auf der To-Do-Liste steht.
Hygge war gestern
Aktuell werden ja gerne mal skandinavische Wörter importiert, um bestimmte Stimmungen zusammenzufassen. Als Beispiel ist das dänische Wort hygge zu nennen. Es steht für gemütliche Qualitätszeit und wird gerne von sämtlichen Wellness-Freaks sowie der Werbung rauf und runter genudelt. Wer wie ich die Schnauze von absurden Trends und Marketingideen voll hat und lieber drei Staffeln seiner Lieblingsserie an einem Wochenende anschaut, kann mit Kalsarikannit definitiv mehr anfangen. Wer hat schon Lust, jedes Wochenende komplett durchzuplanen und vor allem dabei eine Hose zu tragen? Nope, manchmal möchte man einfach nur liegen und … na ja … noch mehr liegen.
Auch Du bist Kalsarikannit
Drum nehme ich mir vor, meiner Lieblingsbeschäftigung einen neuen Namen zu geben. Ab sofort soll Kalsarikannit meine Wochenende bestimmen. Okay, streng genommen tat es das vorher schon, aber ich gab es nie zu. Insgeheim nehme ich an, dass die meisten Leute Kalsarikannit hinter verschlossenen Gardinen betreiben und demzufolge Social Media nutzen, um ein gehaltvolles und erfülltes Leben vorzutäuschen. Soll mir egal sein. Ich pelle mich bis auf die Unterhose aus meinen Klamotten und öffne eine Flasche Samtrot Kabinett. Kurz überlege ich, ob ich einen Film anwerfe, ein Buch zur Hand nehme oder mir John Coltrane über Kopfhörer gebe. Aber warum die Sache überstürzen? Ich schenke mir erst einmal ein Glas ein. Ob ich aus einer Blumenvase trinken sollte? Sieht doch keiner!
Planlose Entschleunigung
Dreieinhalb Stunden später ziert ein kleiner Rotweinfleck meine Unterhose. Das macht aber nichts, habe gerade die dritte Flasche angebrochen – für Nachschub ist gesorgt. Ein Blick auf die Uhr bringt mich nur zum Lachen. Solange der Tatort nicht läuft, ist der Montag noch weit genug entfernt. Mittlerweile haben sich einige besorgte Nachrichten auf dem Handy angesammelt. Lebst du noch? Was machst du so? Fragen, die wirken, als hätte die Mutter ohne anzuklopfen das Zimmer gestürmt. Ich antworte mit »Kalsarikannit, Baby« und spiele mit meinem kleinen Zeh. Endlich mal Zeit für die wichtigen Dinge im Leben. Qualitätszeit.
Back‘ dir ein Eis! Strick‘ Dir ein Fahrrad! In den 80er/90er Jahren gab es viele irre Jugendwörter und Redewendungen, die heutzutage wie Kuriositäten wirken.
Was ist das für 1 Life? Erst fernschimmelt man sich emojionslos wie ein Teilzeittarzan durchs Leben, nur um tinderjährig beim Napflixen zu fermentieren – frei nach dem Motto » I bims. Der unlügbare unflye Bruh«. Kein Wort verstanden? Nicht schlimm, ich brauchte etwas Nachhilfe beim Verstehen der diesjährigen Jugendwörter 2017. Könnte ein Indiz dafür sein, dass ich langsam in die Midlife-Crisis reinschlitter und anfange, ausschließlich beige Klamotten zu tragen. Dabei fühle ich mich noch gar nicht so alt und könnte schwören, dass meine ganz persönlichen Jugendwörter selbst auf dem Schulhof weiterhin noch »voll knorke« sind.
Meine Jugend verbrauchte ich während der 80er und 90er Jahre. Also seltsamerweise exakt jene Dekaden, die heutzutage dank Revival-und-Remake-Wut den aktuellen Geschmack diktieren. Hat den Vorteil, dass ich mich kaum an neuen Kram gewöhnen muss. Nur bei der Sprache hapert es. Was vermisse ich lässige Worte wie »töffte« oder Redewendungen wie »Ich schnall ab«. Damit die Nachzügler dennoch beim derzeitigen Revival der 80er/90er mitreden können, habe ich hier eine kleine Liste meiner persönlichen Jugendwörter zusammengestellt – und vielleicht frischt es die Erinnerung des einen oder anderen Leser jenseits der 30 wieder auf.
Affengeil: Jugendslang der 80er und 90er
Affentittengeil – gab es mit verschiedenen Steigerungsformen (Hyperaffengeil, Turboaffengeil). Bezeichnet das Lob für eine Sache, Person oder Gegenstand (Bsp: Affengeiler Film). Wurde oft von Eltern missverstanden, was zu Fernsehverbot führte.
Kein Bock – Steht für vollkommene Demotivation und Widerwillen. Ganze Generationen zehren noch heute davon.
Haste Mucken – Nachfrage auf widerspenstiges Verhalten oder Eisbrecher bei Zwangskonversationen.
Cool – DER Begriff meiner Jugend. Alles Gute war cool, alles Blöde uncool. Später war laut Werbung nur noch Schokolade cool (It’s cool man!)
Perle – Anderes Wort für Freundin. Fun Fact: Ein Anagramm des Wortes wäre Erpel.
Anstandswauwau – So nannte man sämtliche Personen, die wie Moralapostel, Aufpasser oder die Leibgarde wirkten. Oder einfach Väter, die ihre Töchter vor den ersten zaghaften Annäherungsversuchen meinerseits schützten.
Alles fit im Schritt – War damals die Standardbegrüßung, sobald man einen Raum betrat. Löste besonders bei fremden Personen nachhaltig Verwirrung aus und wäre heute aufgrund maximaler Empörung undenkbar.
Verstrahlt – Eine etwas appetitlichere Umschreibung für »jemanden haben sie ins Hirn geschissen«. Erst viele Jahre später brachte Rapper Marteria einen Song mit dem Namen raus, aber der Typ ist ja auch schon über 30.
Alles Roger in Kambodscha – Ist alles okay? Alles in Ordnung? Durchaus berechtigte Fragen, wenn sich jemand nach der Lage in Kambodscha erkundigt.
Noch mehr Jugendwörter, die keiner unter 30 rafft
Raff ich nicht – Wenn jemand so rein gar nichts versteht. Sagte man besonders gerne während einer Kurvendiskussion.
Lass mal rüberwachsen – Nein, damit ist nicht unbedingt Drogenhandel gemeint. Viel mehr sagte man das in sämtlichen Momenten des Austauschs, gerne auch unter Androhung von Schlägen (»Lass ma die Hausaufgaben rüberwachsen, Nulpe!«)
Stück mal nen Rück – Die 90er überzeugten mit waghalsigen Wortspielen wie diesem. Gerne wurde auch ein -chen an alle möglichen Begrüßungsformeln gehangen (Bsp: Hallochen, Tagchen)
Keine Peilung haben – Wenn jemand nichts rafft (Siehe oben).
Ich kack ab – War nur in den seltensten Fällen wortwörtlich zu verstehen. Glücklicherweise stand es in den meisten überlieferten Fällen für die letzten Worte vor dem Hitzefrei.
Back Dir ’nen Eis – Auf diese Ansage musste noch ebenso sinnfreie »Strick Dir ’nen Fahrrad« folgen. Brachte man bevorzugt in besonders gleichgültigen Momenten, in denen Gespräche eh keinen Sinn mehr ergaben. Heute würde man »Yolo« sagen.
Ätzend – Wenn »I bims« sagt und das auch noch lustig findet.
Kein Ohr für Veggies
Für Lau – Beschrieb eine nicht-kommerzielle Haltung, die scheinbar in Vergessenheit geraten ist – vergleichbar mit Freibier.
Astrein – Falls jemanden »cool« zu abgenutzt und »knorke« zu oldschool klang, sprach er von »astrein«.
Ich krieg‘ die Krise – Früher hat an dieser Stelle ein Schwein gepfiffen oder ein Hamster gebohnert.
Spasti – Die ultimative Beleidigung der 80er und 90er Jahre. Passte und funktionierte bei jedem! Der einzig konkurrierende Ausdruck war »asi«, der sich bis heute gehalten hat.
Boah ey – Erinnert sich jemand noch an die Zeit der Manta-Witze? Nein? Zum Glück.
Koteletts ans Ohr quatschen – Manche schwören darauf, dass es Frikadellen statt Koteletts waren. Jedenfalls stand dieser Ausdruck für ein exorbitantes Redebedürfnis.
Mach‘ Dich vom Acker – Sofern jemand »die Biege machen sollte« brachte man gerne einen landwirtschaftlichen Bezug ins Spiel. Wir hatten ja sonst nichts.
Gesichtskirmes – Die perfekte Umschreibung für alle Gesichtsausdrücke, die man nicht problemlos zuordnen konnte. (Bsp: Man kommt das erste Mal in seinem Leben betrunken nach Hause, Mutter fährt Gesichtskirmes)
Empörung, wohin man klickt. Im Internet wird geschimpft, bewertet und verurteilt. Wie stark bist Du betroffen? Finde es raus mit diesem kleinen Quiz.
Rüdiger schnauft. Irgendein Spacko hat sein letztes Posting bei Facebook kommentiert. Dabei ist es gerade mal 10 Minuten online. »Voll die Tierquälerei« steht unter einem Schnappschuss, der Rüdigers Rauhaardackel zeigt. Tierquälerei? Nur weil Pepe, so heißt der Rauhaardackel, ein Sailor-Moon-Kostüm trägt? Verstehen kann Rüdiger diese Form der Empörung nicht, dabei ist sie allgegenwärtig. Vollkommen Unbeteiligte beurteilen Fotos, Texte, Tätigkeiten, Situationen oder gar Erscheinungsbilder. Offline wie Online. Es scheint sogar, als erfüllten besonders die sozialen Medien oft nur den Zweck, anderen Personen zu vermitteln, wie scheiße man sie findet.
Pauschalisieren für mehr politische Korrektheit
Aufkommende Empörung lässt sich wunderbar nutzen, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Außenstehende kreiden mit Getöse offensichtliche Fehler an und sichern sich somit ihren Platz auf der imaginären Liste der coolen Leute. Früher nannte man solche Besserwisser schlicht und einfach Klugscheißer oder Korinthenkacker, aber die Zeiten sind vorbei. Politische Korrektheit ist ein Muss und jede Person, die sich nicht an die ungeschriebenen Spielregeln hält, muss mit der vollen Ladung Empörung rechnen.
Du hast eine adipöse Person »fett« genannt? Du Unmensch! Wie kannst Du nur auf einer Person herumhacken, die es wahrscheinlich eh schon schwer im Leben hat? Die ständig Pärchensitze im Kino buchen muss, obwohl sie aufgrund ihrer Unansehnlichkeit gewiss für immer Single bleiben wird? Dort liegt das Problem der schnell gezückten Empörung: sie pauschalisiert und macht aus der betroffenen Person ein »Opfer«. Die Ankläger und Richter aus unserer Mitte verurteilen zwar schnell und gerne vermeintlich offensichtliche Übeltäter, aber bestärken beim Schwingen des ermahnenden Zeigefingers so manche Situation.
Wie viel Empörung steckt in Dir?
Würdest du einem Sailor-Moon-Dackel einen Shitstorm widmen oder lieber deinen Darth-Vader-Leguan als Kommentar drunter packen? Um herauszufinden, ob man das richtige Maß an Empörung hat, könnte man sich selbst testen. Zu diesem Zweck habe ich einen kleinen Persönlichkeitstest vorbereitet. Bist Du ein Fehler-Fetischist, dem einer abgeht, wenn er andere Personen beurteilen kann? Oder bist Du tatsächlich empathisch und tolerant? Finde es heraus:
Wann sollte man beim Flirten zurück schreiben? Das optimale Timing für eine aussagekräftige Reaktion via Handy ist gar nicht so einfach. Man kann ja nicht immer nur zu Weihnachten texten! Oder doch?
Sie antwortet nicht? Er antwortet zu spät oder schreibt nur begriffsstutzig »Ok«? Dann stimmt irgendwas mit deiner Taktik beim Flirten nicht. Zum Glück liegt es meistens nur am schlechten Timing, wenn sich beim Texten nichts rührt. Um den richtigen zeitlichen Abstand zwischen den ausgetauschten Nachrichten zu bestimmen bedarf es keiner Wissenschaft, jedoch solltest du ein paar Rahmenbedingungen im Auge behalten.
Nur Lappen antworten innerhalb von 30 Sekunden
Unser liebstes First-World-Problem ist das zwanghafte Warten auf irgendwelche Lebenszeichen, die uns vorzugsweise über das Smartphone übermitteln werden. Besonders in Beziehungsfragen oder anbahnenden Techtelmechteln ist die Kommunikation über das Handy heutzutage eine unverzichtbare Trockenübung für all die verheißungsvolle Dinge, die eine Partnerschaft mit sich bringt. Dumm nur, wenn ausgerechnet in dieser Findungsphase die meisten Missgeschicke und Probleme entstehen, weil mindestens einer der Gesprächsteilnehmer sich wie ein Vollspacko aufführt.
Dabei ist es so einfach wie eine Runde Tischtennis. Anstatt von Bällen tauscht man mehr oder wenige geistreiche Gedanken oder Fragen aus. Wie wohl die meisten wissen, könnte ein harmloses »Wie war dein Tag, Schnupsiboy?« möglicherweise der Startschuss in ein gewagtes Sexting-Abenteuer darstellen. Jedoch verpufft die Wirkung, wenn er schamlos mit »Habe Magendarm, trauriger Smiley« antwortet.
Wir spielen das Waiting Game
Abseits vom Inhalt der Antwort gibt es eine weitere wichtige Ebene, die unbedingt zu beachten ist: das Timing. Jede Person, die über das Smartphone erfolgreich flirten möchte, sollte innerhalb einer gewissen Zeitspanne antworten. Nicht zu schnell und nicht zu spät. Entsprechende Zeitangaben, wie lange man mit einer Antwort oder Reaktion warten sollte, sind sicherlich nicht pauschal zu bestimmen. Abhilfe schaffen höchstens Tools wie Txtwar, mit denen man eine Zeit bestimmen kann.
Natürlich tappte ich selbst auch in diese Falle und schrieb einer ehemaligen Flamme beinahe sofort zurück. Selbst wenn sie nur »Guten Morgen« schrieb, hastete ich zum Handy, um wie von Sinnen den Morgengruß zu erwidern. Das übt nicht nur Druck auf beiden Seiten aus, sondern es ist auch reichlich bescheuert. Das Schlimme ist, dass unsere Antwortzeiten zum allem Überfluss auch noch jede Menge über uns aussagen. Jedoch sind hier ein paar Hinweise, um sich beim Flirten nicht total zu blamieren.
Texting: Wie lange mit einer Antwort warten?
Unter einer Minute: Dieser kurze Zeitrahmen ermöglicht tiefgründige Antworten wie »Ok« oder »Ach so«. Keine gute Grundlage für ein gutes Gespräch. Außerdem wirkt es so, als würde man das Handy immer und überall vor sich hertragen.
Zwischen 10 und 15 Minuten: Sollte innerhalb dieser Zeit eine Antwort erfolgen, so kann der Empfänger davon ausgehen, dass der Absender stark interessiert ist. Unter einer Viertelstunde ist schon beinahe verbindlich. Blöd nur, dass dieser Intervall kaum zu halten ist. Es sei denn, man kündigt.
Halbe Stunde: So viele Dinge in unserem Leben dauern eine halbe Stunde. Manche Serien, Einkäufe, Tiefkühlpizzen. Warum also nicht auf die Antwortzeit beim Flirten übertragen? Weil eine Reaktion dann wie eine Werbeunterbrechung wirken würde.
Eine Stunde: Vielleicht verbirgt dieses Timing ein Konzept. Den Druck zwischen den Textenden nehmen und erst nach einer Stunde reagieren. Genug Zeit, um sich eine schlagfertige Antwort zu überlegen oder zwischenzeitlich das dazugehörige Facebook-Profil zu stalken.
Zwischen 3 und 6 Stunden: Offensichtlich gab es etwas Wichtigeres als eine Antwort. Ein Friseurbesuch, trocknende Farbe oder eine laufende Waschmaschine. Sollte so lange gewartet werden, setzt man ein eindeutiges Signal. Irgendwer anders bekam deutlich eher eine Antwort.
Mehr als 12 Stunden: Wer so lange wartet, der muss a) im Krankenhaus liegen b) sein Handy verloren haben oder c) nackt Schabernack treiben.
Mehr als 24 Stunden: Huch, ganz vergessen! Charmanter kann man ein »Dich halte ich mir mal warm« kaum formulieren. Typische Vertreter dieser Art und Weise betreiben auch Breadcrumbing und Benching.
Mehrere Tage: Und wer so spät reagiert, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Sein Liebesleben.
Weihnachten: Für Spätzünder oder Unentschlossene gibt es Geburtstage (an die uns Facebook erinnert) und Weihnachten. Genügend Möglichkeiten, um verpasste Chancen noch einmal aufleben zu lassen. Fällt kaum auf!
Mit Hilfe der Spiegeltechnik wirst Du problemlos Mitarbeiter des Monat. Äffe einfach Deine Kollegen nach, um sie nachhaltig zu beeindrucken.
Herr Zitzel hört gespannt zu, als Kollege Burbach von seinem gestrigen Abend berichtet. Burbach hatte es sich daheim gemütlich gemacht, indem er sich eine Pizza Calzone gönnte und dabei sämtliche Katy Perry Videos ansah. Am Höhepunkt seiner Schilderung vollführt er gar einige Tanzschritte, die er begeistert mit »Schwisch Schwisch!« kommentiert. Herr Zitzel zögert nicht lange und äfft die recht eigensinnige Burbach’sche Choreographie nach. Alles richtig gemacht, Zitzel! Was im ersten Moment wie ein selbst verschuldeter Rufmord erscheint, ist auf dem zweiten Blick der erste Schritt zur Beförderung. Er nutzte den sogenannten Chamäleon-Effekt, auch bekannt als Spiegeltechnik. So werden Imitationshandlungen genannt, in denen man beispielsweise Kollegen spiegelt, um Sympathien aufzubauen.
Endlich Mitarbeiter des Monats
Teste es im nächsten Dialog. Popel Dir flüchtig im Ohr herum, während du über deinen letzten Zoobesuch plapperst, um zu beobachten, wie dein Gegenüber diese Bewegung nachahmt. Solche Imitationen sind ein Zeichen für Sympathie, welche Dir im Berufsalltag hilfreich sein werden. Mit einfachen Mitteln ist es möglich, konkurrierende Kollegen mental zu »hijacken«. Sie denken, du bist deren Bro, würdest den Versagern sogar einen Kaffee vom Automaten mitbringen, nur weil du ebenfalls regelmäßig deine Nase kratzt. In Wirklichkeit willst du die Karriereleiter erobern, ist doch klar. Starte den Selbstversuch, indem Du Deine Sympathie zum Abteilungsleiter symbolisierst, indem Du all seine Handlungen nachahmst. Gähne ihm dreist ins Gesicht! Sollte er Dich mögen, wird er dies erwidern und Du kannst eine fetten Gehaltserhöhung einplanen.
Spiegeltechnik: einfach mal nachäffen
Folgende Mikrogesten der Spiegeltechnik eignen sich besonders für eine nachhaltige Manipulation: Lächeln, Kratzen, Gähnen und wenn Du etwas trinkst. Nur auf die richtige Reihenfolge achten! Unser inneres Bedürfnis nach Harmonie und Zugehörigkeit zwingt uns allerhand seltsame Verhaltensweisen auf. So sollen laut moderner Forschung selbst absurdeste Begrüßungsformeln bei der ersten Begegnung nachgeahmt werden – nur weil niemand ausgeschlossen sein will.
In der Psychologie spricht man von drei verschiedenen Verhaltensweisen hinsichtlich der Spiegeltechnik: Matching, Pacing und Rapport. Matching beschreibt eine Reflexion von ungefähr 50 Prozent des Gegenübers, während Pacing die Körpersprache, Gestik, Mimik und Sprache nachahmt. Rapport beschreibt hingegen die vollständige Symmetrie; also wenn sich beide durch das Verhalten aufeinander beziehen.
Achte nur darauf, dass du nicht ähnliche dumme Anfängerfehler wie meine Wenigkeit begehst. Um meinen Kollegen zu imponieren, zückte ich alle Register meiner lang antrainierten Spiegeltechnik, um sie vollends von mir zu überzeugen. Leider übertrieb ich etwas, indem ich mir zeitgleich die Nase schnäubte und meinen Chef aus seinem Sessel kloppte, da er ja unbedingt sitzen wollte. Vielleicht hätte ich auch nicht seine weinerliche Stimme nachahmen sollen (»Muss das sein?«) und vor allem nicht einen ähnlich hässlichen Anzug wie er tragen sollen. Aber was tut man nicht alles für den Ruhm.
Manche Typen haben ja Spaß daran, die Herzallerliebste durch Horrorfilme zum Kreischen zu animieren. Irgendwie muss man sich ja überlegen fühlen. Passend zu Halloween sind hier fünf Hilfestellungen zum schnellen Erfolg bzw. zum Weg ins Singleleben.
Gratuliere, Bursche! Du hast tapfer diverse Disney-Filme über dich ergehen lassen und darfst endlich auch mal an die Fernbedienung. Offensichtliche Wahl: ein Horrorfilm. Damit wären ideale Voraussetzungen geschaffen, um deine Freundin klammernd an dich zu binden. Neben der Steigerung deines Egos kannst du zusätzlich deinen Beschützerinstinkt ausleben und ihr – männlich wie du bist – zeitweise die Augen zuhalten. Fehlen nur noch die passenden Filme, damit sie nicht gähnend abwinkt und stattdessen lieber mit ihrem Handy spielt. Hier sind fünf Horrorfilme mit Gruselgarantie für den gemeinsamen Filmabend – Decke nicht vergessen!
The Conjuring – Die Heimsuchung
Plot: Eine Familie zieht in ein vermeintlich leeres Haus und verärgert die eigentlichen Mieter, die zu allem Überfluss auch noch ziemlich finster drauf sind: Geister! Zum Glück gibt es entsprechende Geisterjäger, die mit Exorzismus helfen können.
Der Hit aus dem Jahr 2013 hat alles, was ein moderner Horrorfilm braucht: ein altes Haus, paranormale Fieslinge und das Ganze basiert auf realen Ereignissen. Die Geisterjäger Ed und Lorraine Warren waren auch abseits der Leinwand voll mit Dämonen und Poltergeistern beschäftigt. Wenn das mal nicht scary ohne Ende ist! Spätestens ab der 30. Minute wirst du deinen Arm nicht mehr spüren können, weil dein Date ihn fest umklammert – sozusagen eine astreine Nahtoderfahrung. Ungefähr so, als wenn du nachts neben ihr aufwachst.
Cabin In The Woods
Plot: Ein Haufen Teenager will genretypisch Urlaub in einer vereinsamten Holzhütte mitten im Nirgendwo machen. Eine supergeheime Organisation bespitzelt die Hütte und verabreicht den Teenies Drogen. Erst steigt die Libido, dann kommen Zombies.
Dieser Horrorfilm ist ideal, wenn du eine anstrengende Freundin neben dir hocken hast. Eine, die bereits nach 10 Minuten nörgelt: »Das ist unrealistisch« oder »Warum geht sie da rein? IST SIE DUMM?«. Cabin in the woods spielt mit den zahlreichen Klischees des Genres und überrascht mit einer Story, die ich nicht einmal ansatzweise spoilern darf. Dennoch kommen Horrorfans dank guter Schockmomente auf ihre Kosten. Pro-Tipp: den Film zuvor alleine schauen, um sich überlegener zu fühlen und mit »Gleich kommt ’ne krasse Szene« zu nerven.
Paranormal Activity
Plot:: Ein knuffiges Paar hat einen unsichtbaren Mitbewohner, der nach und nach echt aufdringlich wird. Der Film wird aus der typischen Blair-Witch-Perspektive erzählt und lässt demzufolge viele Fragen offen.
Der Anfang dieses Beitrags nervte einige Leser gewiss mit superpeinlichen Klischees. Frauen schauen Disney, Typen müssen Frauen beschützen. Dieser Film zeigt die Folgen, wenn ein Typ seine Freundin nicht ernst nimmt! Durch die in Paranormal Activity angewandte Found Footage Erzähltechnik passiert das Kuriose, dass ein Paar (Zuschauer) einem anderen Paar (Darsteller) beim Durchdrehen zuschaut. Schaue diesen Film niemals, wenn Deine Freundin Schlafwandlerin ist.
You’re next
Plot: Eine Familienfeier eskaliert. Eigentlich wollte ein Teilnehmer der Sippe seine neue Freundin vorstellen, aber eine höchst unangenehme Home Invasion verdirbt etwas die Stimmung. Zum Glück ist die neue Freundin nebenbei die heimliche Tochter von Chuck Norris und schafft mit einer Axt Ruhe im Karton..
Eigentlich wäre dieser Streifen eher ein Kandidat für einen Beitrag mit dem Titel »Horrorfilme, mit denen Du Deinem Freund zeigen kannst, dass Frauen nicht zu unterschätzen sind«. Die Hauptdarstellerin teilt ordentlich aus, womit irgendwie niemand der Kerle rechnet. Warum er sich dennoch zum Trollen der Allerliebsten eignet? Du kannst ihr unter Umständen subtil eintrichtern, dass Familienzusammenkünfte manchmal recht anstrengend werden können. Fun Fact: Die Wikipedia-Beschreibung zu You’re Next beginnt mit dem Satz »Eric Harson and his girlfriend Talia finish having sex«.
Sinister
Plot: Ein Schriftsteller zieht mit seiner Familie in ein verfluchtes Haus und muss miterleben, was zu viel schlechte Filme mit dem Nachwuchs anrichten können.
Nervt Deine Freundin mit ihrem Kinderwunsch? Dann zeige ihr diesen Horrorfilm, der neben »Rosemary’s Baby« und »Das Omen« das wohl beste Argument gegen Nachwuchs darstellt. Spätestens ab der Szene, in der die jüngste Tochter die Axt schwingt, wird Deine Freundin sich kreischend unter der Decke verstecken und erst wieder raus kommen, wenn Du die Sterilisation hinter Dir hast.
Nach »Mama ruft an« legt Bastian Bielendorfer nun nach. »Papa ruft an« ist die Fortsetzung der lustigsten Standleitung seit langem. Eine Rezension samt Interview mit dem Autor.
Vorhin rief meine Mutter an. »Wollte nur mal schauen, ob du noch lebst, Sohnemann!« Normalerweise beginnt das Gespräch mit Vorwürfen dieser Art. Erst wenn ich gefühlte achtmal mein Bedauern versichert habe, kommt der wahre Grund des Anrufs zum Vorschein. Sie drückte irgendeinen Knopf, doch kann sich nicht mehr erinnern, welcher es gewesen sein könnte. Jedenfalls lässt sich die Mikrowelle nicht mehr öffnen, die Fernsehanzeige stellt japanische Schriftzeichen dar und der Hund läuft nur noch rückwärts. Der ganze normale Wahnsinn. Kommt irgendwie bekannt vor, oder?
Bastian Bielendorfer kennt das Dilemma nur zu Genüge. Der in Gelsenkirchen geborene Autor, der als »Lehrerkind« Bekanntheit erlangte, beschrieb in seinem Werk »Mutter ruft an« den alltäglichen Telefonterror zwischen Mama und Sohn. Nun legt er aktuell mit »Papa ruft an – Standleitung zum Lehrerkind« nach. Normalerweise würde ich gelangweilt abwinken, meist finde ich deutsche Humoristen so unterhaltsam wie Fahrstuhlmusik. Aber mich reizten beim Lesen jene Déjà-vu Momente, die an meine eigene Standleitung erinnerten.
Papa ruft zurück
Wenn Papa anruft, sieht man Chewbacca auf dem Handydisplay und hört ein ausdruckstarkes Schmatzen. So werden in Bielendorfers »Papa ruft an« zahlreiche Unterhaltungen zwischen Vater und Sohn eingeleitet. Das Bild wurde heimlich von seiner Frau Nadja aufs Handy gemogelt und sein Vater verschwendet ungern Ressourcen für ein schnödes »Hallo«. Es dauert nicht lange, bis Papa seinem Sohn den Grund des Anrufes nennt. Wahrscheinlich ist irgendwas ordentlich in die Hose gegangen. Das kann zum Beispiel eine überschäumende Waschmaschine sein, die aus der Not heraus mit Shampoo gefüllt wurde oder ein USB-Stick, der zum Aufladen in einer Steckdose landete. Sollte mal nicht der Weltfrieden auf der Kippe stehen, werden alte Fotoalben durchblättert, um den Sohn vor seiner Frau bodenlos zu blamieren. Solchen Sadismus lobe ich mir!
Es ist eine Wonne, die aberwitzigen Dialoge zwischen den Familienmitgliedern zu verfolgen und ab und an zuzugeben: »Uups, das kenne ich doch«. Glücklicherweise bekommt der Autor selbst den Großteil ab, sodass nicht nur seine Familie etwas zu lachen hat, sondern auch die Leser. Bielendorfer hat mit »Papa ruft an« möglicherweise die ideale – wenn auch leicht verspätete – Sommerlektüre abgeliefert. Auch für Schwarzmaler wie mich eignet sich das Werk ideal, da sogar einige Vorurteile, die hier im Blog durchgekaut wurden, durch eine einzige Person repräsentiert werden: Ludger.
Gehäkelter Horror
Auf dem Titel des Buches ist der Hinweis »Achtung! Kann Spuren von Ludger enthalten« zu lesen. Diese Warnung sollte man ernst nehmen. In mehreren kurzen Texten werden Bastian Bielendorfers Erfahrungen mit dem gehäkelten Horrorneffen Ludger geschildert. Mit seiner altklugen und ironiefreien Art ist der Neffe der heimliche Star von »Papa ruft an«. Das muss an Sprüchen wie »Sprechende Autos sind etwas für Männer mit gestörtem Selbstbild« liegen, die er vom Stapel lässt, wenn Bastian zum Kino bzw. Cars 2 einlädt. Oder wenn er seinen Onkel bei einer Veranstaltung an der Waldorfschule charmant wie folgt vorstellt: »Sein Beruf ist, dass Leute ihn auslachen«.
Solche Pauschalisierungen gefallen mir. »Papa ruft an« lebt von seinen Wortwitz und Dialogen, die wie One-Liner daherkommen und ein Weglegen unsinnig erscheinen lassen. Der Titel ist absolut empfehlenswert für alle Freunde des guten Humors der Marke Tommy Jaud oder Mark-Uwe Kling. Oder als Geschenk für den nächsten Vatertag.
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Interview mit Bastian Bielendorfer
Bastian Bielendorfer stellte sich im Zuge der Veröffentlichung von »Papa ruft an« freundlicherweise für ein paar Fragen zur Verfügung. In den folgenden Zeilen wird geklärt, ob es für Ludger eine reale Vorlage gibt und was man unter Fernschimmeln verstehen könnte.
Telefoniert ihr tatsächlich so häufig? Und wenn es mit der Erreichbarkeit nicht so hinhaut, schreibt ihr in eine eigene WhatsApp-Gruppe?
Wir telefonieren täglich. Aber nicht immer geben die Telefonate Anlass sie aufzuschreiben, sonst wäre mein Buch wahrscheinlich dick wie die »Herr der Ringe«-Trilogie. WhatsApp fällt im Falle meines Vaters schon mal raus, für ihn ist die Bedienung von Smartphones purer Stress, der ist schon froh, wenn er mit dem Ding nicht versehentlich eine Kernschmelze hervorruft.
Nun ist »Papa ruft an« der Nachfolger von Deinem dritten veröffentlichten Werk »Mama ruft an«. Entsteht mittlerweile ein leichter Konkurrenzkampf zwischen Deinen Eltern, wer die absurderen Vorlagen für die Texte liefert?
Eher nicht. Jedenfalls nicht bewusst. Beide halten sich da letztlich die Waage. Das neue Buch basiert eigentlich auf dem Fakt, dass meine Mutter länger in Kur und mein Vater eigentlich als vollumfänglich abhängiger Ehemann, der zwar den Faust komplett rezitieren, aber noch nicht mal ein Ei braten kann, auf sich allein gestellt ist. Und um nicht komplett zu verwahrlosen, ruft er mich und meine Frau an und produziert eine Katastrophe nach der anderen. Eins meiner Lieblingskapitel ist das, wo er statt Waschmittel eine komplette Flasche Shampoo in die Maschine füllt … und damit das halbe Haus in eine Schaumparty verwandelt hat. Das ist sehr ähnlich so passiert.
In den Dialogen zwischen Deinem Vater und Dir kommt es häufig zu Verbesserungsvorschlägen bzw. Korrekturen. Macht das Dein Vater auch bei Deinen Texten?
Ja, tut er. Das erste Buch »Lehrerkind« endet sogar mit originalen Korrekturen meines Vaters, das ist seine echte Schrift. Das neue Buch habe ich meinen Eltern deshalb erst nach dem Erscheinen geschenkt und man glaubt es kaum, nach 5 Minuten hatte er den ersten Grammatikfehler gefunden.
Ludger, das gehäkelte Waldorfschüler-Kind, ist der heimliche Star des neuen Buches. Gibt es für diesen Vorzeige-Eurythmieschuhe-Träger eine Vorlage aus dem wahren Leben?
Ja, gibt es. Aber mehr kann ich nicht sagen, ohne verklagt zu werden. Haha.
Dein Vater pflegt einen einzigartigen Gesprächsstil am Telefon, wie ein einleitendes Schmatzen. Meinst Du, er wird das spätestens nach dem Buch ändern?
Nein, warum sollte er? Mein Vater ist ein lustiger Mittsechziger, der gar keine Lust mehr hat, sich zu ändern, und das muss er auch nicht. Er ist mit seinen ganzen kuriosen Verhaltensweisen und seiner Verweigerung von Computern – er hackt wirklich noch Briefe in seine alte Schreibmaschine – glücklich. Und ich mag ihn so, wie er ist. Außerdem würde mir dann ja auch der Nachschub an Geschichten ausgehen.
Es finden sich wunderbare Berichte über eure gemeinsamen Familienausflüge in dem Buch wieder. Würdest Du heute noch mit Deinen Eltern verreisen? Selbst in Zeiten von Wellness-Oasen und Online-Buchung?
Das wohl eher nicht. Als Lehrerkind ist jeder Urlaub Bildungsreise, mit meinem Vater kann man kaum auf einen Aldi-Parkplatz fahren, ohne dass er einen 20-minütigen Monolog über die Geschichte des Unternehmens hält. Außerdem ist mein Vater auch nicht für Wellness-Oasen gemacht, er ist eher der Typ, der die geplatzte Luftmatratze unter die Schlafsäcke schiebt, damit man nicht in der Pfütze schlafen muss.
Mich begeisterten Deine Dialoge und vor allem Wortschöpfungen wie »Mittelstandsfaust«. Kennst Du die Kandidaten für das Unwort des Jahres – oder noch besser – das Jugendwort des Jahres 2017? Inspirieren Dich solche Wörter wie »Fernschimmeln« oder »Tindergarten«?
Ehrlich gesagt kannte ich beide nicht. Was ist denn Fernschimmeln? So lange vorm Fernseher hängen, bis man verrottet? Tindergarten finde ich dagegen echt schön, ich bin ja schon so lange vergeben, dass ich es nicht mehr erlebt habe, dass man potentielle Partner wie einen Fettfleck wegwischen kann. Ich freue mich immer, wenn Leute Spaß an meinen Wortschöpfungen haben, viele überlesen sie wahrscheinlich einfach.
Dein Debüt Lehrerkind war 64 Wochen konstant in der SPIEGEL Bestsellerliste vertreten. Haben sich daraufhin viele Lehrer – vielleicht sogar ehemalige Lehrer von Dir – bei Dir bzw. Deinem Verlag gemeldet?
Einige, ja. Manche haben sich wiedererkannt und die meisten waren eher geschmeichelt als beleidigt. Ich habe sogar zwei Lesungen in meiner ehemaligen Schule gemacht, bei denen viele meiner ehemaligen Lehrer anwesend waren. Das war selbst für mich schräg. Von meinem ehemaligen Sadisten in Ballonseide, meinem Sportlehrer, habe ich jedoch nie was gehört. Ich habe bis heute ein bisschen Angst, dass er mir mal mit einer Reckstange in der Hand auflauert.
Im Zwischengeplänkel »Er sagt, sie sagt« zwischen Deiner Frau und Dir kommt es zu Beziehungsgesprächen, die man häufig aus dem alltäglichen Rosenkrieg kennt. Provozierst Du sie manchmal, damit sie Dir neuen Schreibstoff liefert?
Nein, das muss ich nicht. Meine Frau ist ein nicht enden wollender Quell an schrägen Sprüchen, erst gestern habe ich ihr einen Kakao gebracht und ihn fröhlich mit einem »Hier meine Prinzessin« hingestellt. Von ihr kam ernsthaft nur »Früher war ich immer deine Königin…«
In der Hotelsprache nennt man so was wohl downgrade.
Als Gamer von der alten Schule muss ich nachhaken bzw. mir von Dir eine Bestätigung einholen: Ballerspiele wie »Call of Duty« und Geisteswissenschaften wie ein Psychologie-Studium schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich, oder?
Überhaupt nicht. Ich bin schon immer leidenschaftlicher Spieler gewesen, und ich bin der festen Überzeugung, dass Games irgendwann als völlig gleichwertiges Medium neben Film und Musik wahrgenommen werden. Man muss nicht blöd sein, um an Spielen wie COD oder Battlefield Spaß zu haben, die Begriffe »Baller-« oder »Killerspiele« sind ja auch von Menschen wie Beckstein geprägt worden, die in ihrem ganzen Leben kein Videospiel gespielt haben, und haben mit der eigentlichen Erfahrung, die an diesen Spielen Spaß macht – die Action, das Taktieren und die Zusammenarbeit – nichts zu tun.
Vielen Dank für das Interview!
Bastian Bielendorfer:
Papa ruft an – Standleitung zum Lehrerkind.
Ich hatte einen Job, Freunde und vielleicht auch eine Zukunft. Doch dann fiel ich durch das gesellschaftliche Raster. Nie mehr sollte ich den Personennahverkehr verlassen. Pendler-Hikikomori wurde mein Fluch.
Es ist anderthalb Jahre her, da befreite mich eine gerissene Oberleitung zwischen Herne und dem Nirgendwo aus meinem Albtraum. »Es war, als hätte man uns aus einer Geiselnahme befreit«, berichten Leidensgenossen, die das Geschehen miterlebten mussten. Meine Mutter versuchte mich mindestens vier Geburtstage hintereinander via Smartphone zu erreichen, doch keine Chance. Mein Akku war schon viel zu lange zur Neige gegangen. Ohnehin ist das Leben sprichwörtlich an mir vorbeigezogen.
Neben mehreren Jahreswechseln verpasste ich eine Bundestagswahl, den Siegeszug von Fidget Spinnern und die Auflösung meiner Wohnung. Gebraucht habe ich meine Bleibe eh nicht, denn ich lebte in den letzten Jahren in einem Regional-Express. Mein Problem hatte gar einen Namen: Hikikomori. Das ist japanisch und bedeutet so viel wie »sich wegschließen«. Meine Form von Hikikomori war die Spezialfassung für Pendler.
Betreutes Fahren am Leben vorbei
Im Nachhinein bin ich dankbar für die Bezeichnung. So war es einfach, mein Problem in Worte zu fassen. Ohnehin war ich überrascht, wie ich dutzende Leidensgenossen, die auch mit mir im Abteil gefangen waren, im Stuhlkreis der anonymen Pendler wiedertraf. Hikikomori war unser Fluch und bestimmte seit jeher unser Dasein. »Du verlierst irgendwann den Bezug zur Realität«, sagt Frau Lederer, die meist nur wenige Sitze entfernt mit mir reiste. »Es gab mir ein Gefühl von Sicherheit. Und obwohl ich es als nicht normal empfand, konnte ich es nicht ändern«.
Wir sind nur wenige von zig Millionen Pendlern, die tagtäglich mit dem öffentlichen Nahverkehr reisen. Meist sind es mehrere Jahre unseres Lebens, die wir mit Warten und Hoffen verbringen. Selbst bei Sonnenschein schliefen wir, starrten auf unsere Mitbringsel und stellten uns sogar zeitweise tot. Das Problem Hikikomori für Pendler wird immer präsenter, umgerechnet 59,4 Prozent aller Beschäftigten müssen pendeln, wie der Focus schreibt.
Nächste Haltestelle: Hikikomori
An Lösungen gegen das Problem wird angeblich gearbeitet. Noch sind die Erkenntnisse bzw. ist der Forschungsstand noch zu gering, um die Auswirkungen des Lebensentzug zwischen Haltestellen zu beurteilen. Leider ist es oft so, dass Betroffene es schwerer haben überhaupt Fuß zu fassen, je länger sie in Zügen oder Straßenbahnen verweilen. Manche Forscher schlagen in ihrer Verzweiflung vor, die Familie und engsten Freunde miteinzubeziehen. Wie soll das funktionieren? Familienfeiern zwischen der Fahrkartenkontrolle?
Ich liebte meine Freiheit. Die öffentlichen Verkehrsmittel boten mir anfangs Möglichkeiten. Zumindest wirkte es so. Die U-Bahn gab mir die ganze Stadt, jederzeit erreichbar und erschwinglich. Nach einiger Zeit sah ich jedoch nur noch Galgen statt Haltegriffe. Das ist zum Glück Vergangenheit. Eine Streckensperrung aus »betrieblichen Gründen« schenkte mir meinen Alltag zurück. Seitdem habe ich keinen Zug mehr betreten. Stattdessen arbeite ich nun vom Home-Office aus, wo ich zum Glück die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen muss. Endlich keine Ansagen, Junggesellenabschiede oder Klimaanlagenausfälle mehr. Niemand drängt mich, Platz für Ältere zu machen oder zwingt mir ein Gespräch auf. Nur manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich aus Gewohnheit mein Ticket 2000 zücke. In solchen Momenten grinse ich in mich hinein, schaue ich mich um und erfreue mich an der Leere.
Wer zum Teufel hat diesen Unfug erfunden? WhatsApp-Gruppen? Ist ja schön, dass ihr euch alle absprechen möchtet, aber geht das nicht auch anders?
Sophie hat die Gruppe »Drei Todesfälle und eine Hochzeit« eröffnet. Sie kam auf die glänzende Idee all ihre Kontakte zwecks anstehender Hochzeitsvorbereitungen ihrer besten Freundin in eine WhatsApp-Gruppe einzuladen. Natürlich ohne zuvor nachzufragen, ob denn alle möglichen Teilnehmer damit einverstanden wären. Es dauert nicht lange, bis die ersten unfreiwilligen Gruppenmitglieder ihre Verwunderung äußern.
+49 172 ******** ~ Malte: »Was ist das hier????«
+49 176 ******** ~ Jennifer: »Dein Ernst, Sophie?«
+49 171 ******** ~ The real Fabian: »Hey, was geht heute abend?«
+49 173 ******** ~ Em Jay: »Ist wer gestorben??! Es tut mir so leid!! To the heart! <3«
+49 170 ******** ~ Anna-Lena hat die Gruppe verlassen.
+49 172 ******** ~ Constanze: »… und eine Hochzeit? MEINE Hochzeit?«
WhatsApp-Gruppen: Unfreiwillige Gruppentherapie
Viele der schlimmsten Dinge unseren Alltags beginnen mit einer guten Absicht. Die Möglichkeit, lässig und direkt mit möglichst vielen Menschen zu kommunizieren war sicherlich gut gemeint. WhatsApp-Gruppen eignen sich zu diesem Zweck hervorragend, doch die desaströsen Nachteile liegen auf der Hand. Du bist als Teil einer solchen Gruppe gezwungen, an den hirnrissigsten Debatten teilzunehmen. Oftmals geht es um banale Themen, die offline niemals angesprochen worden wären. Doch allein die Teilnahme löst in uns niedere Instinkte aus und wir können nicht mehr weglesen und mischen gar mit.
Seien es die besagten Vorbereitungen für eine Feierlichkeit, die Kollegen oder engagierte Eltern für den nächsten Elternabend: es gibt scheinbar genug Anlässe für eine WhatsApp-Gruppe. Ich für meinen Teil kann solche Gruppen-Chats nicht ausstehen. Sobald sich 54 Push-Nachrichten auf meinem Smartphone angesammelt haben, schaue ich selbstsicher nach dem Motto »Wow, ich bin beliebt!« in die App und stelle fest, dass es bloß bescheuerte Gruppen-Ansagen sind.
Spotlicht an! Es gibt kein Entkommen
Es ist ein wenig so, als wenn dich jemand ungefragt ins Rahmenlicht stellt und dir ein Mikro in die Hand drückt. Alle Teilnehmer lesen mit und beurteilen jedes Wort. Ist ja ohnehin die beliebteste Beschäftigung des 21. Jahrhunderts. Selbst wenn du die Gruppe verlässt, wird es angezeigt und beurteilt. Du hast keine Chance, also bleibt nur stilles Mitlesen und darauf hoffen, dass die Gruppe sich nach einiger Zeit selbst erledigt und einschläft.
Interessant ist auch die Rollenverteilung in einer solchen WhatsApp-Gruppe. Da gibt es immer jemanden, der ständig das Wort ergreift und auf jeden Mist antwortet. Man hat schnell den Eindruck, als ob diese Person ihr Handy nie aus der Hand legt. Daneben kommt keine Gruppe ohne die Link-Schicker aus. Leute, die kommentarlos Links reinballern, die sie selbst nicht mal komplett gelesen haben. Aber was rede ich. Wie ging die Hochzeitsgruppe eigentlich weiter?
Wie man sich nicht in WhatsApp-Gruppen verhalten sollte
+49 176 ******** ~ Jennifer: »Haben nun alle meine Nummer?????? Wie kann man das abstellen???????«
+49 172 ******** ~ Constanze:: »Finde ich ja schon ein wenig süß, dass ihr so einen Aufwand macht. :)«
+49 171 ******** ~ The real Fabian: »Habe gerade Nudeln gekocht, lol.«
+49 176 ******** ~ Sophie: »Huch! That escalated quickly. Hi zusammen.«
+49 172 ******** ~ Constanze:: »Huuuuhu. :)«
+49 172 ******** ~ Malte: »Ich hole mir schon mal Popcorn.«
+49 173 ******** ~ Em Jay: »Habe mir heute ein neues Kleid gekauft. Ich poste das gleich mal.«
+49 176 ******** ~ Jennifer hat die Gruppe verlassen.
+49 171 ******** ~ The real Fabian: »lol«
+49 176 ******** ~ Sophie: »Also wie ihr wisst, heiratet hier bald jemand. Ich freu mich so!!!!!!«
+49 172 ******** ~ Constanze:: »Dabei heirate ich meinen Schatz doch erst in zwei Jahren. Egal :/«
+49 176 ******** ~ Sophie: »Oooops. Dabei war eigentlich Anna-Lena gemeint. Sie ist vor Dir dran.«
+49 171 ******** ~ The real Fabian: »haha«
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