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Dinge, die ich nicht verstehe: Augenbrauen

Dinge, die ich nicht verstehe: Augenbrauen

Für die Einen stellen sie die Betreffzeile zu den Fenstern zur Seele dar. Für Andere wiederum ein wildes zu zähmendes Büschel Haare. Oder schlicht und einfach: Augenbrauen.

Lydia trägt sie schmal, Mareike lieber buschig. Jennifer zeichnet nach und Moni hat Schiss, mit Theo Waigel verglichen zu werden. Böhmische Dörfer. Augenbrauen, oder treffender die Obsession bezüglich der Haarleisten begreife ich nicht. Muss ich eventuell auch nicht? Selbst darüber bin ich mir nicht im Klaren. Ähnlich verdutzt reagierte ich letztens beim Friseur meines Vertrauens, als ich gefragt wurde: »Und? Augenbrauen auch?« Panik machte sich breit. Immer grauer? Okay! Haare aus Ohren und Nase? Meinetwegen. Aber jetzt soll etwas mit meinen Augenbrauen nicht stimmen? Verrückte Zeiten.

Augenbrauen richtig einsetzen

Vielleicht muss man die Aufregung um Augenbrauen tatsächlich nicht verstehen. Verwirrung stiftend ist bereits die Deutung der Mimik, bei denen die Brauen eine wichtige Rolle spielt. Laut Wiki werden hochgezogene Augenbrauen  – Ihr wisst schon, ungefähr so: 🤨 – in arabischen Ländern als Ablehnung interpretiert. In Peru hingegen soll der Ausdruck für »Bezahl mich!« stehen. Während die Augenbraueninterpretation viele Fragen offen lässt, scheinen in Sachen Ästhetik strenge und unmissverständliche Regeln zu gelten: ohne die passende Braue sollte sich niemand in die Öffentlichkeit wagen.

 
 
 
 
 
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Ein Beitrag geteilt von hannah lyne (@hannahdoesmakeupp) am

Unzählige YouTube-Anleitungen und Fachartikel zeigen, wie Augenbrauen im Allgemeinen auszusehen haben. Monobraue ist (mittlerweile) tabu, stattdessen sollten stilbewusste Personen lieber auf »Messy Brows« setzen – ja, ich musste das auch googeln. Dank des jahrelangen Drucks der Schönheitsindustrie (Lieblingsthema Cara Delevingne) und der Medien wirken alle gleich viel natürlicher. Dabei verkündete Glamour noch im August letzten Jahres, dass »dünne Augenbrauen zurück« seien. Aber hey, der nächste Trend ist bereits in der Mache, um allgemeines Unbehagen und Unsicherheit zu verbreiten!

Brow-Power: Dominiere die Welt

Trotz meiner Ahnungslosigkeit habe ich jedoch eine Sache schnell kapiert: manche verstehen bei diesem sensiblen Thema keinen Spaß. Mich träfe wahrscheinlich direkt ein Blitz, wenn ich es wagen würde, die Brauen meines Umfelds zu kommentieren: »Nicht so schlimm wie in den 90ern! Da malte mal sich noch feine Striche.«

Bei meinen Recherchen stieß ich auf einen Artikel, bei dem ich mich frage: Ironie oder nicht? Der »Augenbrauen-Guide« für Männer belustigte mich mit der Zwischenüberschrift »Wie Augenbrauen dein ganzes Leben verändern können«. Dank dieses Guides soll es mir möglich sein, der »Welt zu zeigen, wie geil ich bin«. Hmm. Mir ein neues Lebensgefühl zupfen? Die Welt mit dem richtigen Einsatz einer Pinzette dominieren? Wie gesagt, ich verstehe Augenbrauen einfach nicht.

Photo credit: musicisentropy on Visualhunt.com / CC BY-SA

 

Beitragsbild: Raclette im August

Raclette im August

Manche Menschen wollen die Welt einfach nur brennen sehen. Andere mampfen hemmungslos Raclette im August. Hier sind lose Anweisungen für eine Eskalation.

Wage das Unmögliche. Grüße einen Fremden. Bestelle eine Mahlzeit im Restaurant, die du als Kind gehasst hast. Schenke dir selbst einen Strauß Blumen, der dir auf den ersten Blick überhaupt nicht gefällt. Gestehe deine Liebe für belanglose Pop-Musik. Verlasse alle WhatsApp-Gruppen mit dem Mic-Drop, dass du niemanden in der Gruppen je leiden konntest. Lies ungeniert ein Buch über Inzest im ÖPNV und markiere wahllos Stellen mit dem Stift. Versage im Escape-Room und gib den nachfolgenden Teams Tipps. Gehe mit einer Kakerlake Gassi – angeleint, versteht sich. Twerke wahllos Gäste auf einer Hausparty an. Gehe in die Angezogen-Sauna. Kündige dein Sparbuch plus Bausparvertrag und verschwende dein Geld am Kaugummiautomaten. Schäle eine Banane, werf das Innere weg und mampfe den Rest.

Hohle Erde, Parkplatz-Sex

Erzähle deinen Mitmenschen, wie glücklich du bist. Benenne Alexa oder Siri nach deinem Partner/deiner Partnerin und warte auf die Eskalation. Verzehre eine Elefantenrüsselmuschel ohne zu kotzen. Werde Kleinkrimineller, indem du containern gehst. Überweise überzeugt und begeistert einen doppelten Rundfunkbeitrag. Glaube an eine hohle oder wenigstens flache Erde und schreibe dies in dein Xing-Profil. Suche mit einen E-Scooter einen Rastplatz für halbherzigen Parkplatz-Sex auf. Lerne eine paar Zaubertricks, die peinlich in die Hose gehen und dich zur Lachnummer werden lassen. Rufe irgendwo nach 22 Uhr an. Stelle alle deine Möbel auf den Sperrmüll, lade deine Feinde ein und lebe wie im Dschungelcamp. Entwickel eine Vorliebe für indonesische Stand-Up-Comedians und lache besonders laut, wenn du rein gar nichts verstanden hast.

Google deinen Stammbaum und deine Banane

Lege dich mit deinem Schwarm unter den freien Himmel und erfinde fiktive Sternbilder (»Das ist die gebogene Banane«). Warte, bis es grün wird. Feiere deinen Geburtstag mehrere Wochen zu früh. Trinke unter der Woche. Lade Essensreste bei Instagram hoch. Google alle deine Beschwerden und quatsche die Mailbox deines Hausarztes voll. Reise nach Australien und fang an zu Rauchen. Male dir einen eigenen Stammbaum, der viel aufregender als die Realität ist. Lösche niemals deine Browser-Histhory. Du warst in einem früheren Leben ein Elch, also benehme dich wie einer. Stoße ohne Blickkontakt an. Probiere Raclette im August.

Image by Pexels from Pixabay

Beitragsbild: Wie ein gekritzelter Flamingo die Welt zerstörte - Künstliche Intelligenz

Wie ein gekritzelter Flamingo die Welt zerstörte

Vielleicht ist nicht jedem geläufig, dass uns eines Tages die Maschinen auslöschen werden. Dabei klingt es doch logisch, oder? Künstliche Intelligenz, kennt man aus jedem zweiten Sci-Fi-Film. Was aber noch viel weniger Leute wissen: Um unser Ableben zu beschleunigen, müsst ihr perfekte Flamingos zeichnen.

Hand aufs Herz: wir machen einen auf Leo und Kate. Posieren albern auf dem Deck der Titanic herum, obwohl wir ganz genau wissen, dass wir theatralisch absaufen werden. Voll gespoilert zappen wir zehn Minuten durch alle Nachrichtensender zappen, bis der letzte Optimist seinen Hut an den Nagel hängt. Und sich selbst direkt daneben. Klimawandel! Supervirus! Bruce Willis verpatzt die Sprengung des Asteroiden! Jedenfalls scheint das Ende der Erde gewiss und rückt immer näher, doch wir sind mit dem Feiern noch lange nicht durch. Fünf vor Zwölf, aber wir lassen noch einmal die Sektkorken knallen.

Sie kennen dein Passwort (Haustiername123) und deinen Warenkorb

In Sachen Weltende ließ ich einen der üblichen Verdächtigen außer vor: die künstliche Intelligenz. Trotz »Terminator«, »HAL« und Co. schleppen wir unser schlimmstes Unglück unmittelbar in Form von technischen Gadgets mit uns herum, sprich Laptops oder Smartphones. Auch bekannt als AI (Artifical Intelligence), die mir auf Basis irgendwelcher Algorithmen erst alle Termine runter rattert und mir anschließend mit unterkühlter Stimme zu verstehen gibt, dass sie mich im Anschluss aufgrund von Ineffizienz terminiert. All unseren bösen Maschine werden wissen, was wir vor 18 Monaten kurz vor dem Schlafengehen im Internet gesucht haben und vor allem haben sie bereits jetzt schon alles in den Warenkorb gelegt, was wir für die kommende Apokalypse bei Amazon shoppen werden. 

Skizzen- und Kanononenfutter für die künstliche Intelligenz

Falls es euch nicht schnell genug geht oder für den Fall, dass ihr auf eine grässliche Feier eingeladen seid, hat die große Suchmaschine mit dem G eine Lösung. Google betreibt die Seite »Quick, Draw!« auf der die hauseigene AI auf die Probe gestellt werden kann. Besucher skizzieren online via Maus einfache Begriffe wie »Maus« oder »Auto« und die künstliche Intelligenz wird herausgefordert, das gezeichnete Objekt so schnell wie möglich zu erraten. Zu unser allen Nachteil funktioniert das Erkennungssystem besser als manche es zu glauben wagen. Da kann das gekritzelte Auto noch so sehr aussehen wie ein dreibeiniger Dackel mit einem Jetpack und einem Banjo – die künstliche Intelligenz made by Google wird es erkennen.

Unterschätze nie einen Toaster

Als hoffnungsloser Pessimist (mit einem viel zu vollen Terminkalender) hatte ich das starke Bedürfnis die Maschine füttern und fand mich klickend durch die ersten Worte bei »Quick, Draw!«. Nagel, Linie, Computer – und Flamingo. Spätestens beim rosa Federvieh dachte ich mir: »Dir zeige ich es, du alberne AI. Du bist doch nur so clever wie ein Toaster!« und zeichnete via Maus den beschissensten Flamingo aller Zeiten. Auf dem ersten Blick ein ausgeklappter Zollstock, auf dem zweiten ein missglücktes Haus vom Nikolaus.

Screenshot: quickdraw-ergebnisse

»Gut gezeichnet« die Heidelbeere bleibt unerkannt.

Unberechenbar gegen den Algorithmus

Natürlich erkannte dieser beknackte digitale Klugscheißer meinen arg geschundenen Flamingo ratzfatz. Aber! Meine Heidelbeere und vor allem meinen picasso-mäßigen Golfschläger hat die Pseudo-Intelligenz nicht benennen können, ätsch! Das gibt mir die Hoffnung, dass ich zwar vielleicht nicht jeder grässlichen Party ausweichen kann, aber dafür noch das eine oder andere Lebensjahr erleben darf. Und das alles nur, weil ich unberechenbare Flamingos malte? Ein aufmunternder Gedanke zum Ende der Welt. Bleib unberechenbar! Sei ein auf der Titanic tanzender Zollstock mit einem Banjo – und nenne dich Flamingo. Oder König der Welt.

Bild: pixabay

Beitragsbild: Die Antwort auf alle Fragen: Babyfoto

Die Antwort auf alle Fragen: Babyfoto

An alle, die bereits als Antwort auf eine simple Whatsapp-Frage ein Babyfoto ohne sonstigen Kommentar zugeschickt bekommen haben: Ihr seid nicht alleine.

Abseits dieses Blogs bin ich zuweilen ein recht umgänglicher Mensch, trenne Müll, gehe zur Wahl und furze nicht in Aufzügen. Wider Erwarten überkommt mich sogar ab und zu eine Welle der Nächstenliebe, in der via Smartphone zum Geburtstag gratuliere oder einfach so frage: Hey, wie geht’s? Und was bekomme ich als Antwort? Kein Kommentar zum Befinden, kein »Wessen Nummer ist das?«, sondern ein … Babyfoto.

Es kann niemand entkommen

Mittlerweile wurde mir von anderen Betroffenen versichert, dass diese Art und Weise der Antwort keine Seltenheit ist. Nach einer Dauer von mindestens neun Monaten besteht die Gefahr, dass Dialoge durch wortkarge Bilderfluten in Form von Babyfotos gefährdet werden. Da kannst du nach dem Netflix-Passwort oder dem Wetter in Irgendwo fragen, es folgt darauf nur eine Antwort: ein Bild eines kleinen sabbernden Menschens, der sich noch nicht wehren kann.

Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Vielleicht genießen es junge Mütter und Väter einen gewissen Moment der Wahrheit zu provozieren, in dem alle Karten auf Tisch kommen. BÄM! Ich habe Nachwuchs gezeugt, und Du so!? Oder sie platzen vor Stolz und Liebe und wollen die ganze Welt daran teilhaben lassen –  oder zumindest diejenigen, die ahnungslos fragten, ob alles okay sei. Manche verzieren ihre WhatsApp-Profile und Status-Postings mit Fotos ihrer Sprößlinge. Frei nach dem Motto: frag mich endlich, was sich alles bei mir getan hat!

Mir egal, was ihr schreibt. Hier ist ein Babyfoto

Laut einer amerikanischen Studie könnte das ständige Posten von Babyfotos den Versuch darstellen, eine eigene Rolle zu finden und somit die Bestätigung für das eigene Tun zu erhalten. Im Grunde sollte ich mir als Mann an dieser Stelle eine Meinung schenken. Mir ist vollkommen klar, dass ich mich bei diesem Thema auf ganz dünnem Eis bewege. Was weiß ich schon über den Gegenwind, den eine junge Mutter spüren kann? In meiner wagen Vorstellung ist der Druck gewaltig. Es muss alles stimmen! Balanceakt zwischen Erwartungshaltungen, eigenen Ansprüchen und dem Schein, den es zu wahren gilt.

Aus diesem Grund suchte ich den Dialog zu Menschen, die auch unfreiwillig stapelweise Babyfotos sammeln. Sie bestätigten meine Erfahrungen, indem sie mir Auszüge der teilweise recht absurden Gespräche präsentierten. »Heute Abend was vor?« Babyfoto. »Habe mir ’nen neuen Teppich gekauft. Was hältste davon?« Babyfoto. Wobei der schwierige Teil erst NACH dem Foto kommt. Wie antwortet man auf das Bild eines Säuglings?

Doch wie sollte man antworten?

»Hmmm. Okay.« oder »Baby..?« … eine wirklich geeignete Antwort möchte mir nicht einfallen. Zumal die geblitzten Babys eh alle gleich aussehen. Ist das nun der Nachwuchs von Lena oder von Bernd? Keine Ahnung, verdammt! Weitere Antworten: »Ist es voll funktionstüchtig?« könnte beleidigend wirken, während ich »Nein, danke« schon beinahe wieder angebracht finde.

Am besten sie schicken mir alternativ besser Bilder von Welpen oder anderem süßen Getier, da kann ich meine Freude kaum zügeln: »OMG WAS IST DAS FÜR 1 KNUDDELWUDDELKNUTSCHIWUTSCHI … ICH WILL STERBEN. GIB IHN MIR SOFORT. AAAAAAAAAAAAWWWW <3<3<3 SO FLAUSCHIG!!!!!1111«. Da kann kein Säugling mithalten, im Gegenteil. Welpen 1, Babies 0.

Image by joffi from Pixabay

Leichen im Keller bzw. Ärsche auf dem Handy

Leichen im Keller bzw. Ärsche auf dem Handy

Filmrezension »Das perfekte Geheimnis«

In der deutschen Film- und Fernsehunterhaltung genießen Talkrunden einen besonderen Stellenwert. Täglich schwafeln und fachsimpeln gefragte Menschen in der Flimmerkiste um die Wette – und wir Zuschauer kleben an ihren Lippen. Möglicherweise liegt es an unserer typisch deutschen Schadenfreude, der Drang den berüchtigten roten Knopf zu drücken. Wiki beschreibt diese Emotion als die »Freude über das Missgeschick oder Unglück anderer«. Passt hinsichtlich des aktuellen Filmwerks »Das perfekte Geheimnis« aus der Feder von Bora Dağtekin wie die Faust aufs Auge. Man möchte im Kino aufschreien: »Alle scheiße! Außer Mutti. Besonders die Kerle!«

Manche legen es darauf an

Zur Handlung: Rocco (Wotan Wilke Möhring) und Eva (Jessica Schwarz) laden ihre langjährigen Freunde zum Pärchenabend mit Eskalationsgarantie ein. Um das gegenseitige Vertrauen innerhalb der Freundschaft auf die Probe zu stellen, sollen bei dieser besonderen Talkrunde alle Smartphones aus der Tasche auf den Tisch. Jede Nachricht, jeder Anruf … alles wird laut vorgelesen. Ich persönlich möchte behaupten: wer solche Ideen hat, möchte die Welt brennen sehen.

Ein Handy ist nicht nur hilfreich bei Langeweile und als Erinnerungsstütze für kommende Geburtstage, es kann sogar ein ganzes Parallelleben verbergen (#mussmanwissen). Somit ist es keine Überraschung, dass bereits nach kurzer Zeit die ersten eindeutig zweideutigen Nachrichten eintrudeln. Natürlich lassen zusätzlich aussagekräftige Bilder ebenfalls nicht lange auf sich warten. Um weitere Katastrophen zu verhindern tauschen Leo (Elyas M’Barek) und Pepe (David Florian Fitz) ihre Smartphones, was – wer hätte das gedacht – natürlich in die Hose gehen muss.

Die Lust am Scheitern

Die Empörung ist groß, das Geschrei laut. Und es macht Spaß! Der Film greift zwar tief in die Klischeekiste, aber dank der Lust am Fremdschämen kommt keine Langeweile auf. Frederick Lau überzeugt in seiner Rolle als unsympathischer Großkotz Simon, während Jella Haase als Bianca den perfekten Kontrast darstellt: hilfsbereit und begeisterungsfähig wirkt sie wie der letzte Hoffnungsschimmer in dieser zum Scheitern verurteilten Runde.

Auch wenn ich bei diesen Voraussetzungen eines Pärchenabends einen Horrorfilm erwartet hätte, bleibt sich Autor und Regisseur Bora Dağtekin (Türkisch für Anfänger, Fack ju Göhte) treu und liefert eine Komödie nach dem bekannten Erfolgsrezept: verspielte Klischees, reichlich Pimmelwitze und feierliche Blamagen zum Ausleben der Schadenfreude. Zwar ist letztlich kein Geheimnis für den Zuschauer so perfekt, dass es verborgen bleibt, aber die vielen Momente des Scheitern bieten trotz mancher arg konstruierter Dialoge beste Unterhaltung.

Sie wollen doch nur spielen

»Das perfekte Geheimnis« ist die deutsche Interpretation des italienischen Films »Perfetti sconosciuti« (2016), der ebenfalls für den französischen Markt unter dem Titel »Le Jeu« (2018) adaptiert wurde. Selbst die Italiener und Franzosen haben das Wort Schadenfreude in ihren Wortschatz übernommen. Scheinbar ist das Phänomen anderen Mitmenschen beim Scheitern zuzuschauen europaweit ein Dauerbrenner.

In der deutschen Fassung bleibt das Happy-End nicht aus. Zwar entpuppt sich ein Großteil der Charaktere als Arschlöcher, doch die Männer schießen mit homophoben Sprüchen den Vogel ab. Versöhnlich und optimistisch will das Ende wirken: Lasst den Männer ihre Handys, ihre Spielzeuge. Sie möchten schließlich nur spielen, oder? Es bleibt jedoch ein gewisser Nachgeschmack. Ist es okay, homophob zu sein? Und ist Gewalt ein geeignetes Mittel zur Konfliktlösung? Diese Fragen könnten zu mehr Konflikten führen als ein falsch versandtes Tittenbild. Was »Das perfekte Geheimnis« aber in jedem Falle bietet: Gesprächsstoff für den nächsten Pärchenabend und nervöse Blicke auf das nächste Handy.

Photo credit: Petit_louis on Visualhunt / CC BY

»Das perfekte Geheimnis«
Kinostart: 31.10.2019 | Darsteller: Elyas M’Barek, Karoline Herfurth, Florian David Fitz, Jella Haase, Frederick Lau, Jessica Schwarz, Wotan Wilke Möhring u.a.| Produzentin: Lena Schömann | Executive Producers: Martin Moszkowicz | Regie: Bora Dağtekin | Drehbuch: Bora Dağtekin

Titel: Neulich bei den anonymen Plastikfreunden

Neulich bei den Anonymen Plastikfreunden

Dilemma Plastik: Man stelle sich eine Art Selbsthilfegruppe für Leute vor, die partout nicht auf Plastikmüll verzichten wollen. Wie das wohl ablaufen würde?

Ich gab mir den Namen Bruno. Wie lässig es klingt, wenn Leute »Was geht, Bruno?« sagen! Beste Voraussetzungen für die Vorstellungsrunde bei den Anonymen Plastikfreunden. Die ultimative Anlaufstelle für alle armen Kreaturen wie mich, die nicht auf ihre tägliche Portion Plastik verzichten können/wollen. In erster Linie geht es natürlich um Austausch von Erfahrungen, zusätzlich sämtliche Sorgen bezüglich der Kampagne gegen Plastik sollen auf den Tisch; Gleichgesinnte können dank der engagierten AP über ihr Lieblingsmaterial debattieren und brauchen sich nicht zu schämen, wenn sie mal ’nen Kaffee im Plastikbecher getrunken haben.

Aufmerksam wurde ich auf diese Veranstaltungen auf dem üblichen Weg: Filterblase, sprich Social Media. Überrascht über die regen Followerzahlen erkundigte ich mich nach dem Ort für das nächste Treffen und ob ich einfach mir nichts dir nichts vorbeischauen könnte. Na klaro! Musste mich halt zu der angekündigten Uhrzeit vor der lokalen IKEA Filiale einfinden. Warum IKEA? Weil jeder Teilnehmer bei einem spontanen Bedürfnis nach Plastik (und nur im Notfall!) schnell im Bällebecken abtauchen darf.

Finger weg von meiner Strohhalm-Sammlung

Leider sagte niemand zu mir »Was geht, Bruno?«, aber wenigstens begrüßte mich die illustre Gruppe freundlichst. Es war ein komplett durchmischter Haufen, die sich nur dank ihrer Zuneigung zum Plastik in einem klischeehaften Sitzkreis versammelten. Da einige neue Gesichter am Start waren, fiel die Vorstellungsrunde etwas ausführlicher aus.

Eine schmächtige Linda berichtete uns von ihrer heimlichen Strohhalm-Sammlung, die sie scheinbar über Jahre hinweg auf dem Dachboden hortete. Timo (mit Bart) hingegen schwörte auf in Plastik eingeschweißtes Obst und Gemüse, ohne Wenn und Aber. Ein sogenannter Nikolaus übertreibt total, da er zu den absurdesten Gelegenheiten einen prall gefüllten gelben Sack mit sich herum schleppt. So unterschiedlich die Vorlieben der Anonymen Plastikfreunde auch sein mochten, uns alle verband ihre Liebe zum Kunststoff. Wir wollten der Umwelt zuliebe und aufgrund des medialen Drucks unsere Neigungen bändigen, aber es ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Als zum Beispiel ein anderer Timo (ohne Bart) das Verbot für Plastiktüten ansprach, mussten zwei Teilnehmer zur Beruhigung direkt ins Bällebad.

Der künstliche Stein der Weisen

Irgendwann war auch mein Moment gekommen. Gespannt wartete die Truppe auf meine Vorstellung. »Hi. Ich bin Bruno und möchte euch meine Obsession präsentieren.« Wortlos holte ich einen Lego-Stein aus meiner Hosentasche und hielt ihn vor mich. Ein leises Raunen ging durch die Runde. Aus dem Augenwinkel meinte ich sogar zu erkennen, dass hinter einer vorgehaltenen Hand getuschelt wurde. Einleuchtend, keine Frage. Es war die pure Provokation, als ob ich eine Sektflasche bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker köpfen würde.

Zweifelsohne ein gelungener Einstand. Anstatt ihre Hemd- und Blusenknöpfe, Wasserflaschen oder Smartphones zu befummeln, wollten sie alle meinen Lego-Stein halten. Plastik, welches man bereits seit der Kindheit lieben gelernt hat. Das selbst heute noch – und sogar in der furchtbar ernsten Businesswelt – den guten Ruf inne hat, Kreativität zu fördern und Fantasien zu formen. Ein magischer Stein, der noch nicht für überflüssig erklärt und durch alternative Materialien ersetzt wurde – im Gegensatz zu Lindas Strohhalmen.

Dem Plastik zuliebe

Eine Woche später. Die Runde der Kunststofffanatiker hat sich wieder eingefunden, doch etwas hat sich seit meinem Einstieg verändert. Für die nächste Zusammenkunft durfte jeder sein neues Lieblingsobjekt mitbringen. Linda hat neuerdings keinen Bedarf mehr an ihren alten Strohhalmen, stattdessen feiert sie Bambus. Timo stieg der Umwelt zuliebe auf natürlich verpacktes Obst um – die Banane.

Mancher Plastikmüll kann vermieden werden, warum nicht einfach anfangen? Scheint zumindest bei den Anonymen Plastikfreunden recht angebracht. Nur Nikolaus druckste herum, kam aber letztendlich nicht mit leeren Händen: zwei vollgestopfte gelbe Säcke mit Lego-Bausteinen.

Photo credit: michaelkowalczyk.eu on Visual Hunt / CC BY-SA
Beitragsbild: Es wird Arschlöcher geben

Es wird Arschlöcher geben

Ob in der Politik, den Medien, der Wirtschaft oder im Umfeld – du kannst es drehen und wenden, wie du willst: Arschlöcher sind unvermeidbar und leider allgegenwärtig.

Ein kleines Beruhigungsmittel in Textform an mich selbst: du kannst es drehen und wenden, wie du möchtest – es wird immer und überall ein absolutes Arschloch geben. Es wird dir ins Gesicht lügen und schlimmstenfalls nehmen, was dir lieb ist. Vielleicht reißt es dir gar das Herz raus und hinterlässt bleibende Schäden. Egoismus ist eine Motivation, nicht selten der Treibstoff; es macht ein solches Arschloch aus. Solche Gestalten sind selbstsüchtig, rücksichtslos, habgierig, träge und weisen letztlich jede Verantwortung von sich. Zugeben, dieser Absatz liest sich, als hätte ich ordentlich eins auf die Mütze bekommen. Als ob ich in Selbstmitleid zerfließen würde und die Gelegenheit nutzen möchte, ordentlich Frust abzulassen. Teilweise richtig. Zusätzlich ziehen mich die Erzählungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis runter, die zwangsläufig auch an Arschlöcher geraten sind. Wie geschrieben, diese Zeilen sollen eine Art friendly reminder darstellen. Sie werden jedem begegnen, aber alleine diese Erkenntnis kann deren Einfluss schwächen.

Als ob es eine Fabrik für diese Idioten gäbe

Es wird immer einen geben, der Dir die Vorfahrt nimmt. Jemanden, der die letzte Klorolle verbraucht ohne aufzufüllen. Einen Incel, der alle Frauen bis auf Mutti für sein Scheitern verurteilt. Arme Gestalten, die nichts außer ihrer Heimat nennen wollen, auf das sie stolz sind. Die ihr Handy zücken, wenn Andere ums blanke Überleben kämpfen. Ungeduldige, die nicht am Bahngleis nicht warten können, bis andere Fahrgäste ausgestiegen sind. Gewissenlose Monster, die in der Werbung oder im Bankgewerbe arbeiten. Natürlich auch solche, die ihren Müll unbekümmert auf den Boden werfen. Spießbürger, die sich aus Prinzip über ihre Nachbarn beschweren. Die niemanden aussprechen lassen. Arschlöcher, die das Ende des Buches oder Films spoilern und sich darüber freuen. Oder solche, die sich selbst an ihren Facebook-Kommentaren aufgeilen. Trottel, die dir vorschreiben wollen, was du zu tun hast – oder zu denken. Die dich nur nach deinem Befinden fragen, damit sie über sich selbst reden können. 

Nachschub garantiert – aber es gibt Hoffnung

Die schlechte Nachricht zuerst: Ja, du wirst sie allesamt kennenlernen und sie werden dir ordentlich auf den Zeiger gehen. Doch es gibt auch einen kleinen Lichtblick. Du kannst dich auf solche Begegnungen innerlich vorbereiten,  die Nachwirkungen müssen demzufolge bei weitem nicht so dramatisch sein. Vielleicht hilft es, wie Ai Weiwei mit ausgestrecktem Mittelfinger und einem satten »Du-mich-auch« Feeling durch die Weltgeschichte zu stolzieren. Oder wenn du jedes Zucken eines Arschlochs belächelst und ignorierst, denn schließlich findet jeder Albtraum ein Ende. Nimm es nicht persönlich. Baue Distanz auf,  ernsthaft: du musst nicht dauerhaft im selben Raum wie dieses Ungeheuer abhängen. Ist das Arschloch zu stark, suche dir Verbündete. Wechsel nicht auf das Niveau des Idioten, bleib du selbst. Streiche es aus deinem Leben und mache weiter. Moment … habe ich gerade eine  kurze Anleitung verfasst, wie man zum egoistischen, psychopathischen und mobbenden Vollarsch wird? 

Photo credit: Luis Marina on Visual Hunt / CC BY

Beitragsbild: »Denk mal drüber nach« waren seine letzten Worte

»Denk mal drüber nach« waren seine letzten Worte

Gerne werden Diskussionen im Web mit Kraftausdrücken und seltsamen Formulierungen geschmückt. Fantastisch ist zum Beispiel die Aufforderung »Denk mal drüber nach« – der verzweifelte Versuch, das Gegenüber bei hitzigen Wortgefechten zu beschwichtigen.

Oder ihre letzten Worte. Für die folgende Story absolut schnuppe. Neulich bestaunte ich einen Eklat in einer Facebook-Gruppe, zu dem Popcorn gut gepasst hätte. Die Emotionen kochten über und einige der Namen beteiligten sich eifrig, ungezähmt – und vor allem unaufgefordert. Kennt man alles.  Dafür gibt es schon lange ein Wort, welches wortwörtlich übersetzt höchst unangenehm klingt: Shitstorm. Wieso und weshalb es jedoch zur gemeinschaftlichen Empörung im Netz kam, soll an dieser Stelle eine untergeordnete Rolle spielen. Was mich beim Lesen der aufgewühlten Statements weitaus mehr faszinierte war eine abschließende Formulierung, die erstaunlich oft genutzt wurde. Denk mal drüber nach. Ein gezogener »Schlussstrich«, ein signalisierendes »Basta« oder eine Drohung, dass die »Schotten dicht gemacht« wurden. Denk mal drüber nach. Das ultimative Fazit, dem nichts mehr hinzuzufügen ist, Widerrede vom Absender unerwünscht.

Eine andere Umschreibung für »Ich habe recht«

Absurd. Jemand drängt mir unaufgefordert eine Meinung auf und ich soll mich folglich damit im stillen Kämmerlein auseinandersetzen? Okay, ausnahmsweise. Denke ich halt mal darüber nach. Bin sogar mittendrin. Wobei ich stark vermute, dass die Aufforderung eher eine Umschreibung für »Schnauze! Ich habe recht!« darstellen soll. Ich stelle mir vor, wie ein solches Verhalten offline funktionieren könnte. Debatten werden erfahrungsgemäß gerne in Küchen und sonstigen Orten der Völlerei geführt – mit einem Getränk in der Hand. Ein Anwesender verschätzt sich maßlos und spuckt auf dem Tiefkühlschrank lehnend seine kontroverse Meinung aus: Ananas auf der Pizza ist voll in Ordnung! Denk mal drüber nach!

Die Menge schweigt und vereinzelt schämt sich jemand etwas fremd. Nicht unbedingt, weil sie im inneren Monolog die Existenz von Ananasstückchen auf ihrem Lieblingskaterfrühstück debattieren sondern weil sie sich wünschten, sie hätten diesen Unfug nie gehört.

Selbstgespräch mit Stoppschild

Stelle sich einer vor, dass diese rhetorische Nullnummer in der Politik ihren Einsatz findet! Eine Diätenerhöhung ist voll und ganz angebracht, da Politiker ebenso voll und ganz dahinter stehen. Denk doch mal darüber nach!

Die einen übernehmen das Denken, die anderen das Reden. Besonders in besagten Facebook-Gruppen wird hinsichtlich des Denkens scheinbar eine Art Outsourcing betrieben. Diskussionen über digitale Kanäle sind mühselig, da sie eigentlich mehr einem Selbstgespräch denn einem Dialog gleichen. Meinung hin oder her, Statements werden häufig spontan und ohne große Überlegung ins Netz geworfen. Besonders wenn ein ordentlicher Schuss Weißglut als Treibstoff für die Meinungsäußerung dient, möchte man ein »Ja, aber …« weder hören noch lesen. DENK MAL DRÜBER NACH ist somit ein Stoppschild für all jene, die noch ein Argument in petto haben. Lass es stecken, sondern denke mal drüber nach. Worüber auch immer. Zum Beispiel, dass man sich Diskussionen im Web schenken könnte … schließlich sind sie nur halb so schlimm wie Ananas auf ’ner Pizza.

Photo credit: Matt From London on VisualHunt.com / CC BY
Beitragsbild: Wenn andere Leute deine Musik scheiße finden

Wenn andere Leute deine Musik scheiße finden

Danke, danke, danke! Ich kann Dir nicht genug danken, verehrter Erfinder des Kopfhörers. Ohne Dein Geschenk wäre die Welt ein ziemlich lauter, ein unerträglicher Ort. Nicht auszudenken, wenn ich mir jede Lärmbelästigung, die manche ernsthaft »Musik« nennen, antun müsste!

Eigentlich wollte ich Robert loben. Dufter Kerl! Ruhige Erscheinung, gibt ab und zu eine Fassbrause aus, total vertrauenswürdig. Geht selbst mitten in der Nacht nie bei Rot über die Straße, ein Ehrenmann, ein Bro-Bert! Ich persönlich hätte Robert mein Facebook-Passwort anvertraut, meinen Erstgeborenen nach ihm benannt oder wenigstens seinen Namen als Tattoo getragen. Aber so sollte es nie kommen, da ich mich massiv in ihm täuschte. Dieser Mann hört frei von jeder Ironie Ed Sheeran. Ich wiederhole: ED SHEERAN.

Über Geschmack lässt sich (nicht) streiten

Konnte ja auch niemand ahnen, dass Robert einen so beschissenen Musikgeschmack hat. Spätestens als er mit den Worten drohte »Ich muss dir ein Lied vorspielen – das wirst du lieben!«, hätte ich ohne zu Zögern aufstehen und gehen sollen. Wegrennen, laut LALALALA trällern und dabei die Lauscher zuhalten. Stattdessen grinste ich verzweifelt und lauschte qualvoll irgendeinem Lärm seiner Playlist, die er »Get pumped« betitelte. Währenddessen fragte er, ob ich es auch »so geil« fände, als ob uns eine Zeitmaschine zurück in die 90er verfrachtet hätte. Resignierend nickte ich und schwieg weiter. Affengeil, dachte ich und … Get fucked, Robert.

Geteiltes Leid ist nicht immer halbes Leid

Klingt vielleicht übertrieben, aber gewiss ist die Situation nicht unbekannt. Ein Freund, Bekannter oder was auch immer textet »Hör mal rein! Könnte Dir auch gefallen« und schickt einen YouTube Link mit einem so furchtbaren Musiktitel, dass du dir am liebsten wie Van Gogh ein Ohr abschnibbeln würdest. Solche quälenden Vorschläge kann man ignorieren oder am besten direkt blockieren. Schlimmer ist es, wenn die Quälgeister in deiner Gegenwart ihr Handy zücken. Alleine das Scrollen in den Playlisten löst nervöses Augenzucken beim Opfer aus. Aus Höflichkeit sagt man direkt nach dem ersten Takten etwas Blödes wie »Ja, nich schlächt. Mussich späta nomma hörn« oder schweigt, bis das Schlimmste vorbei ist. Wie bei dem Beispiel von eben. Wieso überkommt uns der Drang, andere mit unserem Geschmack zu überzeugen?Anzustecken? Sind die Roberts dieser Welt erst happy, wenn alle seine Playlist teilen und Ed Sheeran summen?

Intime Geschmacksrichtungen

Vielleicht hätte ich mir bei Robert die Mühe machen sollen und ihn direkt nach seinen Lieblingsliedern fragen sollten – aber hey! Musik ist eine intime Angelegenheit. Die Plattensammlung meiner Jugend war geradezu heilig und nur jene Personen, die ich persönlich auserkoren (sprich eingeladen) habe, durften einen flüchtigen Blick drüber werfen. Nicht zu viele Fragen stellen, sondern einfach gut finden. Meine Platten von The Smiths und My Bloody Valentine machten mich stolz; gaben mir das Gefühl, der Vinyl-Halbgott mit einem unerschöpflichen Pool an Trivia zu sein. Wusstet ihr, dass Kurt Cobain zwar aus der High School geschmissen wurde, aber kurz darauf an derselben Schule als Hausmeister arbeitete? Egal. Aus Höflichkeit hat niemand über meine Scheiben gemeckert. Logisch, sonst hätte ich sie auch achtkantig raus geworfen.

Heute? Internet killed intimacy, sodass dir jeder Schelm seine Lieblingslieder ungebeten um die Ohren haut. Sei es online (Facebook, WhatsApp, Playlisten) oder offline (verflixte Bluetooth-Boxen). Niemand, ich wiederhole, NIEMAND fragte dich nach deinem derzeitigen Lieblingslied, unbekannter Facebook-Nutzer. Natürlich muss es niemand anklicken oder gar anhören, aber es droht alleine vom Lesen eine üble Ohrwurm-Gefahr. Ich sag nur »Barbie Girl«. Ist der Songtitel erst einmal gelesen, so startet das Autoplay in deinen grauen Zellen.

Köpfhörer und Musiktitel-Ping-Pong

Gesegnet sei der Erfinder des Kopfhörers! Anfang Juli 2019 feiert der mittlerweile ausgediente Walkman seinen 40. Geburtstag. Musik zum Mitnehmen, super! Doch das Beste: nur du selbst musst/kannst es hören. Was für wundervolle Zeiten. Da können Typen wie Robert zu sämtlichen Gassenhauern der Gruppe PUR im Takt klatschen und direkt im Anschluss zu den messerscharfen Beats des Wu-Tang Clans cruisen. Mir scheißegal, denn ich muss es ja nicht hören.

Abschließend möchte ich meine Wut auf Robert genauer erklären. Beim Lesen der oberen Zeilen könnte der empörte Leser sich fragen, warum mich das so aufregt. »Sag Bro-Bert doch einfach, dass er die Scheiße ausmachen soll, fertig!« Aber so einfach ist es nicht. Jedes Mal, wenn er mich mit seinen grausigen Songs zuballert, vergesse ich meine Prinzipien und tappe stets in die gleiche Falle. Zwar ist mir die Dämlichkeit der Situation bewusst und never ever möchte ich dieses Spielchen mitmachen. Doch was mache ich? Natürlich zücke ich nach wenigen Takten Ed Sheeran mein eigenes Handy und scrolle hastig durch meine Playlist. Voller Scham höre ich mich sagen: »Warte, Alter. Ich habe hier auch einen Song für Dich«. Und wenige Sekunden später gröhlen wir gemeinsam Come on, Barbie! Let’s go party!

Bild: Pixabay

Beitragsbild: Es muss nicht immer Kevin oder Mandy sein Filmrezension »Der Vorname«

Es muss nicht immer Kevin oder Mandy sein Filmrezension »Der Vorname«

Über den aktuellen Film »Der Vorname« (2018) von Sönke Wortmann mit Christoph Maria Herbst, Iris Berben, Florian David Fitz und Caroline Peters – übrigens ein guter Name! Doch in diesem Film geht es offensichtlich um Vornamen

Laut einer Studie aus dem Jahr 2011 sind die Deutschen eine humorlose Nation. Wir sind weder lustig, noch verstehen wir irgendwelche Witze. Während anderswo regelmäßig neuartige Comedy-Formate entstanden, feierten wir Comedians in rosa Joggern, Hausmeisterkitteln oder mit pudelhaften Perücken – bis heute! Gilt das auch für das Kino? Ist die Komödie »Made in Germany« tot? Mitnichten. Vor kurzem feierte der Kultfilm »Bang Boom Bang« ein saftiges Jubiläum. Der Streifen straight outta Unna läuft seit 1.000 (!) Wochen im UCI Bochum.

Kann die deutsche Komödie »Der Vorname« (2018) was?

Nur ist das leider schon etwas her, als die deutschen Filmmacher sich trauten, eine Komödie ohne Til Schweiger ins Kino zu bringen. Schade eigentlich. Umso niedriger war meine Erwartungshaltung, als ich den neuen Film vom Sönke Wortmann mit dem Titel »Der Vorname« sehen durfte. Zwar hat das Regie-Urgestein einige großartige Klassiker wie »Kleine Haie« und »Das Wunder von Bern« auf die Leinwand gebracht, aber mochte mich die Komödie mit Humor-Aushängeschild Christoph Maria Herbst und Wunschschwiegersohn Florian David Fitz auf dem Papier weniger reizen. Voreilig gemiesepetert!

Für den vollen Genuss: Spoiler meiden!

Der Film »Der Vorname« basiert auf einem Theaterstück der Messieurs Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte. Bereits 2012 gab es eine französische Verfilmung, die auch in deutschen Programmkinos lief. Sönke Wortmann schafft es mit seiner Neuverfilmung, aktuelle Strömungen und Themen, die unsere Nachrichten und Kaffeepausen beherrschen, zielsicher und gekonnt einzubauen. Ich hätte nie gedacht, dass mich eine deutsche Komödie mal wieder zum Lachen bringen kann, aber das schaffte »Der Vorname« mehr als einmal. Des Weiteren hatte ich einen großen Vorteil während der Vorstellung: ich hatte keine Ahnung, worum es in dem Stück/Film geht. Aus diesem Grund empfehle ich jedem, der sich für »Der Vorname« von Sönke Wortmann interessiert, von Spoilern und Trailern großzügig Abstand zu halten. Je weniger man weiß, desto besser. Macht es am besten wie bei neuen Folgen von Game of Thrones: Facebook meiden, nicht mehr mit Mitmenschen sprechen, Augen tagsüber ebenfalls geschlossen halten. Diesen Trailer am besten ignorieren!

Sollte man die Vorlage kennen oder gar die Version aus Frankreich gesehen haben, so ist die Neuauflage dank aktueller Verweise gewiss dennoch sehenswert. Ein gelungener Schlagabtausch für Fans des zündenden Dialogs mit einem Schuss Molière und für alle, die gerne über die Klischees der 68er herziehen. Es macht derbe Spaß, den Darstellern bei diesem Feuerwerk an amüsanten Anspielungen, überraschenden Wendungen plus einem provokantem Schnurrbart zuzuschauen. Vielleicht sollte ich den Deutschen Film doch noch nicht abschreiben. »Der Vorname« liefert zumindest Anlass dazu. Chapeau!

»Der Vorname«
Kinostart: 18.10.2018 | Darsteller: Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, Janina Uhse, Iris Berben u.a. | Produzenten: Tom Spieß, Marc Conrad | Executive Producers: Martin Moszkowicz | Herstellungsleitung: Christine Rothe | Regie: Sönke Wortmann | Drehbuch: Claudius Pläging nach dem Theaterstück „Le Prénom“ von Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte.